Digitaler Euro, digitale ID, Chatkontrolle: Überwachung total?
Die EU-Staaten haben sich auf eine digitale ID für alle Bürger geeinigt. Die “digitale Brieftasche” kommt nur einen Tag nach dem Entwurf für den digitalen Euro. Auch die Chatkontrolle ist weiter geplant – kommt die totale Überwachung?
Vertreter der 27 EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich auf Regeln für eine digitale Brieftasche für Smartphones. Diese könnte etwa bei Behördengängen oder für die Anmeldung bei digitalen Diensten genutzt werden.
Auch eine kostenlose elektronische Signatur soll möglich sein, wie es in einer Mitteilung der EU-Staaten hieß. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent der EU-Bevölkerung einen digitalen Identitätsnachweis für wichtige öffentliche Dienstleistungen nutzen können.
Doch wollen sie das auch? Die Initative ging von den Staaten aus, nicht von den Bürgern. Ganz ähnlich sieht es mit dem digitalen Euro aus, für den nun ein Entwurf der EU-Kommission vorliegt. Man kann schon heute digital bezahlen – wozu eine neue Währung?
Wer den gemeinsamen Nenner sucht, wird schnell fündig: Wie so oft, geht es darum, für einheitliche Verhältnisse im Binnenmarkt zu sorgen und die Digitalisierung voranzutreiben. Aber es kommt noch ein drittes, weniger schönes Motiv hinzu: Überwachung.
Digitale Spur auf Schritt und Tritt
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Die digitale Welt lässt sich viel leichter kontrollieren als die analoge. Wenn die EU-Pläne umgesetzt werden, würde jeder Einkauf und jeder Behördengang eine digitale Spur hinterlassen. In Brüssel betont man zwar, dass kein “Big Brother” geplant sei.
Doch warum hält die EU dann an den Plänen für eine umfassende Chatkontrolle auf Smartphones und anderen digitalen Geräten fest? Der Kampf gegen Kindesmissbrauch und Terrorismus, der gern als Motiv genannt wird, kann auch anders geführt werden.
Wenn die digitale Überwachung jedoch einmal eingeführt wurde, wird sie aller Erfahrung nach bald auch für andere Zwecke genutzt…
european
2. Juli 2023 @ 12:32
Heute fand ich diesen lesenswerten Artikel zum digitalen Euro. Ich muss nämlich gestehen, dass mir das System noch nicht so völlig klar und einleuchtend erscheint. Ich versuche noch, das in seiner Gänze zu verstehen und stecke noch etwas fest.
https://netzpolitik.org/2023/geleakter-entwurf-so-anonym-wird-der-digitale-euro/
Ich hatte vorher schon in einem Artikel gelesen, dass der digitale Euro programmierbar sein wird, was auch einer der Vorschläge in diesem Kontext war, wie man lesen kann. Im Augenblick geht man nicht darauf ein, sondern will den digitalen Euro „nur“ als digitales Bargeld direkt von der Zentralbank zur Verfügung stellen. Er taucht also in keiner Bankbilanz als Schulden auf wie das Giro- oder Sparkonto, ausser eben bei der EZB.
Noch nicht. Aber, was ist bei der nächsten Krise? Beim Durchsetzen neuer Sanktionen? Alles, was digital ist, ist auch programmierbar und somit ließe sich leicht durchsetzen, dass bestimmte Produkte nicht mehr gekauft werden dürfen oder nur noch in bestimmten Läden bestimmte Produkte gekauft werden dürfen. Die Tatsache „Jetzt nicht“, ist keine Garantie. Gerade im Augenblick sehen wir doch, wie leicht alle Grundsätze von jetzt auf gleich über den Haufen geworfen werden. Keiner unserer PolitikerInnen in charge gibt etwas auf das eigene Geschwätz von gestern.
