Ein bürokratisches Monstrum
Die Eurogruppe trifft sich schon wieder. Es geht um die Budgetentwürfe der 17 Euroländer für 2014, die geprüft und abgesegnet werden müssen. So will es der neue “Two Pack”, der auf den “Six Pack” folgt – aus deutschem Kontrollwahn und Brüsseler Bürokratie wurde ein Monster geboren.
“Im Plankommissariat” habe ich Ende Mai einen Post überschrieben. Damals gab die EU-Kommission ihre “länderspezifischen Empfehlungen” zur Wirtschafts- und Finanzpolitik bekannt.
Die Texte wurden fein säuberlich in Körbchen abgelegt. Die Journalisten mussten wie einst im Sowjetreich auf amtliche Genehmigung warten, bevor sie lesen durften, was die Kommission empfahl.
Damals ahnte ich nur, dass dies der Anfang einer gigantischen Planbürokratie sein würde. Sie nennt sich “Economic Governance”, was auf die französische Idee einer Wirtschaftsregierung zurückgeht.
Der Kommissar verteilt Noten
Gedacht war diese Wirtschaftsregierung ursprünglich als wirtschaftspolitische Koordinierung demokratisch gewählter Regierungen mit dem Ziel, Wachstum und Wohlstand in Euroland zu maximieren.
Doch sie entpuppt sich nun als Mischung aus deutschem Kontrollwahn und Brüsseler Bürokratie, die erst nach und nach ihre absurde Wirkung entfaltet. Heute muss nun auch die Eurogruppe mitspielen.
In einer Sondersitzung, zu der unser Oberkommissar Schäuble eigens nach Brüssel kommt, sollen die Finanzminister die Noten von Wirtschaftskommissar Rehn zu den Budgetentwürfen für 2014 absegnen.
So sieht es der “Two Pack” vor, der gerade in Kraft getreten ist – und sicherstellen soll, dass sich niemand mehr Alleingänge leistet. Brüssel hat das Sagen, noch bevor die nationalen Parlamente ihr Budgetrecht ausüben.
Alles geht streng nach Plan
Alles geht streng nach Plan, getreu den ehernen Kriterien aus Stabilitätspakt, Fiskalpakt, Strategie 2020 und den Empfehlungen des “Europäischen Semesters”. Für Krisenländer gelten noch ein paar Sonderregeln.
Geprüft wird mittlerweile fast alles: Neuverschuldung, Schuldenstand, private Verschuldung, strukturelles Defizit, Leistungsbilanz, Export & Import, Potenzialwachstum, Arbeitslosigkeit etc. pp.
Doch die ganze Übung zielt einzig und allein darauf, die zum Dogma erhobenen Defizitkriterien einzuhalten. Exorbitante Exportüberschüsse werden ebenso wenig sanktioniert wie dramatische Arbeitslosenrekorde.
Die “Regierung” ist nicht gewählt
Dass es sinnvoll sein könnte, einigen Ländern eine expansive Finanzpolitik zu empfehlen, kommt den Bürokraten ebenso wenig in den Sinn wie ein nachfrageorientierter Kurs (siehe “Das Ende aktiver Wirtschaftspolitik”).
Und natürlich fehlt alles, was eine echte Regierung ausmacht. Diese “Wirtschaftsregierung” ist nicht gewählt, sie hat keine eigenen Einnahmen, sie kann keine Schulden machen und keine Investitionen beschließen.
Dass dies so bleibt, darüber wacht unser unermüdlicher Schäuble. Der Mann, den die Medien immer noch als großen Europäer feiern, hat dafür gesorgt, dass die ganze Übung vor allem deutschen Interessen dient.
Bürokratie made in Berlin
Also dürfte er sich heute selbst loben und zugleich mahnende Worte in Richtung Italien, Spanien und Frankreich richten. Vielleicht schimpft er auch mit Griechenland, weil es nicht nach der Pfeife der Troika tanzt.
Man müsse schließlich die “richtigen Anreize” setzen, so der CDU-Mann. Also mahnen und strafen. Eurobonds und gemeinsame Schulden dagegen würden Europas “Niedergang” einleiten, sagte er gerade erst wieder.
