Abfuhr für die Ukraine, Ablasshandel mit der Türkei – und von der Leyens neue Kleider

Die Watchlist EUropa vom 20. Mai 2022

Nach Frankreich hat auch Deutschland der Ukraine eine Abfuhr erteilt. Einen schnellen EU-Beitritt werde es nicht geben, sagte Kanzler Scholz bei einer Regierungserklärung im Bundestag. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron habe Recht, dass der Beitrittsprozess der Ukraine “keine Sache von ein paar Monaten oder einigen Jahren” sei.

Eine Extrawurst wäre unfair gegenüber den Ländern des westlichen Balkans, so Scholz. Dort warten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nord-Mazedonien, Serbien bereits seit mehr als 20 Jahren auf das begehrte Ticket in die EU. Auch diese Länder haben einen Krieg hinter sich – genau wie die Ukraine, die noch monatelang weiterkämpfen will.

Normalerweise kann ein Land im Krieg sich nicht einmal um den Beitritt bewerben. Die Kopenhagener Kriterien für einen EU-Beitritt sehen vor, dass es keine großen Konflikte mehr geben darf und das Land sich selbst tragen muß. Bei der Ukraine kann davon keine Rede sein – sie braucht jeden Monat 5 Mrd. Euro, nur um die nötigsten Staatsgeschäfte weiterzuführen!

“Zweitklassige Behandlung”

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Doch Kiew besteht auf einem Blitzbeitritt – und macht Druck. “Wir brauchen keine Ersatzmittel für den EU-Kandidatenstatus, welche die zweitklassige Behandlung der Ukraine zeigen und die Gefühle der Ukrainer verletzen”, schrieb Außenminister Dmytro Kuleba kurz nach Scholz’ Rede auf Twitter. „Bestimmte Länder“ verhielten sich zweideutig.

Es ist der mittlerweile schon gewohnte Versuch, Scholz in die Ecke zu stellen. Doch diesmal wird das nicht klappen, denn Scholz und Macron ziehen an einem Strang. Der Beitritt der Ukraine sei eine Sache von Jahren oder Jahrzehnten, sagte der französische Staatschef nach seiner Wiederwahl Anfang Mai.

Vom Gipfel in den Wartesaal

Man müsse daher darüber nachdenken, eine Alternative anzubieten, etwa eine lockere „europäische politische Gemeinschaft“. Ganz ähnlich argumentiert jetzt auch EU-Ratspräsident Michel. In einer Rede hat sich Michel am Mittwoch für die Schaffung einer „europäischen geopolitischen Gemeinschaft“ ausgesprochen.

Beim EU-Gipfel im Juni dürften Michel, Macron und Scholz gemeinsam dafür sorgen, dass die Ukraine in den Wartesaal muß. Allenfalls könnte das Land den Status einen Beitrittskandidaten bekommen. Vermutlich sind auch noch ein paar Milliarden drin – die EU-Kommission plant ja schon Kriegsanleihen.

Doch eine Mitgliedschaft im Hauruck-Verfahren, wie sie Kuleba will, wird es nicht geben…

Watchlist

Welche Zugeständnisse müssen Schweden, Finnland und die USA machen, damit die Nato-Norderweiterung kommt? Auch nach einem Besuch der beiden Beitrittskandidaten bei US-Präsident Biden in Washington ist das unklar. Der amerikanische Führer der Nato gab sich zwar sicher, dass der Streit mit der Türkei schnell beigelegt werden könne. Doch der Ablasshandel um Kurden, Waffen und Menschenrechte geht weiter, ein Ende ist nicht absehbar… – Siehe auch “Unsicherheit in der Nato”

Was fehlt

Die neuen Kleider der Kommissionspräsidentin. Ursula von der Leyen präsentiert sich neuerdings stolz in einem ukrainischen Vyshyvanka, als einem traditionellen Kostüm. So wolle sie die ukrainische Kultur feiern, teilt sie auf Twitter mit. “In these difficult times, we stand with our Ukrainian friends”, heißt es weiter. Schade, dass sie nicht auch ein kurdisches Kostüm überstreift. Auch die Kurden erleben “schwere Zeiten”, weil sie vom EU-Partner Türkei angegriffen werden. Aber das ist natürlich gaaaaanz was anderes…