Warum schont ihr Merkel?
Am Tag zwei nach der Bundestagswahl schießen sich die Medien ein – auf Seehofer und Schulz. Doch die Frau, die die größte Klatsche von den Wählern bekommen hat, wird geschont: Kanzlerin Merkel.
Warum? Wieso finden SPON, ZEIT & Co. kein Wort der Kritik an einer Politikerin, die am Tag nach ihrer größten Wahlniederlage sagt, sie habe alles richtig gemacht und würde auch niemals nichts ändern?
Wieso sezieren unsere Medien jedes Zitat eines AfD-Provokateurs, aber nicht ein einziges der Kanzlerin? Wieso verfolgen sie jede Regung ihrer neuen Buddies aus Jamaika, und nicht die Manöver im Kanzleramt, wo die Strippen zusammen laufen?
Dem geneigten Leser muss es angesichts dieser merkwürdigen Perspektive scheinen, als liefe es fraglos auf Merkel zu, und als könne sie in aller Ruhe alle kommen lassen. Dabei ist SIE es doch, die eine Mehrheit braucht, nicht Seehofer oder Schulz.
Hinter dieser Berichterstattung steckt System. Denn Merkel & ihre Medien versuchen genau diesen Eindruck zu erwecken: Sollen die anderen zappeln, sie ist und bleibt der ruhende Pol. Sollen die anderen Vorschläge machen, sie sucht sich die besten aus.
Für unsere Hauptstadt-Presse scheint dies das Normalste der Welt, sie hält Merkels Politik-Verweigerung für die höchste Form der Politik. Dass man das auch ganz anders sehen kann, beweist ein Beitrag meines Kollegen J. Quatremer in Libération.
Unter der Überschrift “Die faule Königin” seziert er die Europapolitik der angeblich mächtigsten Frau der Welt. Fazit: Nur im Nein-Sagen war sie groß, nie hat sie eigene Vorschläge für die Weiterentwicklung der EU gemacht.
Der Begriff “fainéant” ist übrigens eine Anspielung auf den in den deutschen Medien so beliebten Präsidenten Macron, der die Gegner der umstrittenen, deutsch inspirierten Arbeitsmarktreform als “fainéants” beschimpft hat…
Siehe auch “Was Merkel geschafft hat – und was nicht”
hemei2
27. September 2017 @ 19:51
Wenn gehören die meisten Presseerzeugnisse? Springer und Bertelsmann. Also Chris Mohn und Friede Springer, persönlich befreundet mit Merkel. Soll jemand beruflichen Selbstmord begehen?
Anderer Max
27. September 2017 @ 14:43
Wir brauchen mehr Verschwörungstheorien, weil die unglaublich weiterhelfen.
Wie läuft das denn ab, bestellt Steffen Seibert die gekauften Journalisten (ALLE! ALLLE GEKAUFT!) montags morgens ins Kanzleramt und brieft die dann “In den kommnenden 4 Wochen keine Kritik an der Kanzlerin, sonst …” Eben – Was sonst? Es gibt in Deutschland keine Internierungslager für nicht-systemtreue Journalisten.
Warum recherchiert niemand hier den geheimen Briefings her? Kann mir einer von euch Theoretikern einen Beweis vorlegen (falsifizierbar und repoduzierbar), dass Merkel auch nur einen Journalisten gekauft hat?
Fragt doch mal die Journalisten slebst einfach, warum sie so verfahren, wie sie verfahren, anstatt direkt eine hochkomplexe Verschwörung anzunehmen.
Auch Journalisten wollen Geld verdienen, eine Karriere machen und haben evtl. auch eine eigene Meinung / politische Einstellung nach der sie verfahren.
Dort sollte man ansetzen, statt eine Verschwörung axiomatisch anzunehmen.
Andreas Mülller fühlt sich hier pudelwohl.
Baer
27. September 2017 @ 08:59
Wer die Deutchlandfahne auf offener Bühne verschwinden lässt, hat kein Volk.
Frau Merkel bricht Gesetze und muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden.
Was an dieser Frau bewundernswert sein soll erschließt sich mir nicht so ganz.
Vielleicht ihre Fähigkeit Dinge aus zu sitzen.
Das ist für eine Führungskraft deutlich zu wenig.
hintermbusch
27. September 2017 @ 07:20
Sehr gut beobachtet, danke.
