Der Preis des Scheiterns, der nächste Notstand – und noch ein Krisentreffen

Die Watchlist EUropa vom 25. August 2021 –

Die USA haben das Debakel in Afghanistan verursacht – doch die Rechnung sollen wieder einmal andere zahlen. Deutschland und die EU bieten sich jetzt schon an, in einem seltsam vorauseilendem Gehorsam.

So hat EU-Kommissionschefin von der Leyen eine Vervierfachung der humanitären Hilfe für Afghanistan angekündigt – aus Angst vor Instabilität und einer Flüchtlingswelle, die bald schon Europa erreichen könnte.

Auch Kanzlerin Merkel greift zur Brieftasche. Nach Medienberichten haben die Taliban in Verhandlungen mit der Bundesregierung zugesagt, dass afghanische Staatsbürger auch nach dem 31. August das Land verlassen dürfen.

Wie viel sich Merkel diesen Last-Minute-Deal kosten lässt, blieb zunächst offen. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer wies darauf hin, dass die Taliban Interesse an Hilfsprogrammen hätten und Unterstützung brauchten.

“Deswegen ist es aus meiner Sicht auch wichtig, dass wir diese Interessenslage jetzt (…) auch wirklich nutzen”, betonte sie. Zu gut deutsch: Wir kaufen uns unsere Leute frei – koste es, was es wolle.

Schon vor Tagen war bekannt geworden, dass die Bundesregierung 100 Mill. Euro für “humanitäre Hilfe” versprochen hat. Nun sollen nochmal 500 Mill. Euro hinzukommen, meldet die “Welt”.

Verlust der Glaubwürdigkeit

___STEADY_PAYWALL___

Doch das ist nicht der einzige Preis, den Deutschland und die EU für das Scheitern zahlen. Die EUropäer verlieren massiv an Glaubwürdigkeit – mit weitreichenden Konsequenzen für die Außenpolitik.

Statt wie selbstbewußte Akteure wirken sie in Afghanistan wie Getriebene. Jetzt rächt es sich, dass sie sich auf US-Präsident Biden verlassen und es versäumt haben, eine eigene Exit-Strategie zu entwerfen.

Merkel, von der Leyen & Co. müssen nun alles daran setzen, dass möglichst viele afghanische Ortskräfte, Journalisten, Aktivisten, Frauen und Kinder aus Kabul evakuiert werden.

Denn sonst wird kaum noch jemand bereit sein, mit der EU zu kooperieren – aus Angst vor dem nächsten Verrat.

Zweifel an EU-Missionen

Schon jetzt werden Zweifel an der EU-Mission in Mali laut. Auch dort geht es darum, Islamisten zu bekämpfen – ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Auch das europäische „Nation Building“ in Libyen droht zu scheitern.

Sogar auf dem Balkan, dem zum EU-Beitritt verdammten Vorhof Europas, hat man kaum noch Vertrauen in die Politik aus Brüssel. Die Politiker setzen lieber auf Washington – und auf wacklige Deals mit den USA.

Die Amerikaner “danken” es ihnen, indem sie afghanische Flüchtlinge auf den Balkan ausfliegen. Doch werden sie dort auch bleiben – oder versuchen, weiter nach Norden zu ziehen, in die EU und nach Deutschland?

Mehr zum Preis des Versagens in meiner neuen Kolumne für den “Makroskop“. Mehr zu Afghanistan hier

Watchlist

Finden die EU-Staaten doch noch zu einer gemeinsamen Haltung in Afghanistan? Werden sie Kabul vielleicht sogar gleichzeitig verlassen? Dies soll ein Krisentreffen der Botschafter in Brüssel erweisen. Es wurde von der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft einberufen, Beginn ist am Donnerstag um 14.30 Uhr. Ich bin gespannt, ob der deutsche Botschafter dann auch über den neuen “humanitären” Deal mit den Taliban spricht…

Was fehlt

Der nächste Notstand in Deutschland. Obwohl die Krankenhäuser kaum ausgelastet sind und eine Mehrheit der Deutschen gegen Corona geimpft wurde, hat der Bundestag am Mittwoch die “epidemische Lage von nationaler Tragweite” um weitere drei Monate verkängert. Knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl ist dies eigentlich ein demokratisches Unding. Doch CDU/CSU und SPD wissen es nicht besser… Mehr dazu hier


Hat Ihnen dieser Newsletter gefallen? Dann empfehlen Sie ihn bitte weiter – oder unterstützen Sie diesen Blog mit einer kleinen Spende. Mehr Infos durch Klick auf den Button!