Soziales kommt später, Bürgerdialog kommt bald – und wieder Streit um AstraZeneca

Die Watchlist EUropa vom 05. März 2020 –

Mitten in der schlimmsten sozialen und wirtschaftlichen Krise seit ihrer Gründung denkt die EU schon an 2030. Dann sollen mehr Menschen einen Arbeitsplatz haben und an einer Fortbildung teilnehmen als heute.

Dies steht in einem Aktionsplan, mit dem die EU-Kommission die 2017 eingeführte „Europäische Säule sozialer Rechte“ mit Leben füllen will.

„Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer unvergleichlichen, überaus bescheidenen Art.

So sollen in zehn Jahren mindestens 78 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Arbeit haben. Das wären fünf Prozentpunkte mehr als 2019.

Außerdem sollen 2030 mindestens 60 Prozent der Erwachsenen jedes Jahr an einer Fortbildung teilnehmen.

Schnelle Hilfsangebote? Fehlanzeige!

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Ein drittes Ziel soll helfen, die soziale Not zu bekämpfen. Die EU-Kommission will die Zahl der von Armut oder sozialem Ausschluss gefährdeten Menschen bis 2030 um mindestens 15 Millionen reduzieren.

2019 waren laut der Statistikbehörde Eurostat gut 91 Millionen Menschen in den 27 EU-Ländern von Armut oder sozialem Ausschluss bedroht. Die Corona-Pandemie hat die Lage verschlechtert.

Doch schnelle Hilfsangebote für die aktuelle Krise sucht man in dem Aktionsplan vergeblich. Auch eine Arbeitslosen-Rückversicherung taucht in dem Aktionsplan nicht mehr auf.

Bürger wollen mehr Soziales

Dabei wären die meisten EU-Bürger durchaus für mehr Sozialpolitik zu haben. Nach einer am Montag veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage sprechen sich 88 Prozent der Befragten für ein soziales Europa aus.

Von der „Europäischen Säule Sozialer Rechte“ erhoffen sich 79 Prozent ein Mehr an Beschäftigung und Teilhabe. Bisher ruht diese Säule aber vor allem auf hehren Prinzipien, nicht auf Taten.

Diese Taten läßt Brüssel auch jetzt vermissen. Dem Aktionsplan fehlt die Action. Dass 2030 alles gut werden soll, ist da ein schwacher Trost…

Siehe auch meinen Kommentar für die „taz“

Watchlist

Beginnt jetzt endlich der Bürgerdialog zur Zukunft der EU? Spitzenvertreter des Europaparlaments stimmten am Donnerstag einer Erklärung zu dem Projekt zu, wie Parlamentspräsident David Sassoli mitteilte. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission hatten bereits zuvor grünes Licht gegeben. Ziel sei es, Bereiche anzusprechen, in denen die EU handeln könne oder in denen ein Handeln der EU zum Nutzen der europäischen Bürgerinnen und Bürger wäre, heißt es in der Erklärung zum Start des Bürgerdialogs. Ob auch die Coronakrise dazu zählt? Ich habe meine Zweifel – siehe hier

Hotlist

  • Der französische Europaminister C. Beaune fordert in „Les Echos“ eine Reform der EU-Budgetregeln und ein Vorziehen des Corona-Hilfsfonds. « Revenir aux règles d’avant la crise, ce serait risquer de refaire les mêmes erreurs qu’en 2011-2012 », souligne Clément Beaune, tout en mettant en garde contre la tentation du laxisme et en fustigeant le débat autour de l’annulation de la dette. La France pousse à une accélération du plan de relance européen pour obtenir des premiers crédits avant l’été. – Das klingt vernünftig, doch Brüssel und Berlin wollen davon nichts wissen. Vor der Bundestagswahl rüttelt man doch nicht am Maastricht-Vertrag, oder?
  • Es ist ein Präzedenzfall: Die italienische Regierung hat dem britisch-schwedischen Pharmaunternehmen Astra-Zeneca erstmals untersagt, in der EU produzierten Impfstoff in einen Drittstaat zu exportieren. Nach übereinstimmenden Informationen aus der EU-Kommission und aus Rom sind 250.000 Dosen des Vakzins betroffen, das für die Ausfuhr nach Australien bestimmt war. Damit kommt erstmals das neue Regelwerk zur Anwendung, das die EU-Kommission Ende Januar für die Exportkontrolle erlassen hat, schreibt die FAZ.Und damit droht erneut Streit mit AstraZeneca…
  • Der gewaltsame Konflikt in Nordirland konnte 1998 beendet werden. Nun, mehr als zwanzig Jahre später, droht die Gewalt wieder aufzuflammen, berichtet n-tv. In Briefen an die Premierminister von Großbritannien und Irland, Boris Johnson und Micheál Martin, haben loyalistische paramilitärische Organisationen angekündigt, dass sie ihre Unterstützung für das historische Friedensabkommen in Nordirland zurückziehen. – Das klingt gar nicht gut. Die EU wollte mit dem Brexit-Abkommen auch den Frieden in Nordirland sichern. Da ist einiges schief gelaufen…