Das gefährliche Gerede vom „hybriden Krieg“

Die Nato-Außenminister wollen gegen den „hybriden Angriff“ aus Belarus und Russland vorgehen und die Ukraine verteidigen. Doch dabei geht vieles durcheinander. Schon die Wortwahl führt aufs Glatteis.

Die Nato hat ein Problem. Sie hat den Krieg gegen die Taliban in Afghanistan verloren – und kann bis heute nicht erklären, warum. Die Nato-Außenminister täten gut daran, das Desaster aufzuarbeiten und ihr Verhältnis zu den USA zu klären, die den Abzug befohlen haben.

Stattdessen knöpfen sie sich Russland vor. Von einem „hybriden Angriff“ gegen Polen und die baltischen Staaten ist die Rede, weil Belarus Migranten über die Grenze schickt. Im selben Atemzug wird Russland beschuldigt, in der Ukraine einmarschieren zu wollen.

Doch in diesem Schreckens-Szenario, das Nato-Generalsekretär Stoltenberg verbreitet, geht vieles durcheinander. So „vergisst“ Stoltenberg, dass Belarus immer noch ein Nato-Partner ist – und dass Diktator Lukaschenko noch vor kurzem vom Westen umworben wurde.

Nun soll er plötzlich eine Marionette von Kremlchef Putin sein – doch Beweise bleibt die Nato schuldig. Ebenso wenig gibt es Belege für einen angeblichen russischen Angriffsplan auf die Ukraine. Es fehlt auch eine Rechtsgrundlage für die alliierte Verteidigung – die Ukraine ist kein Nato-Mitglied.

Die Allianz kann und sollte Russland nur abschrecken – und gleichzeitig auf Abrüstung und Vertrauensbildung setzen. Stattdessen versucht sie, mit dem gefährlichen Gerede vom „hybriden Angriff“ eine neuen Russen-Angst auszulösen und die Aufrüstung zu forcieren.

Wohin das führt, sehen wir gerade in Deutschland: Plötzlich will die britische Army wieder Truppen nach Deutschland verlegen – angeblich, um vor einem Angriff Russlands zu schützen. Dabei ist die DDR längst Vergangenheit, und Polen will Putin wohl kaum erobern.

Doch die neue EU- und Nato-Doktrin von den „hybriden Bedrohungen“ macht’s möglich. Plötzlich wird überall eine russische Gefahr gesehen – durch Desinformation mit Fake News, durch Cyberangriffe und sogar durch mittellose Migranten im dunklen Wald.

Dabei passt der Begriff gar nicht. Unter einem „hybriden Krieg“ versteht man den integrierten Einsatz von militärischen und nicht-militärischen Mitteln. Mit der Lage in Belarus hat das nichts zu tun – nur Polen setzt auch Militär an der Grenze ein.

„Herbeigeredete Militarisierung“

Sogar der renommierte deutsche Thinktank SWP warnt vor der falschen Terminologie, die auch in die neue EU-Strategie Eingang gefunden hat. „Die deutsche Politik sollte nicht in diese Falle einer herbeigeredeten Militarisierung tappen“, sagt SWP-Experte Overhaus.

Der häufige Rückgriff auf den Begriff der „hybriden Kriegsführung“ passe „zu einer Entwicklung, die zunehmend den Diskurs in Deutschland und anderen EU- und Nato-Staaten prägt“, stellt Overhaus fest. Überall herrsche scheinbar Krieg. 

Den Nato-Außenministern scheint es recht zu sein – umso martialischer können sie gegen Russland auftreten…

Siehe auch „Säbelrasseln um die Ukraine sowie „Die gefährliche Doktrin vom hybriden Krieg“ (Kolumne im Makroskop)