Deutschland ist nicht isoliert
Im Streit um Waffenlieferungen für die Ukraine heißt es oft, Deutschland sei in der EU isoliert. Doch das stimmt nicht. Das größte EU-Land ist nur besonders exponiert – von Berlin wird am meisten erwartet.
Isoliert wäre Deutschland, wenn es als einziges EU-Land keine schweren Waffen in die Ukraine liefern würde. Dem ist aber nicht so. Auch Frankreich und Italien haben bisher keine Panzer bereitgestellt. Selbst das UK zögert.
In Brüssel gibt es auch sonst keinerlei Hinweise auf eine deutsche Sonderrolle. Berlin hat keinen einzigen Beschluß zur Ukraine blockiert, niemand zeigt mit dem Finger auf den deutschen EU-Botschafter oder auf Kanzler Scholz.
Einzig die Ukraine und Polen versuchen, Deutschland in die Ecke zu stellen. Zuletzt gab es Zoff, weil Polen einen früheren Ausstieg aus der russischen Kohle forderte. Die Regierung in Warschau konnte sich aber nicht durchsetzen.
Deutschland hatte eine solide Mehrheit hinter sich – es war keineswegs isoliert.
Das größte EU-Land ist allerdings besonders exponiert – denn es ist nun einmal das größte und wirtschaftlich stärkste Mitglied, von dem am meisten erwartet wird.
Außerdem war man es im “deutschen Europa” gewöhnt, dass Kanzlerin Merkel eine Lösung für alle Probleme präsentierte. Das dauerte zwar oft quälend lange, war jedoch verdammt bequem.
Für den Krieg in der Ukraine gibt es bisher aber keine Lösung, schon gar nicht ohne Russland. Schwere Waffen made in Germany werden den Krieg ebenso wenig beenden wie noch mehr und noch härtere Sanktionen, die die deutsche Wirtschaft abwürgen.
Die Ukraine und Polen wecken falsche Erwartungen und präsentieren Scheinlösungen, die den Krieg verlängern und die Fronten verhärten. Dass sie sich dabei zuerst mit den USA abstimmen – und erst danach mit den EU-Partnern – macht die Sache nicht besser.
Ganz im Gegenteil. Der Krieg tobt in Europa, am Ende muß deshalb eine europäische Friedenslösung stehen. Darum bemüht sich Scholz, gemeinsam mit Frankreichs Präsident Macron. Übrigens: Merkel hätte es nicht anders gemacht…
Siehe auch “Der Fluch des deutschen Europa”
P.S. Scholz hat das Pech, dass die Springer-Presse und die Grünen gemeinsam eine Kampagne gegen ihn und die SPD losgetreten haben. Doch mittlerweile geht es selbst der “taz” zu weit. Die Debatte sei “dämlich”, die Kritik gehe zu weit, kommentiert U. Hermann…
Art Vanderley
21. April 2022 @ 21:18
Treffende Kritik, auch Hermann hat recht. Nicht neu, schon in der ersten Welle des Kalten Krieges gab es bekanntlich die lautsprecherischen Falken.
Daß dabei ein Teil der Grünen ist, überrascht allerdings. Man kann für Waffenlieferungen sein, aber die aggressive Art beunruhigt spätestens seit den standing ovations des Bundestags für das 100-Millinonen-Paket für die Bundeswehr.
ebo
21. April 2022 @ 21:29
Aber der SPON-SPIN ist stärker. Realisten dringen nicht mehr durch, Verantwortungsethik wird nicht mehr goutiert…
Art Vanderley
22. April 2022 @ 20:50
@ebo
Einer Doku zufolge gibt es heute in den liberalen Medien der USA die Selbstkritik, man habe sich bei der Berichterstattung über Vietnam zu lange als “embedded” verhalten und erst nach Jahren angefangen, kritischer zu werden.
Vielleicht läuft es ja jetzt ähnlich, wahrscheinlich hatte seinerzeit auch der Druck der Straße seinen Einfluß.
Peter Kiefer
20. April 2022 @ 15:12
Diese europäische Friedenslösung hätte man auch ohne den jetzigen Waffengang haben können – wenn sich nicht immer und überall der ‘Hegemon’ einmischen würde!
ebo
20. April 2022 @ 15:16
Richtig, Macron und Scholz haben dafür gekämpft. Wird ihnen aber nicht als Verdienst angerechnet, im Gegenteil…