Anmerkungen zur Iran-Attacke
Der massive militärische Angriff des Irans auf Israel wirft viele Fragen auf. Manches war wohl anders, als offiziell dargestellt.
Das fängt schon damit an, dass die Attacke hätte vermieden werden können – wenn der Westen die Bombardierung des iranischen Konsulats in Damaskus verurteilt hätte. Hat sie aber nicht – obwohl Israel einmal mehr gegen das Völkerrecht verstoßen hat.
Zudem weist vieles darauf hin, dass Israel und die USA vorab über den iranischen Angriff informiert waren. Es gab Kanäle über die Türkei und die Schweiz. Israel und die Alliierten konnten sich also vorbereiten. Iran wußte dies – das Ganze wirkt deshalb wie eine Inszenierung.
Trotz aller Vorbereitungen scheint Iran aber Treffer erzielt zu haben. Es gibt Berichte, dass israelische Militärstützpunkte anvisiert und teilweise auch getroffen wurden. Die westliche Darstellung, 99 Prozent der Drohnen und Raketen seien abgefangen worden, ist zweifelhaft.
An der Verteidigung Israels war offenbar auch Frankreich beteiligt. Paris soll auf Bitten Jordaniens aktiv geworden sein. Die Bundeswehr hat die französische Armee dabei unterstützt. Damit wären die beiden größten EU-Staaten mehr oder weniger direkt involviert.
Last but not least wäre anzumerken, dass Iran nicht so isoliert ist, wie es nach der – letztlich gescheiterten – Attacke aussieht. Seit Januar ist das Land Mitglied der BRICS-Gruppe. Neue Sanktionen, wie sie die EU nun offenbar plant, könnten damit abgefedert werden…
Siehe auch Die EU spricht mit zwei Stimmen und vergißt den Auslöser
P.S. Bemerkenswert ist auch, wie unterschiedlich die EU in der Ukraine und in Israel vorgeht. Man könne und dürfe die Kriegsführung der Ukraine nicht beeinflussen, heißt es seit zwei Jahren in Brüssel. Aber bei Israel ist man nicht so zimperlich – Brüssel bekniet Jerusalem regelrecht, nicht allzu hart gegen Iran zurück zu schlagen…
Stef
16. April 2024 @ 09:27
Das ist die eine Seite der Machtdemonstration, die @Umbhaki feststellt. Die zweite Seite bemerkt @Arthur Dent, der Westen ist langsam out of ammo.
Was aber noch hinzukommt, ist die weitere industrielle und ökonomische Dimension. Hunderte billiger iranischer Drohnen wurden mit hochwertigen und teueren Flugabwehrwaffen abgeschossen. Wie lange kann das Israel im Ernstfall durchhalten? Nicht nur, dass die Luftabwehrwaffen nicht mehr im Westen auf Lager liegen, die Produktionsgeschwindigkeit kann auch nicht einfach potenziert werden (da haben es Länder mit staatlichen Waffenschmieden deutlich leichter). Und selbst wenn man dies lösen könnte, würde dieser Kampf absehbar ins ökonomische Abseits führen.
Was der Westen inkl. Israel gerade auf die harte Tour lernt, ist dass er nach fünfzig Jahren globaler “full spectrum dominance” auf intensive, breite und andauernde Konflikte und die mit diesen verbundene Abnutzung, den Ressourcenhunger und die daraus resultierenden dauerhaften volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entbehrungen in keiner Weise vorbereitet ist. Im Gegensatz zu seinen vermeintliche Oponnenten China, Russland und Konsorten, die wir unsere Produktionskapazitäten weitgehend ausgelagert haben.
Die Äußerungen diverser Politiker in Richtung einer “Kriegswirtschaft” sollten vor diesem Hintergrund verstanden werden. Es geht nicht um ein paar mehr Panzer und Raketen zulasten von ein paar Straßen und Autos. Es geht um die Umlenkung volkswirtschaftlicher Ressourcen in großem Stile Richtung Militär und Rüstung. Wollen wir wirklich Russland, China und den Brics (zu den übrigens Iran inzwischen gezählt werden darf) militärische Wirksamkeit angesichts eskalierender Konflikte entgegensetzen, werden
– entweder im großen Stil Schulden gemacht oder der Sozialstaat wird rasiert,
– Ingenieure und andere Fachkräfte ins Militär und die Rüstungsindustrie geholt zu Lasten der zivilen Industrien (Stichwort: Mega-Fachkräftemangel),
– die militärisch erforderlichen Rohstoffe und Energien werden krigswichtige Güter, die nur noch dann für zivile Zwecke verwendet werden dürfen, wenn die militärischen Zwecke befriedigt sind
– und die dafür erforderliche propagandistische und repressive Begleitmusik wird im Stile der Corona-Zeit zu einer dauerhaften Einrichtung.
