Die EU verliert in Ungarn, die Finanzminister streiten über Energie – und Vucic bleibt

Die Watchlist EUropa vom 05. April 2022 –

Der Wahlsieg von Viktor Orban ist in Brüssel mit eisigem Schweigen quittiert worden. Weder EU-Ratspräsident Charles Michel noch Kommissionschefin Ursula von der Leyen wollten dem Wahlsieger gratulieren. Im Europaparlament spendeten nur die AfD und andere Rechtsnationalisten Beifall. Ansonsten hagelte es Kritik – auch an der EU.

Orban habe „seine Macht so umfassend wie noch nie missbraucht“, schrieb die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD), auf Twitter. Nur auf diese Weise habe er gegen die Opposition gewinnen können. Die EU-Kommission trage eine Mitschuld, da sie es versäumt habe, gegen Rechtsstaats-Verstöße in Ungarn vorzugehen.

Ähnlich äußerten sich die Europaabgeordneten Daniel Freund (Grüne) und Moritz Körner (FDP). Die Brüsseler Behörde habe es “über Jahre” nicht geschafft, “gegen einen Autokraten in den eigenen Reihen vorzugehen”, so Freund. Die “Beschwichtigungspolitik” von Kommissionschefin von der Leyen sei gescheitert, meint Körner.

Die CDU-Politikerin war mit den Stimmen Orbans zur Kommissionschefin gewählt worden – und hat seitdem auffällig viel Geduld mit dem Rechtspopulisten bewiesen. So vermied sie es, den Anfang 2021 neu eingeführten Rechtsstaats-Mechanismus zu nutzen, der die Kürzung von EU-Geldern erlaubt, wenn europäische Grundwerte verletzt werden.

Das Europaparlament war darüber so empört, dass es vor dem höchsten EU-Gericht eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission einreichte. Doch auch danach tat sich lange Zeit gar nichts. Erst im Februar kündigte die Brüsseler Behörde an, dass sie den Rechtsstaats-Mechanismus scharf stellen wolle. Orban bekam jedoch weiter sein Geld.

Macht Brüssel nun doch noch Ernst?

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Doch das könnte sich nun ändern. Noch in dieser Woche wolle die EU-Kommission gegen Ungarn vorgehen, heißt es in Brüsseler EU-Kreisen. Haushaltskommissar Johannes Hahn bereite bereits die nötigen Schritte vor, auch von der Leyen wolle nicht länger bremsen.

Es wäre das erste Mal, dass der Rechtsstaats-Mechanismus zur Anwendung käme. Ungarn könnte sogar allein an den Pranger gestellt werden – und nicht zusammen mit Polen, wie bisher geplant. Zwar hat Brüssel auch gegen Warschau genug Material gesammelt, das Verstöße gegen den Rechtsstaat belegen soll.

Doch im Ukrainekrieg ist eine neue Lage entstanden. Orban hat sich mit Polen verkracht – und steht plötzlich allein da. Bereits am Dienstag oder Mittwoch soll die Entscheidung zum Mittelentzug fallen.

Größter Sieg seit Ende des Kommunismus

An der Niederlage der EU in Ungarn würde sie allerdings nichts mehr ändern. Jahrelang hat Orban gegen „Brüssel“ und die „EU-Eliten“ Stimmung gemacht, immer wieder hat er außenpolitische Entscheidungen mit seinem Veto im Ministerrat blockiert.

Zuletzt hat er sogar den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu seinem Gegner erklärt. Trotzdem wurde er mit einer Mehrheit von 53 Prozent für seine Fidesz-Partei wieder gewählt. Es ist der überragendste Wahlsieg in Ungarn seit dem Ende des Kommunismus vor mehr als 30 Jahren.

Die oppositionelle Allianz aus linken, grünen, liberalen und rechten Parteien kam gerade einmal auf 35 Prozent der Stimmen. Sie hatte sich klar für die EU und den Rechtsstaat ausgesprochen…

Watchlist

Werden sich die Finanzminister doch noch auf ein Energieembargo gegen Russland einigen? Nach dem Horror in Butscha wächst der Druck auf Deutschland. Finanzminister Lindner blieb beim Treffen der Eurogruppe hart: russisches Erdgas lasse sich “kurzfristig” nicht ersetzen. Ähnlich äußerte sich Österreich. Damit fehlt die nötige Einstimmigkeit. Auf dem Tisch liegt aber ein möglicher Einfuhrstopp für Öl oder Kohle.

Was fehlt

Die Wahl in Serbien. Amtsinhaber Aleksandar Vucic und seine Partei SNS haben sich durchgesetzt. Nach Auszählung von gut 96 Prozent der Stimmen entfielen auf Vucic 58,55 Prozent. Seine Serbische Fortschrittspartei SNS errang demnach bei der Abstimmung am Sonntag aber nur 42,9 Prozent und ist damit im Parlament auf einen Koalitionspartner angewiesen. Vucic fährt einen Schlingerkurs zwischen EU-Beitritt und Russland-Treue.