Deutschland und die Regeln – Von der Leyen und die Bombe
Deutschland legt bekanntlich großen Wert auf die Einhaltung der EU-Regeln. Nur wenn es um die deutsche Wirtschaft geht, dann drückt Kanzlerin Merkel schon mal ein Auge zu.
Dafür gab es am Mittwoch gleich zwei Beispiele. Zuerst ging es noch einmal um die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland pumpen soll.
Merkel wollte die Röhre in einem rechtsfreien Raum bauen, Brüssel sollte außen vor bleiben. „Es wäre ein schwarzes Loch gewesen“, kommentierte die EU-Kommission.
Doch Brüssel hat es, zusammen mit Paris, nun doch noch geschafft, ein wenig für Ordnung zu sorgen. Nord Stream 2 wird, nachdem auch das Europaparlament zugestimmt hat, dem EU-Recht unterworfen.
In Brüssel wird dies wie ein Sieg gefeiert. Gegen eine unsolidarische Politik des „Deutschland zuerst” habe sich das “Europa zusammen” behauptet, freut sich der Chef der Europa-Grünen, Bütikofer.
Auch die EU-Kommission ist zufrieden – und wehrt kritische Nachfragen nach den praktischen und politischen Folgen der Einigung ab. Dabei liegt der Teufel im Detail.
So gibt es schon jetzt zwei gegensätzliche Interpretationen der Einigung – eine deutsche und eine französische. Die französische Auslegung besagt, dass das Projekt ab sofort von der EU beaufsichtigt wird.
Ganz anders die deutsche Haltung: Zuständig sei einzig und allein jenes Land, in dem die Pipeline europäischen Boden erreicht – also Deutschland.
Tatsächlich spricht viel dafür, dass Nord Stream 2 unter deutscher Kontrolle bleibt. Berlin kann vermutlich selbst bestimmen, ob und wie es die EU-Regeln einhält – ein Stück aus dem Tollhaus.
Ganz ähnlich läuft es bei den NO2-Werten für Dieselwagen. Eigentlich gilt ein EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm im Jahresmittel. Doch für Berlin drückt Brüssel auch hier ein Auge zu.
Man habe keine grundsätzlichen Bedenken gegen deutsche Pläne, wonach Fahrverbote in der Regel erst ab einer Belastung von 50 Mikrogramm verhängt werden, so die EU-Kommission.
Die Regeln gelten alle – aber Deutschland kann sie auslegen, wie es will?
WATCHLIST:
- Das britische Parlament stimmt am Donnerstag über weitere Schritte zum Brexit ab. Die britische Premierministerin May sagte am Dienstag, sie brauche noch mehr Zeit und Unterstützung für Änderungen am Brexit-Abkommen. Offenbar hat sie das Endspiel bereits bis ins Detail geplant – mehr dazu hier
WAS FEHLT:
- Die bombastischen Pläne von Verteidigungsministerin Von der Leyen. Anders als Nato-Generalsekretär Stoltenberg schließt die CDU-Frau eine atomare “Nachrüstung” in Europa in Reaktion auf das Ende des INF-Abrüstungsvertrages nicht vollständig aus. Will sie vielleicht US-Raketen in Deutschland stationieren?
- Die Einigung über die Copyright-Reform. Im so genannten Trilog mit dem Europaparlament setzten sich sowohl das (deutsche) Leistungsschutzrecht als auch die (umstrittenen) Upload-Filter durch. Für Internet-Aktivisten ist dies ein Debakel. Die Piratin J. Reda spricht von einem “Angriff auf das freie Internet.”
Dr.Tobi_ost
15. Februar 2019 @ 13:03
Es glaubt doch wohl niemand ernsthaft, dass in zB Italien, Frankreich oder Griechenland mit den gleichen Massstäben gemessen wird bzw. sich dort ein Fahrverbot durchsetzen liesse… Na dann wär dort aber was los, würde ich zu gerne erleben 🙂 nur mit deutschen Idioten kann man das machen!
Erich Ganspöck
14. Februar 2019 @ 17:55
Die Grenzwerte sind völlig willkürlich von Menschen, die keine Ahnung von Naturwissenschaften und Medizin haben, festgelegt. Sogenannte wissenschaftliche Untersuchungen haben alle anderen möglichen Krankheitsursachen einfach weggelassen und alles auf die Gase geschoben. Das alles hat mit Umweltschutz oder gar Klimawandelverhindern nichts zu tun. Ich hoffe, dass es wie das Waldsterben durch sauren Regen, das Ozonloch und die aussterbenden Eisbären bald in der Versenkung verschwindet.
Hier geht es ausschließlich um die Verhinderung des Individualverkehrs (so wie der freie Meinungsaustausch durch Internetzensur unterbunden wird). Es genügt doch, wenn in Deutschland bald immer wieder die Lichter ausgehen da weder Photovoltaik noch Windräder genug Strom (wenn überhaupt) produzieren. Und vergessen wir nicht, dass niemand einen Plan vorlegt, was mit den hunderttausenden Arbeitern und Angestellten passiert, wenn die Autoindustrie (nicht nur in Deutschland!) zusperrt.