In diesem Prank-Video zwischen einem fake Selenskyj und Christine Lagarde spricht sie u.a. von Überwachung ab ca. 350 Euro für den Normalbürger. Das Gespräch driftet zeitweilig merklich ab, so dass mich gewundert hat, dass sie nichts gemerkt hat. Es wird schon sehr merkwürdig. Trotzdem war es aufschlussreich, ihren Ausführungen über die „Inflation“ und den digitalen Euro zuzuhören. So richtig kompetent klingt das in meine Ohren allerdings nicht.
https://youtu.be/Z0TKiItrCeE
Helmut Höft
1. Juli 2023 @ 10:51
Norbert Häring zur digitalen Knete: Lesenswert! Ihre neue, bessere, digitale Währung wird Ihnen präsentiert vom: Weltwirtschaftsforum! (ob Sie wollen oder nicht) Das Kapital sagt den Zentralbanken, wo’ sdigital weiter geht. Hach, wer hätte das gedacht! mC
Helmut Höft
30. Juni 2023 @ 20:12
@Bernd F. Stuck
fundierter Kommentar. Eine Anmerkung:… den digitalen Euro genau so beliebig vermehren (und damit im Wert „verwässern“ können), wie bisher schon den normalen Euro. Das mit dem „Verwässern“ soll wohl auf die Geldmenge abzielen, ähem: Nur Geld das kauft kann Preise beeinflussen, Geld das nicht kauft (gehortet) wird nicht.
Der €uro hat ganz andere Probleme als nur ein Geldmengenproblem: Er ist eine Fehlkonstruktion in jeder Weise: Alle Teilnehmer der EWU nutzen mit dem €uro eine Fremdwährung …
Helmut Höft
30. Juni 2023 @ 20:05
Natürlich ist der digitale €uro überfüssig wie ein Kropf (er könnte etwas unabhängiger machen von den US-Bezahl_und_Klickkonzernen … wird aber so bestimmt nicht gestaltet werden *grrrh*). Aber die Leute wollen halt „bequem“ … und brauchen nicht einmal einen Beleg. Wir werden an der Bequemlichkeit der Masse uns noch selber aufhängen.
Den Überwachungsstaat haben wir schon längst, freiwillig! (Google & Co.), der gläserne Mensch ist abstrakt, die Bequemlichkeit real, und außerdem, wie sagt noch der moderne Mensch? „Isch hab‘ nix zu verbersche, gell!“ Wenn’s um private Datennutzer geht: Gar nix! Wenn’s um den Staat geht: Alles! *facepalm*
Berend F. Schuck
30. Juni 2023 @ 14:30
@ebo
Das mit dem “Gastkommentar” kann man natürlich so sehen.
Beim Schreiben kam einfach spontan das eine zum anderen – und fügte sich schließlich zu einem Gesamtbild. Irgendwie traurig bleibt das Ganze dennoch, zumal ich – bei aller gebotenen Bescheidenheit – meine Schlußfolgerungen (leider) für ziemlich schlüssig halte. Die diversen aufgeführten anderen Punkte (rund um das Bargeld und dessen Zurückdrängung) sind ja ohnehin Tatsachen und damit (leider) Fakten.
PS: Mit dem Thema “Europäische Einheitswährung” (Euro) beschäftige ich mich – aus finanztechnischem Interesse aber auch gezwungenermaßen aus Eigeninteresse (A wie Alltag, A wie Altersvorsorge etc. pp) – seit weit über 30 Jahren.
