“Es geht um die demokratische Substanz”
Erinnern Sie sich noch an die Europawahl 2014? Damals traten die Parteien erstmals mit Spitzenkandidaten (Juncker, Schulz u.a.) an, doch wählen konnte man sie nur in ihrer Heimat. Das soll sich nun ändern.
Das Europaparlament stimmt am Mittwoch über europäische Wahllisten ab. Sie sollen die Spitzenkandidaten künftig EU-weit absichern; die nötigen Plätze werden durch den britischen EU-Austritt frei.
Die Idee müsste eigentlich ein Selbstläufer sein, da sie für den europäischen Geist steht, mehr Demokratie verspricht und die Rückendeckung von zwei der mächtigsten Politiker des Kontinents hat.
Sowohl der französische Präsident Macron als auch EU-Kommissionschef Juncker haben sich für EU-weite Listen ausgesprochen. Doch kurz vor der entscheidenen Abstimmung formiert sich Widerstand.
Ausgerechnet CDU/CSU halten nichts von der Idee. Die Abstimmung könnte knapp werden, sagt die SPD. Während sie in Berlin eine Koalition eingehen wollen, arbeiten sie in Straßburg gegeneinander.
Und das ist noch nicht alles. Gleichzeitig machen die Staats- und Regierungschefs Front gegen die Spitzenkandidaten. Kanzlerin Merkel war davon nie begeistert, Macron auch nicht – denn seine Bewegung ist Mitglied keiner Parteienfamilie.
Kommissionschef Juncker wittert schon Verrat. “Ich fühle, spüre und sehe voraus, dass es im Rat eine Mehrheit dagegen geben könnte”, sagte er am Dienstag in Straßburg.
Die Kommission und das Parlament müssten in dieser Frage “eng zusammenstehen”, fordert der erste gewählte Spitzenkandidat. Es gehe um die “demokratische Substanz der EU”.
Zunächst geht es aber um die Substanz der europapolitischen Versprechen, die die neue GroKo in Berlin macht. Wenn es dumm läuft, könnte der “Aufbruch für Europa” gleich beim ersten Test scheitern…
Wie das mit den EU-Wahllisten laufen soll, hat mir der SPD-Europaabgeordnete J. Leinen erklärt. Das Interview steht hier.
wo bleibt der Ruck?
8. Februar 2018 @ 00:48
Der große coup: 500mio eu-bürger; man versteht die Sprache nicht, man hat immer noch keine Plattform der aktuellen eu-Politik für jeden Bürger eines jeden Mitgliedsstaates und erhofft sich nun: was?
Demokratisch muss da erst einmal eine Basis von Information geschaffen werden. Nach der Grundinformation aller eu-Bürger über das Tagesgeschäft dieser in Zusammenhaltender Parteienvielfalt, braucht es eu-weit Zeitungen, welche die eu-Problematik kritisch begleiten, und nicht per Lobby vertreten. Wir sind ganz weit weg von einer transparenten eu, demokratisch wird diese nicht, wenn ich in Zukunft auch Berlusconi wählen könnte.
Peter Nemschak
7. Februar 2018 @ 15:26
Wenn es um die eigene Macht geht, schwindet der europäische Geist. Technisch und medial wäre das Problem ohne weiters lösbar.
Claus
7. Februar 2018 @ 08:13
Das ist ja interessant! Soll denn bei dieser neuen Wahl auch das Urprinzip der Demokratie namens „One man one vote“ gelten oder werden die Ergebnisse wieder so „normalisiert“, dass auch hier die Stimme z.B. eines Maltesers ein Mehrfaches des Gewichtes eines Deutschen hat?
Und wie soll jemand, der nicht im Internet zuhause ist, die von anderen Ländern nominierten „Spitzenkandidaten“ beurteilen? Wer sind sie? Wofür stehen sie? Wer hat sie in die EU gehievt und warum? Gibt es da wieder „Duelle“ bei ARD und ZDF? Mit Simultanübersetzung? Da bleibt wohl einiges zu klären.