Brexit means trouble, Puigdemont klagt an – und Leyens neue Bescheidenheit

Die Watchlist EUropa vom 08. März 2021 –

Brexit means Brexit: Mit diesem Slogan ist der britische Premier Johnson angetreten. Doch je mehr der britische EU-Austritt zur Realität wird, desto deutlicher zeigt sich: “Brexit means trouble” – jede Menge Ärger.

Es begann mit den Fischern, die sich plötzlich von ihrem Hauptabsatzmarkt – der EU – abgeschnitten sahen. Binnen kürzester Zeit haben sie sich von glühenden Anhängern des Brexit zu Johnson-Gegnern verwandelt.

Dem unberechenbaren Premier geben sie die Hauptschuld an dem mit heißer Nadel gestrickten Handelsvertrag, mit dem der Brexit zu Beginn dieses Jahres in die Tat umgesetzt wurde.

Nun sind die Nordiren an der Reihe. Sie leiden unter den Beschränkungen, die die EU zum Schutz ihres Binnenmarktes durchgesetzt hat. Firmen ersticken in europäischer Bürokratie, Supermärkte haben Lieferprobleme.

Die Situation in der britischen Provinz bleibe fragil, schrieb der britische Brexit-Beauftragte Frost in einem Gastbeitrag für den “Sunday Telegraph”. “Deshalb mussten wir einige vorübergehende, operative Schritte unternehmen, um die Störungen in Nordirland zu minimieren.”

Frieden in Nordirland gefährdet

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London hatte eine Übergangsphase einseitig verlängert, während der Lebensmittelimporte nach Nordirland weniger kontrolliert werden als mit Brüssel vereinbart. Zudem wurde eine weitere Importregel gelockert.

Dies führt nun zu einer heftigen Gegenreaktion auf EU-Seite. Die Kommission droht mit einem Vertragsverletzungs-Verfahren, das Parlament zögert die Ratifizierung des Handelsdeals hinaus.

Die Briten und die Nordiren dürfte dies nicht beeindrucken. Über die Lage vor Ort hat die EU keine Kontrolle – was auch ihr Versprechen gefährdet, den Frieden in Nordirland zu bewahren.

“Europäische Böswilligkeit”

London fordert nun mehr Entgegenkommen von der EU. “Ich hoffe, dass sie ihre verbleibende Böswilligkeit gegen uns abschüttelt und stattdessen eine freundliche Beziehung zwischen souveränen Gleichen aufbaut”, so Frost.

Das sind harsche Worte. Sie strafen all jene in Brüssel Lügen, die immer so getan haben, als könne man auch nach dem Brexit Freunde bleiben. Stattdessen stehen sich EUropäer und Briten nun feindselig gegenüber.

Den Anfang hat dabei übrigens die EU-Kommission gemacht – mit ihrer Ankündigung, das Nordirland-Protokoll auszulösen, um Exporte von AnstraZeneca nach UK zu unterbinden…

Siehe auch “Von der Leyen vermasselt sogar den Brexit”

Watchlist

Am Montag will das Europaparlament beschließen, dem katalanischen Separatistenführer Puigdemont seine Immunität zu entziehen. Vor zehn Tagen hatte dafür der Rechtsausschuß den Weg geebnet. In einem Interview mit “Politico” beklagt er sich nun über europäische Doppelstandards: “There is a double standard in the European Union,” Puigdemont said. “If we are concerned about human rights, as I hope Europe is, we must be clear it doesn’t matter if that is in Russia, or that is in Venezuela or in Spain. Because if not, the moral authority of the European Union giving lessons to the others is falling.” – Mehr hier

Hotlist

  • Über die europäische “Doppelmoral” klagt auch die türkische Opposition. Der Co-Chef der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP hat die EU aufgefordert, schärfer mit der türkischen Regierung ins Gericht zu gehen, berichtet das r-nd. Es herrsche „großes Schweigen“ in der EU angesichts des großen Drucks, den die türkische Regierung auf die kurdische Minderheit und die Opposition ausübe, sagte Mithat Sancar. „Wir sehen eine klare Doppelmoral,“ so Mithat Sancar weiter. – Die EU will bei einem Gipfel am 25. und 26. März erneut über die Beziehungen zur Türkei beraten. Deutschland will eine “positive Agenda” – und keine Sanktionen.
  • EU-Kommissionschefin von der Leyen ist bescheiden geworden. In einem Interview mit dem Wiener “Standard” zur Coronakrise zog sie folgendes Fazit: “Diese Pandemie ist eine gewaltige Herausforderung für die gesamte Welt. Ich wünsche mir, dass wir, wenn wir eines Tages zurückschauen, sagen können, wir haben aufeinander geachtet und wir haben zusammengehalten.” – Plötzlich ist keine Rede mehr von “Europas Moment” oder einer Führungsrolle. Die CDU-Politikerin verspricht nur noch, dass sich die bisher schleppende Lieferung von Impfdosen ab April verdoppeln könnte. Eigentlich sollte es schon im März schneller vorangehen…
  • Zum Internationalen Frauentag kann die EU wenig Fortschritt vorweisen. Frauen werden immer noch schlechter bezahlt, der sog. “Gender Pay Gap” ist seit Jahren bei 14 Prozent festgefahren. Ein Vorschlag der EU-Kommission dürfte daran wenig ändern. – Dieser Vorschlag aus dem Hause von der Leyen eifert nämlich ausgerechnet Deutschland nach – dabei ist die Lohnlücke im Land von Kanzlerin Merkel besonders hoch… Mehr hier