Bernd F. Schuck
30. Juni 2023 @ 12:39
Man könnte dem Projekt “digitaler Euro” unbefangener gegenüberstehen, wenn nicht schon seit Jahren seitens der EZB aber auch der EU eine kontinuierliche Ein- und Beschränkung – samt schleichender Zurückdrängung – des Bargeldes betrieben würde. Zur Erinnerung: Bereits im Jahre 2018 hatte beispielsweise die EZB erklärt, den 500 Euro-Schein “abzuschaffen” (es werden keine neuen Scheine mehr produziert und die alten Scheine werden – via Banken – sukzessive eingezogen). Die Liste ließe sich leicht fortsetzen: Angefangen von sog. “Bargeldbeschränkungen” samt Höchstgrenzen beim Einkaufen über sog. “Nachweispflichten” zur Herkunft des Geld beim Einzahlen auf ein Konto (selbst auf das eigene !) ab einer bestimmten Höhe bis hin zu sog. “Identifikationspflichten” beim Kauf mit Bargeld von Gold aber auch beim Wechsel von Bargeld in andere Währungen (mit noch dazu immer weiter abgesenkten Grenzwerten). Dazu kommt: Nur Bargeld bietet eine anonyme Bezahlmöglichkeit und garantiert damit die Sicherstellung des Rechtes auf “informationelle Selbstbestimmung” (sozusagen das Recht über die eigenen Daten – und die Möglichkeit nicht vollständig zum “gläsernen Bürger” zu werden). Jede Zahlung mit digitalem Geld zieht dagegen eine “Spur”.
Bargeld ist außerdem “ausfallsicheres Zentralbankgeld” – das wird der digitale Euro auch sein, aber schon jetzt zeichnet sich klar ab, daß dem Bürger davon nur eine äußerst limitierte Menge (im Gespräch sind nur maximal 3.000 Euro) zur Verfügung stehen wird. Eine Beschränkung, die natürlich für die EZB nicht gelten wird. Im Gegensatz zum Bitcoin beispielsweise (die Bitcoin-Jünger und Fans sehen die Werthaltigkeit gerade in der von Anbeginn fest gesetzten Begrenzung auf max. 21 Millionen Bitcoins – ob nun zu recht oder zu unrecht kann hier dahinstehen) wird die EZB den digitalen Euro genau so beliebig vermehren (und damit im Wert “verwässern” können), wie bisher schon den normalen Euro. Man denke nur an die EZB-Anleihekäufe mit aus dem Nichts geschaffenen Geld in Billionenhöhe.
Auch der beispielsweise flächendeckenden Durchsetzung von Negativzinsen (Negativzinsen wurde von der EZB bereits einmal über einen längeren Zeitraum implementiert) stünde bei einer nur noch reinen digitalen Währung (auch bei noch höheren Negativzinsen) praktisch nichts mehr im Wege, da Bargeld als Alternative zum Buchgeld (Giralgeld) wegfiele. Das (Durchsetzung von Negativzinsen) ginge dann sozusagen “per Knopfdruck”.
Das EU und EZB-Mantra “Niemand hat die Absicht das Bargeld abzuschaffen” könnte einen vor dem hier geschilderten Hintergrund und bei pointierter Betrachtung daher fast an das legendäre “Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen” erinnern …
Bezeichnend daher auch die Aussage, daß man Bargeld erhalten will, jedenfalls so lange danach eine “Nachfrage” besteht. Wenn man aber gleichzeitig Bargeld immer weiter ein- und beschränkt und damit immer unattraktiver macht – samt einer Alternative “digitaler Euro” – dann wird und muß diese “Nachfrage” automatisch und zwingend immer weiter sinken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …
Ein Blick auf das “Grand Design”: Der Euro in seiner bisherigen Form hat – jedenfalls langfristig – aufgrund seiner diversen und massiven Konstruktionsfehler keine Überlebenschance. Da eine geordnete Rückabwicklung politisch gesehen absolut unerwünscht scheint, wäre “die Königs-Lösung” zweifelsfrei die “Vereinigten Staaten von Europa” (VSE). Ein solches Projekt scheint aber inzwischen unwahrscheinlicher denn je (schwer bis gar nicht vorstellbar, daß ein Land wie Frankreich das Königsrecht seines Parlaments (Budgetrecht und Budgethoheit) nach Brüssel abgibt – um nur ein Beispiel aus vielen zu nennen). Zudem wären dazu (VSE) in den meisten Ländern Änderungen der Verfassungen samt Referenden erforderlich. Nach den Erfahrungen der EU mit solchen – aus Sicht der EU gescheiterten – Referenden (angefangen von Schweden bezüglich des “Euro” über Frankreich und die Niederlande bezüglich einer “Verfassung für Europa” bis hin zum United Kingdom Stichwort: “Brexit”), dürfte man die Meinung des Bürgers bzw. Souveräns scheuen wie der “Teufel das Weihwasser”.
