Der Brexit stört den Handel, die EU-Spitze hofiert Erdogan – und Biden holt Nuland

Die Watchlist EUropa vom 11. Januar 2021

Das Weihnachtsabkommen zum Brexit, das Brüssel und London geschlossen haben, sollte einen reibungslosen Handel sichern. Doch nur zehn Tage nach dem Start am 1. Januar gibt es schon Ärger.

Über Probleme klagen vor allem britische Exporteure von Fischen und Meeresfrüchten, die nun aufwendige Erklärungen für Zölle und Lebensmittelsicherheit ausfüllen müssen.

Hinzu kommen Verzögerungen bei der Lieferung der verderblichen Ware, die größtenteils für den Kontinent bestimmt ist. Für viele ist das Geschäft damit unrentabel geworden.

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Schwierigkeiten gibt es auch für Textilhändler, deren Waren häufig in Asien hergestellt werden. Dem Handelspakt zufolge fallen für Kleider und Accessoires, die beispielsweise aus Bangladesch oder Kambodscha stammen, nun Zölle an, wenn sie von Großbritannien aus in die EU geliefert werden.

Nur Waren, die in Großbritannien weiterverarbeitet oder veredelt wurden, dürfen zollfrei ins EU-Zollgebiet eingeführt werden. Die Regeln dazu sind komplex und von Warengruppe zu Warengruppe unterschiedlich.

Dies führt zwar (noch) nicht zu den befürchteten Staus in Dover und Calais – die französischen Behörden haben sich offenbar gut organisiert. Doch in London wird schon der Ruf nach Nachbesserungen laut.

„Wo es Probleme gibt, wird es weitere Gespräche geben müssen“, sagte der Chef des britischen Lebensmittelhandelsverbands Food and Drink Federation dem „Observer“.

Der Geschäftsführer des Industrieverbands „Make UK“ sagte dem Blatt, selbst Zollexperten mit 30 Jahren Erfahrung seien „verblüfft“ über die neuen Bestimmungen.

Er sieht schlimmstenfalls jahrelange Verhandlungen kommen. Und dabei reden wir nur vom Warenhandel. Für Dienstleistungen und Finanzmärkte gibt es bisher nicht einmal einen Deal.

Bleibt die Frage, wer nun schlecht verhandelt hat – der britische Premier Johnson, oder die EU? Johnson wollte keine Zollunion, dafür zahlt er nun offenbar einen hohen Preis.

Aber früher oder später wird das Chaos auch auf europäische Firmen durchschlagen…

Siehe auch „Brexit: This is the end – endlich“

Watchlist

Wie geht es beim Klimaschutz weiter? Das soll ein Sondergipfel bei Frankreichs Staatschef Macron am Montag in Paris zeigen. Der „One Planet Summit“ war von Frankreich, der Weltbank und den Vereinten Nationen ins Leben gerufen worden – bisher gab es Treffen in Paris 2017, New York 2018 und Nairobi 2019. Ziel ist es, die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu beschleunigen und mehr Investitionen in den Klimaschutz zu fördern. Für die EU nimmt Kommissionschefin von der Leyen teil, Kanzlerin Merkel ist auch dabei.

Was fehlt

Das plötzliche Tauwetter zwischen Brüssel und Ankara. Kommissionschefin von der Leyen und der Außenbeauftragte Borrell haben am Freitag mit Sultan Erdogan telefoniert und wollen nun sogar Außenminister Cavusoglu in Brüssel empfangen. Dabei hatte der EU-Gipfel im Dezember erneut mit Sanktionen gedroht. Zudem weitet Erdogan seinen Zugriff nun auch auf die Universitäten aus. In der renommierten Istanbuler Bogazici-Universität setzte er einen AKP-nahen Rektor ein; protestierende Studenten nannte er „Terroristen“. Für die EU offenbar kein Grund, das Appasement zu beenden…

Das Letzte

Der kommende US-Präsident Biden hat den „Putschversuch“ von Amtsinhaber Trump scharf verurteilt. Das hindert ihn offenbar nicht, eine der Drahtzieherinnen des Umsturzes in der Ukraine in sein Kabinett zu holen: V. Nuland soll Under Secretary for Political Affairs werden. Nuland war unter Ex-Präsident Obama für Europa zuständig und zog beim Euro-Maidan wichtige Fäden. Als es später galt, eine US-freundliche Regierung in Kiew einzusetzen, setzte sie sich mit dem Ausspruch „Fuck the EU“ über die Verbündeten hinweg…