Die wahren Zahlen aus den „Risikoländern“

Folgt man der Bundesregierung, so gibt es in der EU immer mehr Corona-Hotspots, für die Reisewarnungen erlassen werden müssen. Zuletzt kamen auch die Kanaren hinzu. Doch ein Blick in die RKI-Statistik ergibt ein anderes Bild: Die Ansteckungs-Gefahr im europäischen Ausland wird übertrieben.

Nach der jüngsten Aufstellung des RKI findet die größte Anzahl der Infektionen weiter in Deutschland statt. Ihre Heimat ist für Deutsche demnach des größte „Riskoland“.

Auf Platz zwei und drei folgen Kosovo und Kroatien. Dann kommt schon die Türkei. Trotz hoher Fallzahlen lässt Berlin immer noch Urlaubsreisen in bestimmte türkische Regionen zu. „Endlich wieder Antalya“, wirbt die „SZ“.

Komplett gesperrt wurde hingegen Spanien, wo 658 Fälle erfasst wurden. Das sind viel weniger (fast zwei Drittel) als in der Türkei – dennoch wurden nun auch die Kanarischen Inseln auf die No-Go-Liste gesetzt.

Folgt man den RKI-Zahlen, so genießt die Türkei also eine Vorzugsbehandlung gegenüber Spanien. Dass Reisen nach Spanien „riskanter“ wären als in die Türkei, ist eine Mär.

Gar nicht in der RKI-Statistik verzeichnet sind Städte und Regionen wie Paris oder Brüssel. Dennoch gilt dort eine deutsche Reisewarnung – offenbar nur aufgrund der sog. Inzidenz, nicht wegen wirklicher Ansteckungsgefahr.

All dies zeigt, dass es mit der Risikobewertung in Europa nicht weit her ist. Das „gefährlichste“ Land (Kosovo) ist nicht einmal EU-Mitglied, die Reisewarnungen sind in vielen Fällen kaum nachvollziehbar.

Dennoch hält Berlin eisern daran fest – und versucht nun auch noch, seine eigene Politik zum Maßstab für die gesamte EU zu machen.

Sinnvoller wäre es, den deutschen Ansatz zu überdenken. Als Risikogebiet sollte nur ausgewiesen werden, wo sich auch tatsächlich viele Deutsche anstecken.

Dann müsste man freilich auch vor Reisen in bestimmte deutsche Regionen warnen. Belgien hat u.a. Düsseldorf und Hamburg auf dem Kiecker, auch in Berlin sieht es nicht mehr so gut aus…

Siehe auch „Gelten deutsche Corona-Regeln bald EU-weit?“ und „Der Wahnsinn mit den Reisewarnungen“

P.S. Der belgische Außenminister hat die Bundesregierung aufgefordert, Antwerpen von der roten Liste zu nehmen, Brüssel dürfte bald folgen. Mal schauen, ob und wie Berlin darauf reagiert…

P.P.S. Berlin hat die Reisewarnung für Antwerpen am 2.9. aufgehoben, für Brüssel (EU-Kommission, Europaparlament, Rat) jedoch beibehalten. Was für eine weise Entscheidung des EU-Vorsitzes!?