Historisch – wie Versailles?
Erinnert sich noch jemand an den Versailler Vertrag und die deutschen Reparationen nach dem 1. WK? Damals ging es um 269 Mrd. Goldmark, zahlbar in 42 Jahresraten. Die Auflagen für Griechenland klingen ganz ähnlich.
Diesmal geht es um 274 Mrd. Euro, die das Land bis 2060 zurückzahlen soll – also in genau 42 Jahren! Was für eine “hübsche” historische Parallele. Dabei hatte Frankreich davor gewarnt, “Versailles” zu wiederholen.
Doch die Franzosen konnten sich ebenso wenig durchsetzen wie der IWF, der massive Zweifel an der Tragfähigkeit der griechischen Schulden hatte. Denn Finanzminister Scholz, angeblich SPD, gab den Schäuble.
Sechs Stunden verhandelte er gegen den gesunden Menschenverstand – und stellte neue harte Bedingungen für den “historischen” Ausstieg aus dem dritten (und hoffentlich letzten) Hilfsprogramm.
So soll Athen bis 2022 einen Primärüberschuss (Budgetplus vor Schuldendienst) von 3,5 Prozent und danach bis 2060 jährlich 2,2 Prozent erreichen. Das gab’s noch nie in der Geschichte, Versailles ist schließlich auch gescheitert.
Egal, an den deutschen Auflagen sollen die Griechen genesen. Überwacht werden sie vom deutschen ESM-Chef Regling – und natürlich von den “Institutionen”, die alle drei Monate (also ständig) nach dem Rechten schauen sollen.
Damit das alles nicht ganz so hart aussieht, gab es auch ein paar Schuldenerleichterungen. Doch die dienen vor allem dazu, dass Berlin bis zur nächsten Bundestagswahl Ruhe an der Euro-Front hat. Keine neue Krise, bitte!
Außerdem muss Griechenland noch jede Menge neoliberaler “Reformen” umsetzen und die Renten weiter kürzen. Die Rückkehr in die finanzielle Freiheit ist das nicht, eher ein neuer Bailout. Das meint auch das CEP in Freiburg, Zitat:
“De facto haben sie ein viertes Hilfsprogramm beschlossen. Nur werden diesmal keine Darlehen, sondern Schuldenerleichterungen gewährt.“ Wenn das sogar ausgesprochen liberale Ökonomen sagen…
Siehe auch “Kommt der 4. Bailout – durch die Hintertür?” sowie “Die Krise ist vorbei? Erzählt das mal den Griechen!” (SPON)
felinette
23. Juni 2018 @ 11:50
Kleine Anmerkung zum „deutschen Masochismus“: Deutschland hat, es ging erst kürzlich durch die Nachrichten, ganz prächtig an der sogenannten Griechenlandrettung verdient: Mal so eben 2,9 Mrd. Euro für die Staatskasse – wo bleibt dabei der Spaß für den Masochisten? Ich halte diesen ganzen Austeritätsexport nach wie vor für eine Art Sündenfall und eher für das Gegenteil vonMasochismus, und jetzt beklagen sich die falschen über den Mangel an europäischer Solidarität.
Erich
23. Juni 2018 @ 09:04
Verstehe ich die Kommentare richtig? Die Deutschen freuen sich, hart zu arbeiten und viel Steuern zu zahlen damit andere Staaten viel Geld erhalten, das sie nie zurückzahlen können? Der deutsche Masochismus (“wir sind doch an allem schuld und müssen daher allen unser Geld schenken”) feiert hier fröhliche Urständ (wie wir in Österreich sagen würden). Wenn über 1918 philosophiert wird: warum dann nicht über 1870/71? Oder haben die Franzosen wegen 1805 Schuldgefühle? Wir können in der Geschichte immer weiter zurückgehen und finden dann sicher etwas. Aber darüber vergessen manche den Blick in die Zukunft.
Thomas
23. Juni 2018 @ 10:13
Europa und die USA befinden sich im Kampf um Freiheit und Demokratie.
„If fascism comes to america it will come disguised as liberalism“ Ronald Reagan.
Die Ideologie des Liberalismus (geht weit über Wirtschaftsliberalismus hinaus) nach Dugin, die die EU vertritt, verneint jegliche kollektive Identität.
Deswegen wollen sie auch nichts gg die Immigration tun, da keine Völker, Gruppen und Religionen kommen sondern nur Individuen.
Deswegen auch das Gender. Denn nach ihrer Ideologie ist das Geschlecht frei wählbar. Am Ende führt das zum Transhumanismus.
Meiner Meinung nach haben wir es hier mit der nächsten totalitären Ideologie nach Kommunismus und NS zu tun. Die heutige EU steht dafür.
Gnade uns Gott wenn die gewinnen.
ebo
23. Juni 2018 @ 11:26
Nein, sie verstehen die Debatte völlig falsch. Vielleicht suchen Sie sich ein anderes Forum, das Ihren Ideen besser entspricht?
supergirl
22. Juni 2018 @ 20:54
Es fällt mir ein Bruch auf, gerade auch im Hinblick auf den o.a. Vertrag und dem Ist:
Deutschland hat nach HartzIV wirtschaftlich und politisch so enorm an Kraft gewonnen, welche Merkel m.E. hemmungslos einsetzt, um anderen Staaten ihre politische Weitsicht -wenn man es denn so nennen mag – aufzudrücken.
