Zu spät gebrüllt

Der Kommissionschef gibt sich kämpferisch, doch die Schlacht ist schon fast verloren…

Die EU macht mobil gegen die Schuldenkrise: Eine Finanztransaktionssteuer, ein schärferer Stabilitätspakt und irgendwann auch Eurobonds wurden heute von EU-Kommission und Parlament auf den Weg gebracht. Die Presse jubelt: Europa zeigt endlich Zähne! Doch die meisten Maßnahmen gegen an den wirklichen Problemen vorbei. Gegen die akute Eurokrise werden sie wenig bis nichts bewirken – dafür kommen sie schlicht zu spät.

Kommissionschef Barroso gab sich kämpferisch: “Es ist jetzt an der Zeit, dass der Finanzsektor einen Beitrag zur Gesellschaft leistet”, sagte Barroso in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union in Straßburg. Seine Behörde will deshalb die Banken über eine Finanztransaktionssteuer zur Kasse bitten. Sie könne 55 Mrd. Euro jährlich einbringen und zur Konsolidierung der Finanzen beitragen.

Klingt gut, fast ein bisschen nach Attac. Der deutsche Mitgründer S. Giegold begrüßte den Vorschlag denn auch. Doch vermutlich wird die Steuer nie das Licht der Welt erblicken – denn Großbritannien will mit allen Mitteln dagegen kämpfen. Und selbst wenn man es ohne Briten machte: dann wird das Geld nicht der EU, sondern den Mitgliedstaaten zugute kommen. Eine neue, noch dazu eigene EU-Steuer gönnt Brüssel nämlich nicht mal die deutsche Bundesregierung.

Sand ins Getriebe wird die Steuer ohnehin kaum streuen – dafür ist sie zu niedrig und dafür läuft die Spekulationsmaschine schon längst zu heiß. Vor der Finanzkrise 2008 hätte eine Tobin-Tax noch helfen können, doch damals war Barroso strikt dagegen. Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen, wie die Eurokrise zeigt. Die meisten Finanzgeschäfte werden zudem auf dem grauen Markt jenseits der Bankschalter gemacht – auch die Spekulation gegen den Euro läuft so.

Was den verschärften Stabilitätspakt betrifft, so geht er an den realen Problemen vorbei. Einige Euro-Krisenländer (Irland, Spanien) haben nie gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen; andere (Portugal, Italien) leiden vor allem unter schwachem Wachstum. Und gegen gefälschte Statistiken wie in Griechenland kann der beste Pakt nichts ausrichten…

Ich habe aber auch einen grundsätzlichen Einwand: Welchen Sinn macht es eigentlich, so genannte “Schuldensünder” mit Geldstrafen zu belegen, wenn sie an den Märkten ohnehin abgestraft werden und höhere Risioaufschläge zahlen müssen? Die Märkte ahnden Überschuldung derzeit viel härter als es die EU jemals könnte – sogar so hart, dass dies Europa in die Krise stürzt. Wozu dann noch eine weitere Peitsche (siehe dazu auch den interessanten Beitrag auf Ideas on Europe)? 

Zu den Eurobonds muss man wohl nicht mehr viel sagen. Barroso hat sie zwar in “Stabilitätsanleihen“ umgetauft, um Deutschland zu gefallen – doch die schwarzgelbe Regierung in Berlin wird sie trotzdem abschmettern, wie selbst die Tagesschau online süffisant anmerkt…


 

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