Zusatz: wer kann sich heute ein e-Auto um 30 bis 100T€ leisten? Woher kommt das viele notwendige Kupfer? Woher die dann tonnenweise notwendigen seltenen Erden? Was passiert mit den Akkus in 10 Jahren am Ende ihrer Lebenszeit?
ebo
14. Februar 2019 @ 19:16
Wenn das so ist, warum gibt es dann EU-Grenzwerte? Und wozu noch Schuldenregeln? Auch dort sind die Obergrenzen willkürlich festgelegt.
Peter Nemschak
15. Februar 2019 @ 09:06
Die Abgasregeln der EU betreffen den gesamten Altbestand an Fahrzeugen, damit alle EU-Bürger, die bereits ein Auto besitzen. Der Zorn der Bürger wird sich letztlich an die eigenen Politiker richten, welche den Schwarzen Peter, wie üblich, an die EU weiterreichen werden. Die Euroregeln schützen jene, die für budgetäre Großzügigkeit mancher Staaten, die notorisch mehr ausgeben als sie einnehmen, nicht zahlen wollen. Das hat Mark Rutte in einem Interview mit der NZZ unlängst bestätigt. Grenzüberschreitende Solidarität hat enge Grenzen. Das muss man akzeptieren.
Peter Nemschak
14. Februar 2019 @ 12:53
@ebo Sie übersehen, dass der Streit seinen Ursprung in der Gleichgültigkeit der Bürger gegenüber dem Umweltschutz und ihrer irrationalen Beziehung zum Auto hat. Wäre dem nicht so, würden die Menschen keine SUVs und PS-starken Autos, welche die Umwelt über Gebühr belasten, kaufen und so manches willkürliche Fahrverbot wäre auch entbehrlich. Die Autolobby produziert bloß das, was sich die Autofahrer wünschen. Zu niedrige Verbrauchsangaben gab es schon vor 50 Jahren. Die Autofahrer konnten damit, ohne sich ihr irrationales Verhalten eingestehen zu müssen, PS-starke Fahrzeuge, welche angeblich wenig verbrauchen, kaufen. Auf Grund der geringen Verkehrsdichte, konnte man die PS-starken Autos damals wenigstens ausfahren, was heute nicht mehr möglich ist. Sehen Sie den Autostreit zwischen Umweltschützern, Politikern und Autoproduzenten etwas gelassener.
Peter Nemschak
14. Februar 2019 @ 11:50
@ebo Hinter der Autolobby stehen hunderttausende Autofahrer, welche bloß ihre Autos uneingeschränkt benützen und keine Wertverluste erleiden wollen und denen der Streit um Grenzwerte egal ist. Wenn es ums Autofahren geht, ist für viele der Umweltschutz zweitrangig. Nachdem die Grenzwerte ohnedies nicht logisch begründbar sind und unterschiedliche Grenzwerte auf den Straßen und in Innenräumen bestehen, ist die Haltung der Autofahrer verständlich. Grün ist gut, solange damit keine Unbequemlichkeiten verbunden sind.
Holly01
14. Februar 2019 @ 11:49
Erstaunlich …
Aus “Was bedeuten NO2 Werte im Jahresmittel?” mit selbst gegebener Antwort
wird “Wieder einmal ein ideologischer Streit zwischen Grün-Grünbewegten und den Autofahrern” und “Heute will jeder an der Empörungsgesellschaft demokratisch teilhaben und seinen Senf dazugeben”
und endet in “Bei Bedarf kann ich gerne Namen nennen ”
Wir sind doch nicht im Verbalkrieg hier ;-P rüstet, mal etwas ab.
keep cool
vlg
Baer
14. Februar 2019 @ 08:45
Was bedeuten NO2 Werte im Jahresmittel?
Müsste man ein Jahr durchgehend messen und daraus das Mittel errechnen,oder genügen Spitzenwerte an besonders exponierten,besser platzierten Messstationen?
Vielleicht genügt ja auch eine 24h Messung an einem besonders belasteten Tag um dann eine Hochrechnung vorzunehmen.
Ein Possenspiel das Ganze.
Peter Nemschak
14. Februar 2019 @ 10:55
Wieder einmal ein ideologischer Streit zwischen Grün-Grünbewegten und den Autofahrern. Der Übergang vom verbleiten zum unverbleiten Benzin war seinerzeit wesentlich geräuschloser. Früher hätte sich auch niemand daran gestoßen, wenn Impfpflicht gegen die gefährlichen Masern staatlich dekretiert und durchgesetzt worden wäre. Heute will jeder an der Empörungsgesellschaft demokratisch teilhaben und seinen Senf dazugeben; fraglich, ob es dadurch besser geworden ist.
ebo
14. Februar 2019 @ 11:41
Nein, wieder ein Streit zwischen der CDU-geführten Autolobby und der CDU-nahen EU-Kommission. Bei Bedarf kann ich gerne Namen nennen 😉