Diese Kraft nutzt Deutschland erbarmungslos in Verhandlungen aus, um die eu an ihrem Wesen ….lassen wir das. Es darf sich nicht wiederholen und alleine deshalb sollte man nun in dt.-frz. Zusammenarbeit+Junker+Belgien+Luxembourg sehr darauf achten, nicht moralisch zu überziehen. Der frz. Präsident ist schlecht beraten, wenn er von einer Pest spricht, weil die Achse Berlin-Paris durch überbordete und unvorteilhaft für andere Mitgliedsländer überfrachtete Politik heute keine Zustimmung findet.
Es beruhigt mich geradezu, dass immer mehr Länder eine Entscheidung durch den europäischen Rat erarbeiten wollen, als das diese durch die Kommission per vorgefertigten Abschlusserklärungen der Einheit wegen zustimmen.
Ich sehe eigentlich eine Demokratisierung, welche so nicht von Merkel, Junker oder Macron geplant war.
So wird hoffentlich auch bald eine Eurogruppe ein demokratisches Gesicht bekommen. Die deutsch-französische Dominanz nach Bedarf, nur so kann man Junkers Einladung im Sinne Merkels nur verstehen, muss überzeugen, wenn diese die eu am Leben erhalten will. Das finanzielle pressing, die Denunziationen nach jeder Wahl, die Untergangsszenarien vor oder nach Volksabstimmungen: das sind keine Methoden in Demokratie, um Bürgern der Zone zu gewinnen. Im Gegenteil, es verstärkt die Abneigung.
Matti Illoinen
22. Juni 2018 @ 16:51
@Solveig Weise,
Deutschland hat auch noch nie in seiner Geschichte seine „Schulden“ zurückbezahlt. Schon vergessen, Marshall Plan und Schuldenerlass? Wäre man mit Deutschland nach dem 2. WK genau so umgegangen, wie heute mit Griechenland, dann wäre Deutschland mit Sicherheit noch immer am Tropf des IWF.
Im Übrigen, hat Deutschland hauptsächlich zu verantworten, dass so viele südliche Länder in Europa in die Krise geraten sind. Denn Achtung es war vereinbart, dass alle Länder seine Löhne entsprechend seiner Produktivitätssteigerungen plus Inflationsausgleich jährlich erhöhen.
Alle haben sich daran gehalten, nur Deutschland machte genau das Gegenteil, führte den größten Niedrig Lohn Sektor genau dann, als sich die anderen Länder ohne eigenen Währung nicht mehr wehren konnten. Darauf ist Deutschland noch heute Stolz.
Pjotr56
22. Juni 2018 @ 15:46
“Das erinnert an Versailles” und wer erinnert sich an das Londoner Schuldenabkommen von Februar 1953.
Von den Folgen für Griechenland wird vor allem die Partei “Goldene Morgenröte” profitieren nachdem Syriza abgewirtschaftet hat. Vielleicht heißt der nächste griechische MP Hitleropoulou oder so ähnlich. Dann hätte der Mainstream monatelang wieder was zu geifern, um seine erbärmlichen Quoten/Auflagen zu halten. Sorry, ich kann nur noch sarkastisch.
Solveig Weise
22. Juni 2018 @ 14:17
Eine Sache werde ich nie verstehen. Wieso scheint es für viele Kommentatoren zwingend, dass man Griechenland Milliarden an Schulden erlässt und wenn es dann keinen harten “Haircut” gibt bemüht man dann gerne historische Vergleiche (Versailles). Wieso sollten Länder wie die Slowakei oder die baltischen Länder, deren Lebensstandard unter dem in Griechenland liegt, Milliarden an Schulden für Griechenland abbezahlen? Schulden verschwinden nicht einfach, es muss sie nur jemand anderes abbezahlen. Bei Barwertbetrachtung wurden doch die Schulden über die Zeitachse doch schon massiv entwertet.
ebo
22. Juni 2018 @ 14:28
Ganz einfach, die Reparationen von Versailles wurden auch nie abbezahlt. Oder, um es weniger historisch vorbelastet zu erklären: Jeder Fachmann weiß, dass Griechenland seine Schulden nie und nimmer abstottern kann! 42 Jahre Primärüberschuss sind schlicht unmöglich. Der IWF sagt das seit Jahr und Tag; vielleicht dort mal nachlesen?
Solveig Weise
22. Juni 2018 @ 14:51
Habe die Analyse des IWF gelesen. Staaten „stottern“ Schulden ja auch nicht ab. Ein weit verbreiteter Irrtum. Schulden werden prolongiert und so lange die Nettoneuverschuldung in Relation zum BIP unter dem nominellen Wachstum liegt löst die Inflation das Problem. Dazu ist auch kein 42-jähriger Primärüberschuss nötig. Beantwortet aber nach wie vor nicht die Frage wieso Staaten, deren Lebensstandard unter dem in Griechenland liegt dessen Schulden abbezahlen sollten? Die Stimmung gegenüber der EU wird damit sicher nicht gefördert, den dies ist ein „gefundenes Fressen“ für die „Populisten“ in jenen Ländern. Und erlauben Sie mir für eine Sekunde arrogant zu sein. Der IWF hat sich mit seinen Prognosen im Rahmen der „Eurokrise“ als zuverlässige Instanz der Lageeinschätzung ohnehin diskreditiert.
Thomas
22. Juni 2018 @ 15:42
Ich dachte Deutschland hat bis vor ein paar Jahren Reparationen aus WK 1 bezahlt. Alles wurde nicht erlassen.
ebo
22. Juni 2018 @ 15:58
Ja, zwischendurch war “nur” Hitler, Auschwitz, WK2 -danach wurden die Zahlungen wieder aufgenommen.