Es gibt unglaublich viele Beobachter aus verschiedensten Lagern, die nicht einsehen wollen, dass Merkel von den wichtigsten Medien aktiv vor Kritik geschützt wird.
Das ist wie ein blinder Fleck.
Peter Nemschak
27. September 2017 @ 09:48
Keine Verschwörungstheorie sondern eine banale Erklärung: die Medien müssen sich erst an die veränderten Umstände gewöhnen. Bald werden die Journalisten auf FDP und Grüne fokussieren, weil sie für die nächste Regierungsbildung entscheidend sind. Der beabsichtigte Gang der SPD in die Opposition dürfte manche Journalisten aus dem Konzept gebracht haben. Neue Geschichtsdeutungen und Zukunftsphantasien sind noch in Produktion.
ebo
27. September 2017 @ 10:08
Fakt bleibt, dass Merkel eine Mehrheit braucht, nicht Lindner oder Özdemir. Fakt ist auch, dass Junckers und Macrons Reden auf Merkel zielen. Indem die Medien immer auf den Kleinen herumhacken und den Scheinwerfer auf Nebenschauplätze richten. blenden sie die Ränkespiele der Kanzlerin aus.
kaush
26. September 2017 @ 16:35
Ich zitiere mal aus der gestrigen Sondersendung im ZDF, nach der 19:00 Heute-Sendung:
“Merkel wird vorgeworfen, sie hätte den Kontakt zu ihrem Volk verloren”
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen… wir sind Merkels Volk…
Zu diesem Volk gehöre ich bestimmt nicht.
Soweit unser Qualitäts-Journalismus.
Oudejans
26. September 2017 @ 20:26
>>““Merkel wird vorgeworfen, sie hätte den Kontakt zu ihrem Volk verloren”“
Kann ich nicht nachvollziehen. Sie war doch klar & deutlich im TV! Nicht aus irgendeinem Keller, per iPhone oder was noch.
Oudejans
26. September 2017 @ 16:01
>>”Unter der Überschrift “Die faule Königin” seziert…”
Wann publiziert die Feindpresse endlich wieder auf Deutsch? (Interessanterweise publiziert sogar die BBC u.a. auf Französ. und Spanisch, aber nicht auf Deutsch. Siehe end of page: http://www.bbc.com)
Claus
26. September 2017 @ 15:34
Resümee: Frau Merkel und ihre medialen Hofschranzen halten es vermutlich für höchst verwerflich und unlauter, die Kanzlerin mit der CDU-Politik oder gar dem, was in der Regierung gelaufen ist, irgendwie Verbindung zu bringen.
Ute Plass
26. September 2017 @ 14:26
@Nemschak – “Obwohl es den Ostdeutschen heute materiell ungleich besser als in der DDR geht, Milliarden westdeutscher Steuergelder über eine Generation dorthin geflossen sind, waren viele unzufrieden, haben sich abgehängt gefühlt und die europafeindliche AfD statt europafreundliche Parteien gewählt.”
Diese, Ihre doch recht schlichte, Analyse bedarf der Korrektur und Ergänzung:
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-trost-des-nationalismus-1
Peter Nemschak
26. September 2017 @ 17:01
Soziale Ungleichheit gibt es auch im Westen. Das erklärt nicht den Hang zum Autoritarismus im Osten, und zwar nicht nur in Ost-Deutschland sondern auch in Ungarn, Polen, Kroatien und anderen ehemals kommunistischen und vor dem 2.Weltkrieg autoritär geführten Ländern. Eine politikwissenschaftliche Untersuchung in einer einkommenschwachen Region Österreichs hat ergeben, dass Identität, die Furcht vor kultureller Verdrängung durch den Islam und nicht Einkommen der ausschlaggebende Grund für die Zustimmung zur rechtspopulistischen FPÖ ist. Die Konkurrenz zum Niedriglohnsektor entsteht durch internationalen Handel und vor allem Roboterisierung. Dazu bedarf es keiner Migranten. Latenten Rassismus finden Sie in allen sozialen Schichten.
Anonymous
26. September 2017 @ 12:32
Ja, lieber Eric, diese Frage stelle ich mir auch. Das die sog. Leitmedien in der BRD damit ihren Ruf schädigen, scheint sie entweder nicht zu stören oder aber sie merken es nicht. Verschwörungstheoretikern gibt das jedenfalls neues Futter.
