Coronakrise: Zu viel versprochen, zu wenig durchgesetzt

Deutschland will die epidemische Notlage aufheben und die Corona-Maßnahmen auslaufen lassen. Dabei spitzt sich die Lage in vielen EU-Ländern gerade wieder zu – auch da, wo die Impfziele erreicht wurden. Ist die angeblich so erfolgreiche EU-Strategie gescheitert?

Die EU hatte zwei Ziele: Die Coronakrise durch eine europaweit koordinierte Impfkampagne zu überwinden – und den Menschen wieder ein normales Leben zu ermöglichen, mit offenen Grenzen und ohne diskriminierende Regeln.

Der Gesundheitsschutz und die Grundfreiheiten sollten nicht nur in Deutschland oder einigen wenigen EU-Staaten gesichert werden, sondern überall. Doch davon sind wir weiter entfernt denn je – trotz des Eigenlobs aus Brüssel.

Man habe bereits 70 Prozent der Erwachsenen in der EU ein Impfangebot gemacht und damit den ersten “Meilenstein” erreicht, hieß es im Sommer in Brüssel. Auch der EU-Impfausweis habe sich bewährt, verkündete die EU-Kommission.

Doch nun zeigt sich, dass zu viel versprochen wurde. Vor allem in Osteuropa wurde die angepeilte Impfquote bis heute nicht erreicht. In Rumänien nimmt die “vierte Welle” katastrophale Formen an, mit überlasteten Krankenhäusern und vielen Toten.

Die EU-Kommission hat es versäumt, die Umsetzung der Impfkampagne zu überprüfen und durchzusetzen. Man verließ sich auf die Statistik und den guten Willen der Mitgliedsstaaten, die für die Umsetzung zuständig sind.

Das war ein Fehler. Selbst in Deutschland wurde die Quote von 70 Prozent noch nicht in allen Bundesländern erreicht. Und selbst in Ländern, die das Soll erfüllt haben – wie Belgien – steigen nun wieder die Corona-Zahlen.

Teilweise werden wieder Inzidenzen erreicht wie im April, als nur eine Minderheit der Bürger geimpft war. Offenbar wirkt die Impfung nicht wie erwartet – dabei hatte Kommissionschefin von der Leyen große Hoffnungen geweckt.

Den Menschen wurde suggeriert, dass sie mit einer vollständigen Impfung gut und nachhaltig gegen COVID-19 geschützt sein würden. Nun zeigt sich, dass die Wirkung schon nach einem halben Jahr nachlässt.

Die Zahl der Impfdurchbrüche nimmt zu – auch und gerade mit dem von der EU-Kommission bevorzugten Vakzin von Biontech/Pfizer. Nun soll es eine “Booster”-Impfung richten – doch das ist nur eine vage Hoffnung.

Bei der Kommission beschweren kann man sich nicht – denn die handelt “nur” im Auftrag der Mitgliedsstaaten, und sie hat den Herstellern einen Freibrief ausgestellt, mit geheim gehaltenen Klauseln in den Beschaffungsverträgen.

Grundrechte werden weiter eingeschränkt

Etwas anders sieht die Lage bei den Freiheiten aus. Hier ist die EU-Kommission zuständig – nicht nur bei der Reisefreiheit im Schengen-Raum, sondern auch bei den Grundrechten in allen Mitgliedsländern.

Doch auch hier wude zu viel versprochen und zu wenig durchgesetzt. “Back to Schengen” hieß der Slogan der EU-Kommission, oder auch “ReopenEU” (dazu gibt es sogar eine Website). Doch es gibt immer noch Reise-Beschränkungen.

Zudem wurde der EU-Impfausweis zweckentfremdet – um den Zugang zu Restaurants, Kino oder sogar Büros und anderen Arbeitsplätzen zu beschränken, wie in Italien. Nicht-Geimpfte werden diskriminiert, auch in Deutschland.

Doch dazu sagt die EU-Kommission – nichts. Wenn es um LGBT-Rechte in Ungarn oder um die Justizreform in Polen geht, greift sie durch. Wenn es um Bürgerrechte in der Coronakrise geht, duckt sie sich weg.

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P.S. Auch im Europaparlament gilt ab sofort ein Arbeitsverbot für Ungeimpfte (Abgeordnete). Das hat Präsident Sassoli (ein Italiener) angeordnet. Ob es mit EU-Recht vereinbar ist?