Deutscher Lockdown macht Belgien Sorgen
Im Streit um den Corona-Lockdown haben sich die Fronten verkehrt: Nun hat Deutschland erstmals strengere Regeln als Belgien – dort fürchtet man nun Weihnachts-Shopper aus NRW.
So schnell kann es gehen: Belgien, das lange als Schlußlicht in der Coronakrise dastand, weist plötzlich bessere Kennzahlen aus als Deutschland. Nun zahlt es sich aus, dass Brüssel früher und härter reagiert hat als Berlin.
Das hat ein paradoxes Ergebnis: Erstmals gelten in NRW strengere Regeln als in der belgischen Grenzregion. Auf der deutschen Seite machen die Geschäfte zu, auf der belgischen sind sie (nach wochenlanger Schließung) wieder auf.
Ganz ähnlich ist es an der niederländischen Grenze. Ausgerechnet Holland, das lange (mit Schweden) als “Land ohne Lockdown” galt, macht nun alles dicht – und setzt so Belgien unter Druck.
Ergebnis: In Brüssel denkt man nun über verschärfte Kontrollen in den Grenzregionen nach. Dahinter steckt die Sorge, dass jetzt massenhaft Weihnachts-Shopper nach Belgien reisen könnten – und das Coronavirus einschleppen.
Eigentlich wollte (und sollte) die EU verhindern, dass es so weit kommt. Der deutsche Ratsvorsitz und die EU-Kommission hatten versprochen, sich für eine bessere Koordinierung auch an den Binnengrenzen einzusetzen.
Doch passiert ist nichts. Jedes Land, macht was es will – Kanzlerin Merkel und Kommissionschefin von der Leyen haben nicht einmal versucht, das zu ändern. Auch Gesundheitsminister Spahn hat versagt.
Man kann es natürlich auch höflicher sagen, so wie der belgische Gesundheitsminister Vandenbroucke. Zitat aus “Le Soir:
« Je voudrais qu’on puisse prendre des mesures communes au niveau européen, mais nous n’en sommes pas là en Europe, bien qu’Alexander De Croo plaide en ce sens partout où il le peut, tout comme moi au Conseil des ministres de la Santé. La Commission est d’ailleurs demandeuse aussi. Parce que c’est regrettable, nous avons décidé de fermer les magasins quand nous étions au pic de contamination, cela a eu de l’effet, et au moment où on lâche du lest, ce sont les Pays-Bas qui ferment tout », dit le ministre.
Quelle: Le Soir
Fakt ist, dass die europäische Abstimmung nicht funktioniert – auch nicht bei den Hygieneregeln. Auch dies führt zu absurden Verhältnissen an der deutsch-belgischen Grenze.
So darf ich als Bewohner Brüssels zwar noch nach NRW fahren, wenn es unbedingt sein muß (es wird stark davon abgeraten) – doch bei der Rückkehr aus der “roten Zone” Deutschland muß ich in Quarantäne.
Umgekehrt ist dies offenbar nicht der Fall. Auch dies könnte den Shopping-Tourismus fördern…
P.S. am 17. Dezember kam dann diese unfrohe Botschaft:
Belgien, die Niederlande und Nordrhein-Westfalen sind gute Nachbarn. Wir unterstützen uns gegenseitig in diesen schwierigen Zeiten.
— Alexander De Croo (@alexanderdecroo) December 17, 2020
Das tun wir am besten, indem wir zu Hause bleiben.
Gemeinsame Botschaft mit Ministerpräsidenten @MinPres Mark Rutte und @ArminLaschet. pic.twitter.com/XkWlIRlwCb
European
20. Dezember 2020 @ 08:56
Ein bisschen Lobhudelei gefällig?
Heute im Deutschlandfunk
https://www.deutschlandfunk.de/deutsche-ratspraesidentschaft-in-der-coronakrise-merkels.720.de.html?dram:article_id=489621
“Innerhalb kürzester Zeit gelang es Angela Merkel, ihre Partei und Fraktion von der gemeinsamen Schuldenaufnahme zu überzeugen. Und als niemand mehr an den deutsch-französischen Motor glaubte, ließ sie ihn mit Emmanuel Macron auf Hochtouren laufen, um alle 27 Mitgliedstaaten hinter dieser Rettungsstrategie zu versammeln.”
Das System Angela Merkel. Die anderen die Arbeit machen lassen und dann die positiven Ergebnisse für sich verbuchen. Erst sehen, woher der Wind weht und sich dann vor einen bereits fahrenden Zug als Trendsetter setzen.
Kein Wort darüber, dass Macron und Scholz sie erst noch richtig bearbeiten mussten, damit die Rettungspakete, die Scholz mit Le Maire entwickelt hat, überhaupt möglich waren. Mal ganz davon abgesehen, dass sie Macron seit 2017 mit seinen Reformvorschlägen für die EU permanent gegen die Wand laufen lässt. Hätte man davon bereits einiges umgesetzt, hätte uns auch diese Krise nicht so getroffen. Dass wir uns gegenseitig das medizinische Equipment weggenommen haben, ist ja nur ein Zeichen für den Zustand der EU. Wettbewerb bis in den letzten Winkel. Wertegemeinschaft? Flöte gepfiffen!
Ansonsten war zumindest auf dieser Seite schon lange Konsens, dass man sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene den Sommer verpennt hat, obwohl man genau wusste, dass es eine zweite Welle geben wird.
Hörenswert auch der aktuelle podcast von Wolfgang Münchau – eurointelligence über den deutschen Merkantillismus, faule Kompromisse und die China-Avancen der Kanzlerin. Schließlich wollen wir doch wieder durch Überschüsse aus den Schulden herauswachsen 😉
Jürgen Klute
17. Dezember 2020 @ 10:10
Ich bin nicht sicher, dass der Lockdown in NRW für Belgien zu einem Problem wird. Theoretisch ist der deutsche Lockdown ein harter. Aber es gibt für Geschäfte eine Vielzahl von Ausnahmen. Alle Geschäfte, die irgendetwas anbieten, das irgendwie zum alltäglichen Lebensbedarf für Mensch und Tier gerechnet werden kann, müssen ja nicht schließen. Selbst Douglas will ein Viertel seiner Filialen offen halten – umetikettiert als Drogerien (Quelle: https://rp-online.de/panorama/coronavirus/douglas-einige-filialen-weiter-geoeffnet-als-drogerie-trotz-lockdown_aid-55249237). Das ist ja gerade ein Teil des deutschen Problems: Wenn ein harter Lockdown beschlossen wird, dann wir er durch eine Unzahl von Ausnahmen weichgespült. Selbst Merkel hat schon davor gewarnt, den Lockdown durch Ausnahmen zu unterlaufen (Quelle: https://www.rnd.de/politik/merkel-zu-hartem-lockdown-es-ist-nicht-die-zeit-fur-ausnahmen-VTIC35WC645UN2QYXKVQE7L2DA.html).
ebo
17. Dezember 2020 @ 15:57
Heute haben Laschet, de Croo und Rutte von Reisen in die Nachbarländer abgeraten. Es ist also doch ein Problem…