Eine vollständige und vollumfängliche Kontrolle über das Geldwesen – mit ausnahmslos dem digitalen Euro und ohne Bargeld – könnte seitens der EZB dann mit einem zentralistischen-planwirtschaftlichen Ansatz (inklusive dem “gläsernen Bürger”) um- und durchgesetzt werden. Diese “Lösung” dürfte – unter Umständen – einfacher durchzusetzen sein als die VSE …
ebo
30. Juni 2023 @ 13:48
Danke für den ausführlichen Kommentar, das ist ja fast schon ein Gastbeitrag 🙂
Thomas Damrau
30. Juni 2023 @ 08:19
Digitales Bezahlen ist schon lange auf dem Vormarsch. Wenn ich im Supermarkt in der Schlange vor der Kasse stehe, beobachte ich viele KundInnen, die elegant mit der EC-Karte vor dem Bezahlterminal wedeln oder gar das Smart-Phone (mit Apple-Pay o.ä.) vor den Scanner halten.
Wie so vieles in der digitales Welt: „Isch halt scho bragdisch, wenn mer net Geld abzääle moss.“ Genauso wie es praktisch ist, die Kommunikation mit den Bekannten über die Social-Media-Plattformen abzuwickeln.
Da kann ich noch so viele Vorträge über den „Gläsernen Bürger“ halten und alternative Lösungen vorschlagen: „Woisch, däss wäär mir zu viel Häckmäck, däss annerschd zu mache …“
Deshalb ist die offene Frage vermutlich nur, ob Zuckerburg oder der Staat besser weiß, wo wir uns rumtreiben.
Und Umsatz-fördernd ist digitales Geld in jedem Fall: Ein sich langsam leerender Geldbeutel demonstriert die Endlichkeit der eigenen Finanzen viel besser als der Kontoauszug am Ende des Monats.
KK
29. Juni 2023 @ 16:40
„Der Kampf gegen Kindesmissbrauch und Terrorismus, der gern als Motiv genannt wird, kann auch anders geführt werden.“
Nein, der MUSS anders geführt werden; welcher Terrorist oder Päderast kauft oder verkauft sein Material so, dass es kinderleicht nachvollzogen werden könnte?
Tausche AK47 gegen Kinderfilmchen, Semtex gegen Stunden mit 8jährigem – so wird das aussehen, mit beliebig einzufügenden Zwischenschritten!
János Schlichter
29. Juni 2023 @ 15:50
Einfach gruselig. Aber nein, niemand hat vor eine Mauer… ähm einen Überwachungsstaat a la China zu errichten. Nein, das würden unsere so ehrenwerten Politiker niemals machen. Sie haben ja auch nicht rund ein Drittel der Bevölkerung vom täglichen und gesellschaftlichen Leben gänzlich ausgeschlossen, bloß weil sie sich keiner experimentellen Gentherapie unterzogen. Diese Menschen wurden auch nicht von Politikern der angeblich demokratischen Parteien aufs Übelste beschimpft, und werden es zum Teil immer noch. Nein, das würde niemals passieren, das sind alles böse Verschwörungserzählungen, oder wie immer das im aktuellen Neusprech heißt.
Der Kommentar ist polemisch? Ja, ist er. Denn ohne einer riesigen Portion Sarkasmus ist das eigentlich nicht mehr zu ertragen.