Zuckerbrot und Peitsche für Italien
Steuert der Budgetstreit mit Italien auf eine gütliche Einigung zu? Oder kommt mit dem EU-Defizitverfahren eine gefährliche Kettenreaktion in Gang? Aus Brüssel kommen widersprüchliche Signale.
„Wir machen Fortschritte“, sagt EU-Kommissionschef Juncker. Er will am Freitag oder Samstag beim G-20-Gipfel in Buenos Aires auch ein Treffen mit Italiens Ministerpräsident Conte haben.
Es wäre schon das zweite innerhalb nur einer Woche. Bereits am vergangenen Samstag hatten sich beide in Brüssel getroffen. Danach lobten sie die freundschaftliche Atmosphäre.
Doch es gibt auch ganz andere Nachrichten: Wie Diplomaten in Brüssel berichten, haben die EU-Staaten dem von der Juncker-Kommission angestoßenen Defizitverfahren zugestimmt.
Juncker spielt also mit Zuckerbrot und Peitsche. Wenn seine Gespräche mit Conte im Sande verlaufen, dürfte die Kommission in den nächsten Wochen ganz offiziell das Strafverfahren starten.
Doch auch dieses Verfahren ist in sich widersprüchlich. Im Extremfall könnte es nämlich zu hohen Milliardenstrafen führen, die das Defizit in Italien vergrößern würden – dabei fordert Brüssel eine Senkung.
Zudem dürfte ein EU-Verfahren den EU-Gegnern in Rom noch mehr Gegner zutreiben. Deren Wortführer, Innenminister Salvini, legt schon jetzt in den Umfragen zu. Juncker spielt also ein gefährliches Spiel…
…dessen ökonomische Begründung immer mehr wackelt. Italien steht nämlich im globalen Vergleich gar nicht so schlecht da – trotz des Schuldenbergs von 130 Prozent und des geplanten Defizits von 2,4 Prozent.
Rechnet man die private Verschuldung mit, so wäre Luxemburg das größte „Stabilitätsrisiko“ in der EU, gefolgt von Irland und Portugal. Italien spielt bei den Schulden in einer Liga mit China und den USA…
Siehe auch „Gefährdet Italien die Stabilität?“
Alexander
30. November 2018 @ 22:41
Ein lesenswertes Interview zum Thema:
https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/400/es-liegt-an-deutschland-5517.html
„Die Verträge sind eine Fehlkonstruktion. Wir haben eine Währungsunion geschaffen, in der kein Land mehr eine Notenbank hat. Das ist völlig absurd: Da fällt man als EU-Land hinter die Möglichkeiten eines Entwicklungslandes zurück.“
„Die Zentralbank kann durch Ankäufe von Staatsanleihen die Spreads auf jede beliebige Höhe drücken. Beispiel Japan: Wie hoch sind die Zinsen? Null! Weil die japanische Zentralbank praktisch alle Staatsanleihen auf ihrer Bilanz hat.“
Georg Soltau
1. Dezember 2018 @ 19:51
Hallo Alexander sehr interessanter und aufschlussreicher Beitrag von Kontext, vielen Dank für den Hinweis, hoffe nur der Peter liest und begreift diesen auch.
Peter Nemschak
2. Dezember 2018 @ 17:19
Was würde passieren, wenn Italien eine eigene Währung, eine eigene Notenbank hätte und diese die Zinsen auf Null senkte ? Wer würde dann noch italienische Staatsanleihen kaufen?
Peter Nemschak
30. November 2018 @ 17:16
@ebo Die USA hat ihre Finanz- und Bankenkrise eleganter gelöst als die Europäer. Um die Banken zu stabilisieren, hat der amerikanische Staat die Banken gezwungen staatliches Geld anzunehmen und damit die bisherigen Aktionäre teilweise enteignet. Nach der Krise wurden die Banken (oft mit Gewinn für den Staat) reprivatisiert. In Europa hatte man die nicht unberechtigte Sorge, dass sich der Staat aus den Banken nie wieder zurückziehen würde und hat daher die Altaktionäre und Großgläubiger geschont. Ersatzweise wurden die Banken mit Sondersteuern belegt. Dass die italienischen Banken heute in der Krise stecken, hat sehr wohl mit der jahrelang korrupten staatlichen italienischen Klientelpolitik zu tun, die jetzt dem Land nachhängt. Wo sind die Anzeichen, dass es die derzeitige italienische Regierung besser machen würde? Wahlgeschenke verteilen mag populär sein, klingt aber nicht nach zukunftsorientierter Reformpolitik. Reformpolitik ist unpopulär und schwer durchsetzbar, solange man an den Kosten nicht alle Schichten, auch die Wohlhabenden einer Bevölkerung beteiligt. Das hat bisher weder Griechenland noch Italien getan.
Peter Nemschak
30. November 2018 @ 14:37
Würde man Italien, die USA und China in Sachen Staatsschulden vergleichen, läge der Schluss nahe, dass Italien eine eigene Währung benötigt. Soweit geht nicht einmal Salvini.
ebo
30. November 2018 @ 15:03
Würde man die Schulden von Unternehmen und Haushalten mitzählen, so müßte die EU ein Defizitverfahren gegen Luxemburg einleiten. So weit geht nicht einmal Juncker 🙂
Peter Nemschak
30. November 2018 @ 15:40
Warum sollte man diese mitzählen? Unternehmen und Private, welche ihre Schulden nicht mehr bedienen können gehen in Konkurs. Diese Aussicht bremst das Verlangen der Gläubiger ihr Geld zu verleihen.
ebo
30. November 2018 @ 15:45
Wenn das so einfach wäre! Irland und Spanien rutschten in die Krise, weil die privaten Banken bis über beide Ohren verschuldet waren. Am Ende haben die Steuerzahler die Zeche gezahlt. Im Kern war die Eurokrise denn auch keine „Staatsschuldenkrise“, wie immer gesagt wird, sondern eine Finanz- und Bankenkrise. Auch in Italien haben wir es vor allem mit einer Bankenkrise zu tun!