Ich bin stattdessen für westlichen Bescheidenheit, Verständigung und Diplomatie. Und ich bin für ein postatlantisches Europa, damit wir diese Entscheidung treffen können und nicht die USA an unserer statt.
umbhaki
15. April 2024 @ 21:36
Was die (wenigen) Treffer des Irans angeht:
Fefes Blog macht auf einen X-Tweet von Scott Ritter aufmerksam, der dem ganzen Vorgang noch mal eine deutliche Wendung gibt:
https://twitter.com/RealScottRitter/status/1779649118928810163
Demnach hat Iran den Israelis und den Amerikanern reichlich vorab seinen Angriff angekündigt und folglich auch damit gerechnet, dass ein Großteil seiner Projektile abgefangen würde.
Aber sie haben zwei Ziele, namentlich die Luftwaffenstützpunkte Nevatim und Ramon getroffen, wobei das „beste Radarüberwachungssystem der Welt“ offenbar machtlos war. Das dürften andere Raketen gewesen sein als die übrigen.
Was zu beweisen war, aus iranischer Sicht. Sie haben mal kurz den Israelis und den Amis klargemacht, dass Iran nicht nur Raketen hat, die relativ leicht abgefangen werden können, sondern auch solche, die durchkommen.
So gesehen war die ganze Nummer so eine Art Leistungsdarstellung. Es heißt, Iran wolle nicht weiter eskalieren, sondern anzeigen, dass sie bei einer eventuellen Eskalation mit Macht kontern könnten.
Arthur Dent
15. April 2024 @ 21:14
„Der Proxy erpresst gerade den Westen mit mehr Angriffen auf russische Raffinerien, wenn nicht bald zusätzliche Luftabwehrsysteme geliefert werden.“ – Die Luftabwehrsysteme (Patriot) wurden gerade in Israel „verballert“. Der „Westen“ is running short of ammunition. Obwohl unsere Außenministerin vor einigen Tagen gesagt hat, man könne der Ukraine kein Patriot-System mehr überlassen, gibt man jetzt doch ein weiteres System (aus Beständen der Bundeswehr) an die Ukraine (und schwächt damit die eigene Verteidigungsfähigkeit). Daher auch die Aufforderung an Israel, es jetzt gut sein zu lassen und nicht weiter zu eskalieren. Vermutlich sind auch Israels Bestände an Luftabwehr-Raketen zusammengeschrumpft und man kann sie nicht so ohne weiteres auffüllen.
Stef
15. April 2024 @ 20:20
Der Vergleich zwischen Israel und der Ukraine hinkt. Israel ist ein Verbündeter, mit dem man sich konsultiert. Die Ukraine ist ein Proxy, den man verheizt.
Wer ernsthaft glaubt, der westlichen Politelite würde es auch nur ein bisschen um die ukrainische Freiheit und Wohlfahrt gehen, glaubt vermutlich auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
ebo
15. April 2024 @ 20:32
Einem Proxy kann man sagen, was zu tun ist – einem Verbündeten nicht. Doch in der Praxis läuft es genau andersherum…
Stef
15. April 2024 @ 20:37
Der Proxy erpresst gerade den Westen mit mehr Angriffen auf russische Raffinerien, wenn nicht bald zusätzliche Luftabwehrsysteme geliefert werden. Das ist nicht der Unterschied.
Eher das: Der Proxy ist ersetzbar. Deshalb muss mit dem renitenten Verbündeten auch verhandelt werden. Den kann man nicht einfach fallen lassen.
ebo
15. April 2024 @ 20:43
Eher so: Der Proxy ist ein US-Proxy. Deshalb kann und will die EU da nichts melden – obwohl es sie direkt betrifft…
Stef
16. April 2024 @ 07:06
Das stimmt natürlich und gilt universell…