Der Club schrumpft – Trumps Zoll-Falle
Schulterklopfen, Umarmungen, Komplimente: Der britische Premier Johnson und die 27 EU-Chefs haben ihren Brexit-Deal gefeiert, als wäre ein Krieg zu Ende gegangen. Doch für die EU ist es ein bitterer Friede.
Zum einen ist nicht klar, wie lange der Waffenstillstand hält. Schon am Samstag könnten neue Feindseligkeiten ausbrechen – falls das britische Unterhaus den Johnson-Deal ablehnen sollte.
Was dann passiert, ist unklar. Auch auf mehrfaches Nachfragen weigerten sich Kanzlerin Merkel und andere EU-Granden, ihre Pläne für den Fall eines erneuten Scheiterns zu enthüllen.
Sollte Johnson dann keinen Antrag auf einen neuen Aufschub beim Brexit stellen, könnte es doch noch zum “No Deal” kommen – dem ungeregelten Brexit mit wirtschaftlichen Turbulenzen.
Zum anderen haben die EU-27 nun den eigenen Bedeutungsverlust besiegelt. Die EU schrumpft – sie verliert die wichtigste Militärmacht und die zweitgrößte Wirtschaftsmacht in ihren Reihen.
Großbritannien wird nach dem Brexit nicht einmal mehr in der Zollunion bleiben, wie es mit dem umstrittenen Backstop geplant war. Johnson will handeln – aber nach eigenen Regeln.
Sollte es ihm gelingen, schnell Abkommen mit den USA und Japan abzuschließen, könnte der EU ein Wettbewerber vor der eigenen Haustür erwachsen, wie Merkel treffend angemerkt hat.
Doch daraus zieht die Kanzlerin nicht etwa den Schluss, die Rest-EU zu stärken. Nein, sie will in die Fußstapfen der “Eisernen Lady” Thatcher treten – und Geld von Brüssel zurückfordern.
Deutschland will seinen Rabatt behalten und das EU-Budget senken, erklärte sie am Tag des Brexit-Deals. Wenn sie dabei bleibt, schrumpft der Club gleich doppelt – physisch und finanziell.
Ausbaden darf es Merkels gute alte Freundin von der Leyen…
Siehe auch: “Leyen kann nur so stark sein, wie Merkel sie lässt”
Watchlist
- Wie schlägt sich Frau von der Leyen beim EU-Gipfel? Die künftige Kommissionschefin soll am Freitag in Brüssel darlegen, wann und wie sie ihr Team vervollständigen will – und welches Programm sie verfolgt. Die EU-Chefs wollen die CDU-Frau auf ihre eigene “strategische Agenda” festlegen und warnen sie davor, nach der Pfeife des Europaparlaments zu tanzen. Lässt sich VdL das bieten, bleibt sie am Gängelband des Rats?
- Siehe auch: “Leyen-Truppe: Das EP zieht Notbremse”
Was fehlt
- Der Zoll-Streit mit den USA. Die Amerikaner dürften am Freitag Sonderzölle im Wert von 7,5 Mrd. Dollar verhängen. Dies hat ihnen die Welthandelsorganisation WTO im Streit um Airbus-Subventionen erlaubt.
- Die EU zögert, wie angekündigt sofort zurückzuschlagen. Denn am 13. November läuft die Frist für US-Strafzölle auf europäische Autos ab. Und im Dezember wird ein neuer Schiedsspruch der WTO erwartet, der zugunsten der EU ausgehen könnte. Bis dahin will Brüssel noch warten.
- Die Hinhalte-Taktik hat allerdings einen Haken: Das für die Schlichtung von Streitigkeiten zuständige WTO-Gremium wird bald nicht mehr handlungsfähig sein, weil die USA die Ernennung neuer Richter blockieren. Sollte dieser Fall eintreten, so könnte die EU auch nicht mehr auf Hilfe der Schlichter aus Genf hoffen.
- Dies sei eine „sehr kritische Situation“, warnt der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange. Denn die USA seien nun in einem strategischen Vorteil. Anders ausgedrückt: Die EU sitzt in der Falle, die ihr US-Präsident Trump ausgelegt hat.
- Siehe auch “Angst vor dem Handelskrieg – Digitalsteuer muss warten”
Holly01
19. Oktober 2019 @ 12:58
Der deutschen Wirtschaft wird seit Jahrzehnten der Popo gepempert durch politische Umverteilung, einseitige Entlastung bei Steuern, Vorschriften und Haftung.
Wo das immer noch nicht reicht ist der Staat auch gerne bereit bei Rechtsbrüchen zu helfen und die Firmen vor Regress zu schützen.
Das geht in Größenordnungen die bei der DB und VW für die gesamte BRD die wirtschaftliche Existenz gefährdet wird.
Zusätzlich werden der Industrie noch Milliarden rüber geschoben, bei S21, BER , Toll Collect, Breitbandausbau, Tierhaltung, Subventionen für hoch profitable, aber höchst ungesunde Unternehmen und Forschungshilfe die 150% Kosten übernimmt und die Patente dann verschenkt, wo ich die Begründung nur in Betrug und Bestechung sehen kann.
Der schwache Euro … MUHAAAA. Ja ist ist klar Hr. Nemschak.
vlg
Peter Nemschak
18. Oktober 2019 @ 14:05
Mehr Wettbewerb wäre gut für die EU, aber auch die deutsche Wirtschaft, die wegen des schwachen EURO in den letzten Jahren innovationsfaul geworden ist.
ebo
18. Oktober 2019 @ 18:24
Wegen des schwachen EURO? Wohl eher wegen der niedrigen Löhne! Zudem fehlen staatliche Innovationen in die Infrastruktur, vor allem die digitale.
Holly01
18. Oktober 2019 @ 09:02
” Die EU sitzt in der Falle, die ihr US-Präsident Trump ausgelegt hat. ”
Das passiert erstaunlich oft.
Entweder das UK ist nicht der einzige Staat, dem der EU Ballast zu schwer wird und Frankreich, Deutschland und ein paar “Willige” betreiben die Auflösung aktiv oder man müsste wirklich einmal eine Qualitätsprüfung bei den EU Verhandlern durchführen.
So robbt die EU von Krise zu Krise und kommt nicht mal auf die Knie, von stehen ganz zu schweigen.
Immer öfter fallen Entscheidungen außerhalb der EU. Diese Special Relationships zum Hegemon sind auch so eine Sache, mit der man der EU tatsächlich massiv schadet und die Handlungsspielräume einengt.
vlg