Peter Nemschak
26. September 2017 @ 12:26
Die Roten sollen von ihren eigenen Fehlern nicht ablenken und mit dem Finger auf Merkel zeigen. Immerhin hat Merkel, wenn auch mit Abnützungsverlusten die Wahlen gewonnen. Der hochgelobte Schulz hat nicht gehalten, was sich manche von ihm versprochen haben. Obwohl es den Ostdeutschen heute materiell ungleich besser als in der DDR geht, Milliarden westdeutscher Steuergelder über eine Generation dorthin geflossen sind, waren viele unzufrieden, haben sich abgehängt gefühlt und die europafeindliche AfD statt europafreundliche Parteien gewählt. Weder eine gut gehende Wirtschaft noch das Friedensprojekt EU sind politische Zugpferde. Zufriedenheit stellt sich erst ein, wenn es allen gleich schlecht geht. Das wichtigste für einen Politiker ist daher ein guter Magen.
ebo
26. September 2017 @ 13:21
Die CDU hat trotz hoher Wahlbeteiligung 1,6 Millionen Wähler verloren, sie ist in allen (!) Wahlkreisen geschwächt. Zudem hat die Merkel-Partei die meisten Wähler an die AfD verloren.
Peter Nemschak
26. September 2017 @ 14:23
Das stimmt. Es sind, das ist unbestritten, nach vielen Jahren an der Macht, Abnützungseffekte zu spüren. Es gibt, auch das ist offensichtlich, eine nicht zu übersehende Gruppe von Leuten mit Identitätsängsten, besonders ausgeprägt im Osten, wo die Idee einer pluralistischen Gesellschaft noch schwach verankert ist. Dies wird auch die Integration Osteuropas in die EU erschweren. Wertvorstellungen sind eben sehr unterschiedlich. Gut 40 Jahre Kommunismus haben ihre Spuren hinterlassen.
EdwinK
1. Oktober 2017 @ 06:09
„Es gibt, auch das ist offensichtlich, eine nicht zu übersehende Gruppe von Leuten mit Identitätsängsten, besonders ausgeprägt im Osten, wo die Idee einer pluralistischen Gesellschaft noch schwach verankert ist. Dies wird auch die Integration Osteuropas in die EU erschweren. Wertvorstellungen sind eben sehr unterschiedlich. Gut 40 Jahre Kommunismus haben ihre Spuren hinterlassen.“
Mit Verlaub Herr Nemschak Ihre Behauptung ist glatter Unsinn. Sie bestätigt noch einmal meine These: Die meisten Geschichts-Experten udn Historiker haben von der Sowjetunion und den Staaten des Warschauer Paktes überhaupt keine Ahnung. In der Sowjetunion war einer der pluralistsichsten Gesellsschaftsmodelle etabliert die es jemals gab!
In der Sowjetunion lebten viele Völker sehr friedlich miteinander ob Tataren,Russen,Baschkiren,Tschetschenen,Georgier,Ukrainer usw. Erst nach dem Zerfall des Kommunismus und dem Aufblühen des Nationalsimus brachen Konflikte und Kriege innerhalb Russlands aus!
Ein Bekannter von mir aus Kroatien, erzählte mir eine Ähnliches über das ehemalige Jugoslawien. Unter dem Kommunisten Tito waren alle Völker auf dem Balkan vereint und lebten sehr friedlich miteinander.
Erst nach dem Zerfall des Kommunistsichen Blocks und dem Aufblühen des Islamismus, der ethnische Säuberungen durchführte begannen die Kriege und Konflikte in Jugoslawien.
Das gleiche gilt übrigens für Ukraine. In der Ukraine werden gegenwärtig Nazis verehrt und Minderheiten gejagt. Der Pluralismus wird zerstört!
Claus
26. September 2017 @ 15:25
@Peter Nemschak: ” . . . die europafeindliche AfD statt europafreundliche Parteien gewählt”?
Lieber Herr Nemschak, es hilft immer, die Unterschiede zwischen “europafeindlich” (kann man einem geographischen Kontinent gegenüber feindlich sein?) und “EU-feindlich” erkennen und artikulieren zu können. Aber Sie scheinen mit diesem Defizit nicht allein zu sein.
Pjotr56
26. September 2017 @ 12:07
Warum schont ihr Merkel? Weil Merkelkritiker in den meisten deutschen Medien um ihre Beschäftigung fürchten müssen, wer opportunistisch schreibt, der bleibt.