Breton soll’s richten, Scholz soll schweigen – und der Weg ins autoritäre Europa

Die Watchlist EUropa vom 05. Februar 2020 –

Wer ist schuld am europäischen Impfdebakel? Nach einer Woche des Streits und der Krisensitzungen ist diese Frage immer noch nicht beantwortet. Und es sieht auch nicht so aus, als werde sie jemals geklärt.

Kommissionschefin von der Leyen hat zwar die Verantwortung für Fehler der letzten Tage übernommen. Den Streit mit AstraZenecia, das Gezerre um Exportbeschränkungen, den Eklat um Nordirland – sie nimmt alles auf ihre Kappe.

In einem Interview mit der “Süddeutschen” räumte sie nun sogar erstmals Fehler bei der Beschaffung ein – also bei der Konzeption der Impfstrategie im Sommer 2020, unter deutschem EU-Vorsitz.

“Wir haben uns sehr stark auf die Frage fokussiert, ob es ein Vakzin geben wird, also die Entwicklung”, sagte sie. “Rückblickend hätten wir stärker parallel über die Herausforderungen der Massenproduktion nachdenken müssen.”

Merkel ist mitgemeint

___STEADY_PAYWALL___

Mit “wir” meint sie vermutlich auch Kanzlerin Merkel, die das Impfthema damals ihrem Gesundheitsminister Spahn entrissen und die Beschaffung an die EU-Kommission delegiert hat.

Doch personelle oder politische Konsequenzen sollen all die Versäumnisse nicht haben. In der Kommission werden keine Köpfe rollen, die EU-Strategie wird auch nicht neu aufgerollt.

Stattdessen versucht von der Leyen es jetzt mit mehr Tempo und Transparenz. Dafür soll ihr Binnenmarkt-Kommissar Breton sorgen.

Engpässe verhindern 

Der ehemalige französische Finanzminister und enge Vertraute von Präsident Macron soll Engpässe bei der Herstellung von Vakzinen in der EU verhindern.

Er habe die Firmen aufgefordert, ihn sofort über Verzögerungen zu informieren, sagte Breton. “Ich brauche Transparenz, warten Sie nicht zu lang.”

Immerhin dürfen wir nun also hoffen, dass wir über Engpässe künftig scheller informiert werden…

Siehe auch “Warum das Impfdebakel ohne Folgen bleibt”

Watchlist:

Deutschland und Frankreich gelten als Motor der EU und haben einander versprochen, “wann immer möglich, gemeinsam zu handeln”. Doch in der Realität gibt es viele Reibungspunkte zwischen Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel, schreibt die “Süddeutsche”. Dies dürfte sich auch beim Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat zeigen, der am Freitag per Videokonferenz tagt. Streit gibt es u.a. über Nord Stream 2 – Macron will die Pipeline stoppen, Merkel lässt weiterbauen…

Hotlist:

  • Die Impfungen in der EU sind „richtig sch*** gelaufen!“ So berichtet die “Bild”-Zeitung über einen angeblichen Ausraster von Finanzminister Scholz. Dem SPD-Kanzlerkandidaten sei am Montag im Corona-Kabinett der Kragen geplatzt. Ziel seiner Wut: die EU-Kommission und deren Chefin von der Leyen. – Verständlich wär’s, auch ohne Wahlkampf. Doch laut reden will keiner drüber – weder in Berlin, noch in Brüssel. Selbst die SPD-Genossen im Europaparlament halten sich zurück. Scholz soll schweigen und “die EU” verschonen…
  • Die Patente von Pharmafirmen auf Corona-Impfstoffe und andere Mittel werden vorerst nicht aufgeweicht. Indien und Südafrika setzen sich in der Welthandelsorganisation (WTO) dafür ein, den Patentschutz vorübergehend aufzuheben, um die Produktion anzukurbeln, aber reiche Länder sperren sich dagegen. Dies meldet das RND. Zu den reichen Ländern gehören auch Deutschland und die EU. Dabei hatten Merkel und von der Leyen versprochen, Vakzine “für alle” bereitzustellen. Nun lässt man sie im Regen stehen…
  • Stolz führt die Kommission ihr neues Waffenarsenal vor. Die Mitgliedstaaten müssen Empfehlungen aus dem Europäischen Semester umsetzen, um Mittel aus dem Aufbaufonds zu erhalten. Das ist der Weg ins autoritäre Europa, schreibt M. Höpner im neuen “Makroskop”. – Ein sehr wichtiger Beitrag, den ich unbedingt empfehle. Er zeigt, wie sich die EU-Kommission im Gewand der “Koordinierung” immer mehr Kompetenzen aneignet, die ihr qua Gesetz nicht zustehen – und wie neoliberale Politik durch die Hintertür kommt