Fehlt eigentlich nur noch, dass er sich über die EU-Bürokratie beschwert. Das wäre dann das i-Tüpfelchen. Schließlich wurde dieses Monstrum ja aus dem Geiste deutscher (Budget-)Disziplin geboren…
Wer sich selbst ein Urteil bilden möchte, kann ja ‘mal auf der Website der EU-Kommission nachlesen, z.B. hier oder hier. Alles klar? Siehe zu diesem Thema auch “Sie nennen es Governance”
rundertischdgf
22. November 2013 @ 21:47
Kontrollwahn, vielleicht zur Ablenkung von wirklichen Problemen? Weitgehend ist untergegangen, daß sich mit einer Pressemitteilung des EU Parlaments die EU selber der Unfähigkeit enttarnte. Wurde doch offen zugegeben, daß innerhalb der EU 3600 international operierende Verbrecherorganisationen Milliarden schmutzige Euro sauber waschen. Ob die Kommissare mit ihrer Organisation von weit über 50 000 Eurokraten an dieser Front wirklich effektiv arbeiten wollen, das ist schwer zu bezweifeln. Der Eurokratismus passt zum Globalismus. Das wiederum begünstigt die weltweiten ungezügelten Finanzströme.
http://rundertischdgf.wordpress.com/2013/11/22/welche-kriminelle-energie-steckt-im-globalen-markt/
Moritz
22. November 2013 @ 18:08
“Six Pack”, “Two Pack”, verschärfter Stabilitätspakt hin oder her. Am Ende wird sich doch keiner daran halten, genauso so wie zwischen 1999 und 2013 kein einziges Land eine Strafe für zu hohe Defizite bekam. Die neue Regelungen sind ein genauso zahnloser Tiger, allerdings mit viel mehr bürokratischem Aufwand. Der angeblich so scharfe Fiskalpakt ist in seinen Sanktionsmöglichkeiten lächerlich, wenn ein Land sich nicht daran halten will oder kann. Die Strafe kann höchstens 0,1 % des BIP betragen, und nur nach endlosen Gerichtsverfahren, auf die Klage eines einzelnen Landes hin. Die Kommission ist gar nicht klageberechtigt. Alles in allem absurd ! Nationalstaaten lassen sich nun einmal nicht in ihre Haushalte reinreden. Ob man das gut findet oder nicht, es ist ein Faktum !!!
ebo
22. November 2013 @ 18:25
@Moritz
Im Fiskalpakt ist sehr wohl eine Klagemöglichkeit vorgesehen. Zudem unterwandert der “zahnlose Tiger” nun auch noch das “Königsrecht der Parlamente”, nämlich das Haushaltsrecht. Und die ganze bürokratische Prozedur lenkt uns davon ab, dass Euroland eine andere, nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik braucht. Es geht darum, die Märkte in die Schranken zu weisen und den Wohlstand Europas zu steigern. DAS müsste das vorrangige Ziel sein! Nicht die Kontrolle von Kriterien, die sich ökonomisch nicht begründen und politisch nicht durchhalten lassen…
Johannes
22. November 2013 @ 14:20
Halte ich wie Ebo auch für Zeitverschwenung, ABER solche Dinge sind scheinbar notwendig und ein Übel, was Europa in Kauf nehmen muss wenn es Geld aus Deutschland will, und Europa ist süchtig nach noch mehr Geld aus Deutschland. Das hat die EU verdient, wie sonst will man den Bürger in Deutschland ruhigstellen nach dem Motto “wir übernehmmen Schulden aber schau her wir achten jetzt ganz genau auf die anderen Länder und passen auf”. Wenn man solche Krankheiten nicht macht stellt sich der normale Bürger in Deutschland sofort quer beim Thema Rettungspakete, und das weiß man auch in Brüssel. Das sind unteranderem die Opfer, die man zu leisten hat damit man die Politiker in Berlin zur Schuldenübernahme überreden kann, und es klappt ja auch sehr gut.
DerDicke
22. November 2013 @ 10:29
Die EUDSSR wird scheitern so wie die UDSSR vor ihr. Etwas anderes ist dieser regulierungswütige Moloch nicht mehr. Regeln und Gesetze erlassen um zu zeigen, dass man selbst nicht sinnlos ist – von Bananenkrümmungen über Glühbirnenverbote bis zur Staubsaugermaximalleistung. Und das zu fürstlichen Gehältern bei Millionen arbeitslosen Europäern. Der wahre Ausverkauf der europäischen Völker kommt mit dem Freihandelsabkommen.
Lieber Ebo – lass die letzten 10 Jahre Revue passieren und setze den eingeschlagenen Weg gedanklich in die Zukunft fort – welches Europa siehst du im Jahr 2025? Eines, in dem es sich zu Leben lohnt? Eines, für das es sich zu sterben lohnt?
ebo
22. November 2013 @ 11:43
Glühbirnen und Staubsauger gehen auch auf deutsche Initiativen zurück. Das Problem ist nicht allein Brüssel, sondern auch und zunehmend Berlin…