Impfstreit bringt von der Leyen in Bedrängnis
Was bleibt von der EU-Politik der vergangenen Woche? Wenn es nach EU-Kommissionschefin von der Leyen geht, dann vor allem die neue Bestellung bei Biontech. Doch der Impfstreit geht weiter – und belastet die deutsche EU-Präsidentin.
Von der Leyen kündigte eine neue Bestellung beim Impfstoff-Konsortium von Biontech und Pfizer an. Man habe 300 Millionen weitere Impfdosen geordert und damit die bisherige Bestellung verdoppelt, sagte sie.
Zudem genehmigte die EU eine bessere Nutzung des Biontech-Präparats. Mit einer Ampulle sollen ab sofort sechs statt fünf Impfungen möglich sein, sodass 20 Prozent mehr Menschen geschützt werden könnten.
Trotz dieser „guten Nachrichten“ (von der Leyen) hält die Kritik an der Impfstrategie an. Der Impfstoff werde nicht schnell genug ausgeliefert und die Impfungen liefen angesichts der sich zuspitzenden Coronakrise zu schleppend an, heißt es in vielen EU-Ländern.
Besonders laut war der Ärger zunächst in Deutschland. Aber auch in Belgien, Frankreich und den Niederlanden gibt es massive Kritik an der Strategie, die in Brüssel koordiniert, aber auf nationaler Ebene umgesetzt wird.
Die neue Bestellung bei Biontech wird von vielen Beobachtern als direkte Folge deutscher Pressionen gewertet. „Die Kommission läuft dem Streit in Deutschland hinterher“, zitiert „Le Monde“ einen Diplomaten.
Gleichzeitig wächst in der EU der Unmut darüber, dass Deutschland mehr Impfstoff erhalten soll, als es seinem Anteil entspricht.
Normalerweise stehen Deutschland gemäß seiner Bevölkerung 18,6 Prozent aller Dosen zu. Sowohl bei Moderna als auch bei Biontech hat das größte EU-Land seinen Anteil aber deutlich erhöht.
Erst bestellte Gesundheitsminister Spahn 30 Millionen Extradosen bei Biontech. Nun sicherte er sich auch noch ein höheres Kontingent bei Moderna – angeblich, weil andere EU-Länder verzichtet hatten.
Doch diese Länder fordern nun ihren „fairen“ Anteil ein. Der Streit könnte von der Leyen gefährlich werden. Schon jetzt wird die CDU-Politikerin in einigen Hauptstädten verdächtigt, zu eng mit Merkel zusammenzuarbeiten und Deutschland zu bevorzugen.
Dass sie sich um klare Aussagen zur deutschen Extrawurst drückt und Details verweigert, macht die Sache nicht besser…
Siehe auch „Die undurchsichtige Politik der Merkeleyen“ sowie meinen Beitrag für die taz: „Zoff um Impfstoff“
Marianne Brull
10. Januar 2021 @ 19:35
Was aber viel sclimmer ist als der Streit um die Dosen , ist wie Le Monde in dem zitierten und offensicjlich nicht gelesenen Artikel schreibt dass der Impfstoff NUR die Krankheitssymptome bekâmpft, nicht aber das Anateckungspoteniial. Wohin gehen wir damit!!!
ebo
10. Januar 2021 @ 21:55
Das ist aber nicht neu. Niemand weiß, ob die Impfstoff auch die Ausbreitung des Virus verhindern. Wenn Nein, dann wäre mit der Impfung nicht sehr viel gewonnen…
Kleopatra
11. Januar 2021 @ 08:10
Erstens gibt es mehrere Impfstoffe im Angebot; zweitens müsste man noch länger untersuchen, ob die Infektiosität nicht zumindest verringert wird (d.h. Geimpfte weniger Viren ausscheiden; klinische Tests sehen zunächst vor allem die Krankheitssymptome, weil die einfacher zu überprüfen sind), insofern müssten Untersuchungen abgewartet werden; und drittens würde es sich dennoch lohnen, denn man könnte die sehr gefährdeten Gruppen impfen.
Kleopatra
10. Januar 2021 @ 08:47
Werden die von der EU kontrahierten Lieferverträge mit EU-Geld bezahlt oder von den Mitgliedstaaten, die die jeweiligen Anteile abnehmen? Ich denke wohl, letzteres. Dann hängt es aber wirklich davon ab, wer wann „hier“ schreit bzw. wieviel der Einzelstaat ausgeben will (die Preise sind ja auch sehr unterschiedlich), und es hat keinen Sinn, auf einer streng proportionalen Verteilung nach Bevölkerungsanteil zu bestehen.
In der jetzigen Situation wird sich jede einzelstaatliche Regierung bemühen, für ihre Leute möglichst viel herauszuholen; und der Wunsch, sich als Chefeinkäuferin für die EU hervorzutun, war möglicherweise keine kluge Idee von UvdL (falls sie sich überhaupt dazu gedrängt hat).