Altmaier vor Malmström

Die europäische Handelspolitik ist vergemeinschaftet, nur die Kommission darf im Namen der EU verhandeln. Das hindert Merkels neuen Wirtschaftsminister nicht, einen Alleingang zu wagen.

Noch vor Handelskommissarin Malmström reist Altmaier am Montag nach Washington, um mögliche Kompromisse im Streit um die geplanten US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium auszuloten.

Diese Zölle treten am Freitag in Kraft – also am zweiten Tag des EU-Gipfels, der am Donnerstag in Brüssel beginnt. Die EU-Kommission will dann europäische Gegenmaßnahmen einleiten.

Doch ähnlich wie im Streit um EU und Euro-Reform steht auch hier Berlin auf der Bremse. „Ich möchte nicht, dass wir in einen Handelskrieg geraten zwischen Europa und den USA“, so Altmaier.

Seine Wortwahl ist verräterisch. „Wir“, also die Deutschen, sehen uns offenbar nicht als Teil Europas, sondern als eigenständige Akteure – auch wenn die Handelspolitik in den Händen der EU liegt.

Und „wir“ wollen diesen Streit durch noch mehr Freihandel lösen, womöglich durch eine neue transatlantische Partnerschaft (TTIP)? Nein, das wollen „wir“ nicht. Dafür wurde die Bundesregierung nicht gewählt.

Sie wurde auch nicht dafür gewählt, den Verteidigungshaushalt massiv aufzustocken, wie dies die USA fordern. Die SPD hat das in der Nato vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel klar abgelehnt.

Dennoch laufen Altmaiers Worte genau darauf hinaus. Der langjährige Merkel-Vertraute übergeht sowohl die Wünsche der Wähler als auch das vertraglich fixierte Mandat der EU-Kommission.

Für ihn zählen offenbar nur die Interessen der deutschen Wirtschaft – und das, obwohl sie mit ihren Exportüberschüssen weltweit auf Kritik stößt. Ein denkwürdiger Start ins neue Amt…

Siehe auch „Aus dem Gleichgewicht“ und „Den Schuss nicht gehört“

WATCHLIST:

  • Am Montag treffen sich die EU-Außenminister. Für den neuen deutschen Ressortchef Maas wird es eine Premiere. Er muss gleich zwei heiße Eisen anfassen: die Eskalation zwischen UK und Russland – und den Streit um das iranische Atomprogramm.  Offenbar will die EU neue Sanktionen gegen Moskau  und Teheran – startet Maas als kalter Krieger?
  • Wie reagiert Europa auf die Wiederwahl des russischen Zaren Putin? FDP-Mann Kubicki fordert das Ende der westlichen Sanktionen, Kanzlerin Merkel ließ sie eben erst verlängern. Was die Frau, die fast so lange wie Putin an der Macht ist, nicht daran hindert, das Russland-Geschäft anzukurbeln und neue Pipelines zu bauen – zur Not auch gegen die EU.

WAS FEHLT?

  • Eine Haltung der EU zu Afrin. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini hat sich zum letzten Mal Anfang Februar zum Vormarsch der Türkei geäußert – mit vorsichtiger Kritik . Doch jetzt, da Sultan Erdogan die türkische Fahne in Syrien hisst, schweigt die Italienerin. In Frankreich wird derweil der Ruf nach einer Flugverbotszone laut.
  • Fortschritt beim Brexit. Bei der Konfrontation mit Russland stellt sich die EU hinter Premier May, beim Brexit geht nichts voran. Honni soit qui mal y pense! Jetzt bringt der britische Brexit-Ausschuß eine Verschiebung des Austritts ins Gespräch. Bisher Oktober müsse man sich einigen, sonst soll ein Aufschub her. Eigentlich soll in einem Jahr Schluß sein…
  • Aufklärung beim Giftgas-Angriff. Der russische EU-Botschafter wies darauf hin, dass die britische Chemiewaffen-Forschungseinrichtung Porton Down nur 13 Kilometer vom Tatort Salisbury entfernt liege. „Absurd“, heißt es in London. Am Montag wird eine Delegation der Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Großbritannien erwartet.