Auf Biegen und Brechen – verletzt Spanien den Rechtsstaat?
Der spanische Sozialist Sanchez hat sich mit den Stimmen von Separatisten erneut zum Regierungschef wählen lassen. Die Opposition sieht den Rechtsstaat in Gefahr.
Bei der Abstimmung im Parlament in Madrid erreichte Sánchez 179 von 350 Stimmen und damit die absolute Mehrheit. Entscheidend für seine Wiederwahl war die Unterstützung von zwei katalanischen Parteien.
Ihnen hat Sanchez ein Amnestiegesetz zugesagt, das hochumstritten ist und das Land seit Wochen spaltet. Die PP und die rechtsextreme Vox-Partei werfen Sánchez einen Rechtsbruch und Machterhalt um jeden Preis vor.
Die PP warnte, Spanien könne nun wie Polen oder Ungarn ins Visier der EU geraten. Dahinter steht ein Vorstoß der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament. Sie hat eine Debatte in Straßburg angesetzt.
Das Amnestiegesetz gefährde die Einheit des Landes und sei rechtsstaatlich höchst problematisch, erklärte EVP-Chef Weber in Brüssel. Auch die EU-Kommission hat von Sánchez Aufklärung verlangt.
Bisher hat die Kommission nur Ungarn und Polen wegen mutmasslicher Verstöße gegen den Rechtsstaat sanktioniert. Spanien hat derzeit den EU-Vorsitz – ein Rechtsstaats-Verfahren gegen Madrid wäre eine Sensation…
P.S. Mehr als 50 spanische Offiziere im Ruhestand haben ihre aktiven Kameraden dazu aufgerufen, den gerade wiedergewählten Pedro Sánchez abzusetzen. Der Aufruf zeige die Radikalisierung der Rechten, schreibt der “Spiegel”….
Unabhängigkeitsbestrebungen in einem Teil eines Landes sind praktisch immer im Gegensatz zu den geltenden Gesetzen. Es hat aber keinen Sinn, nationale Einheit durch Gesetze erzwingen zu wollen. Amnestiegesetze bedeuten, dass man akzeptiert, dass bestimmte Forderungen politisch gelöst werden müssen und man daher darauf verzichtet, ihnen mit dem Strafgesetz entgegenzutreten.
Tatsächlich macht im konkreten Fall die spanische Strafjustiz keinen unparteiischen Eindruck; nicht umsonst wurde die Auslieferung Puigdemonts auf der Grundlage spanischer Europäischer Haftbefehle in manchen Ländern abgelehnt. In Spanien wiederum wurden daraufhin weitere derartige Haftbefehle ausgestellt, so dass das Ganze wirklich wie ein Krieg aussah, in dem die spanische Justiz instrumentalisiert wurde bzw. sich hat instrumentalisieren lassen. Damit verliert sie ihre Unparteilichkeit. Insofern könnte man argumentieren, dass durch Amnestiegesetze der Missbrauch der spanischen Justiz zum Kampf gegen die Unabhängigkeitsbewegung repariert würde.
Was eigentlich die Bürger von Madrid durch eine etwaige Unabhängigkeit Kataloniens zu verlieren hätten, erschließt sich mir ohnehin nicht. Aber die Nichtkatalanen in Spanien scheinen sich zu einem großen Teil in einer antikatalanischen Haltung zusammenzufinden.
Das Problem Spaniens scheint darin zu bestehen, dass man sich zwischen der franquistischen Einheitsideologie und Vorstellungen einer Föderalisierung nicht klar entschieden hat. Sicher nicht hilfreich sind aber Einmischungen wie das unqualifizierte Geschwätz von Herrn Weber.