Die neue China-Doktrin, das erste Militär-Projekt – und Krieg mit Frankreich?


Die Watchlist EUropa vom 05. Mai 2021 –

Die EU-Kommission hat einen radikalen Schwenk in der Wirtschaftspolitik vollzogen. Die Brüsseler Behörde verabschiedet sich vom umstrittenen Investitionsabkommen mit China und errichtet neue Barrieren gegen staatlich subventionierte Firmen aus Fernost.

Zudem kündigte die EU-Behörde eine neue Industriestrategie an, mit der die Abhängigkeit von China verringert werden soll. Alles in allem zeichnet sich damit eine neue China-Doktrin ab – weg von offenen Märkten, hin zum Protektionismus.

Eingeleitet wurde der Kurswechsel von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Überraschend kündigte er an, dass das Ende 2020 unter deutschem EU-Vorsitz ausgehandelte Investitionsabkommen mit China auf Eis gelegt werde.

Es verfolgte das Ziel, deutsche und europäische Investitionen besser abzusichern und Peking auf internationale Standards zu verpflichten. Damit ist es nun vorbei.

Der Wind hat sich gedreht – gegen China und gegen das deutsche Abkommen. Der Deal liege „im Kühlschrank“ und werde dort noch jahrelang bleiben, sagte der Vorsitzende des Handelsauschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD).

Die EU-China-Politik stehe „vor einer Neubestimmung“, freute sich der Grüne Reinhard Bütikofer. Ähnlich äußerte sich Außenminister Heiko Maas (SPD) am Rande des G-7-Treffens in London, wo er sich ebenfalls gegen China positionierte.

Die EU-Kommission will es aber nicht bei einem „No Deal“ belassen. Sie legte zwei Entwürfe vor, mit denen sie die Wirtschaft gegen chinesische Wettbewerber abschotten will. So offen wurde dies allerdings nicht gesagt.

Gegen “ausländische Subventionen”

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Um dem Vorwurf des Protektionismus zu entgehen, spricht man in Brüssel lieber vornehm von „ausländischen Subventionen“ und einer „offenen strategischen Autonomie“.

Der Gesetzentwurf gegen „ausländische Subventionen“ soll sicherstellen, dass staatlich gestützte Firmen aus China bei öffentlichen Aufträgen und Übernahmen in Europa nicht bevorzugt werden.

Ab bestimmten Schwellenwerten soll es künftig eine Auskunftspflicht geben. Brüssel würde dann prüfen, ob die Subventionen den Wettbewerb verzerren. Bei ernsten Problemen könnte die EU die Vorhaben untersagen.

Das Ganze richtet sich wohlgemerkt vor allem gegen China. Von den USA und ihrer “Buy american”-Politik und den Boeing-Subventionen ist ebenso wenig die Rede wie von Indien, wo man sich noch ganz traditionell mit Zöllen abschottet.

Für “strategische Autonomie”

Gegen Peking richtet sich auch die neue Politik der „offenen strategischen Autonomie“. Hier geht es darum, in strategisch wichtigen Bereichen mehr in Europa zu produzieren. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass die Wirtschaft autonomer werden müsse, heißt es zur Begründung in Brüssel.

Die größte Herausforderung liegt im Verhindern strategischer Abhängigkeiten von morgen“, sagte Dombrovskis. Dies gelte etwa für Chips, Batterien oder Wasserstoff. Bei all diesen Technologien ist China weit vorn. Brüssel will nun mit gezielten Förderprogrammen gegensteuern.

Dass die EU dabei selbst zu Subventionen greift, gilt in Brüssel als unproblematisch. Sowohl das Europaparlament als auch die Wirtschaft signalisierten Unterstützung für die neue Strategie, mit der sich die EU von der bisher gültigen Doktrin der offenen Märkte verabschiedet.

Siehe auch “China-Sanktionen machen Merkels letzten Deal”

Watchlist

Grünes Licht für Panzerstraßen: Das wollen die EU-Verteidigungsminister am Donnerstag in Brüssel geben. Bei einem physischen Treffen (!) soll der Startschuss für das erste Militärprojekt mit den USA fallen. Es geht um grenzüberschreitende Truppenverlegungen, auch als “militärische Mobilität” bekannt. Die Panzer sollen künftig ungehindert quer durch EUropa rollen, von West nach Ost, mit Ziel Russland. Gegen Moskau richtet sich auch der “Strategische Kompass”, über den AKK & Co. diskutieren wollen – natürlich vertraulich, denn die Strategie ist geheim.

Hotlist

  • Neuer Streit um den Brexit: Die britische Insel Jersey im Ärmelkanal hat den Zugang für französische Fischer eingeschränkt. Paris wertet das als Verstoß gegen die Brexit-Vereinbarungen und droht damit, die Stromversorgung durch ein Unterwasserkabel einzustellen, heißt es in der “FAZ”. – Premierminister Johnson schickte am Mittwochabend zwei Patrouillenboote nach Jersey, um die Lage zu überwachen. Seither spekuliert UK per Twitter über “War with France” (Krieg mit Frankreich)…
  • Kommt im Herbst die zweite Impfwelle? Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das Durchimpfen im Herbst von vorne beginnen – vieles dabei ist aber noch offen, berichtet der “Standard” aus Wien. – Pfizer-Chef Bourla hält bereits eine dritte Dosis binnen eines Jahres für nötig. Wenn das stimmt, dann wird aber auch eine neue Definition des “vollständig Geimpften” nötig – und die neuerdings so beliebte “Rückgabe der Grundrechte” würde noch komplizierter…
  • Hat die EU 2000 Flüchtlinge auf dem Gewissen? EU member states have used illegal operations to push back at least 40,000 asylum seekers from Europe’s borders during the pandemic, methods being linked to the death of more than 2,000 people, the Guardian can reveal.Es geht vor allem um die Balkanstaaten und das EU-Mitglied Kroatien. Dort regieren die Konservativen, die von Kommissionschefin von der Leyen gedeckt werden. Mehr hier