Wo Erdogan recht hat, warum der EGB unruhig wird – und Eklat um Borrell

Die Watchlist vom 07. September 2022 –

Wir stehen nicht im Verdacht, dem türkischen Sultan Erdogan nach dem Mund zu reden. Immer wieder haben wir seine neo-osmanische Politik und seine Agression gegen Griechenland und die EU kritisiert.

Doch wo er recht hat, hat er recht. “Europa erntet, was es gesät hat”, sagte Erdogan am Dienstag in Ankara. Die gegen Russland verhängten Sanktionen hätten unweigerlich dazu geführt, dass die Gaslieferungen unterbrochen werden.

“Putin setzt alle seine Mittel und Waffen ein. Erdgas ist das wichtigste davon.” Erdogan folge damit der Argumentation des Kreml, behauptet dpa. In Wahrheit sagt er nur, dass Russland auf die EU-Sanktionen reagiert – auf seine unnachahmliche Art.

Wer das leugnet, muß schon ziemlich weltfremd sein. Darauf weist auch “Welt”-Autor F. Lübberding hin:

Allerdings ist die Energiekrise nicht nur auf Putin und die EU-Sanktionen zurückzuführen. Eine zentrale Rolle spielt auch der europäische Energiemarkt. Auch er reagiert auf die Signale aus Brüssel; schon die Andeutung neuer Sanktionen führt zu heftigen Ausschlägen.

Die EU hat grob fahrlässig gehandelt

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Die Annahme, dass die Märkte nicht auf den Wirtschaftskrieg reagieren würden, war weltfremd. Die EU hat grob fahrlässig gehandelt, als sie das Ziel der “Unabhängigkeit” von russischer Energie deklarierte, ohne an den Gaspreis zu denken.

Doch das darf man in Brüssel nicht mehr offen aussprechen. Für den Sprecher von Kommissionspräsidentin von der Leyen ist nur einer schuld: Putin. Und die Märkte sind sakrosankt – genau wie in der Eurokrise, als Spekulanten offen gegen Griechenland wetteten.

Dass die Märkte damals beinahe die Eurozone zerstört hätten, hat man offenbar schon vergessen. Und dass die Ratingagenturen heutzutage damit drohen, den deutschen Energiekonzern Uniper in die Pleite zu downgraden, offenbar auch…

Watchlist

Der europäische Gewerkschaftsbund EGB hat vor den Auswirkungen der hohen Energiepreise für Millionen Geringverdienende gewarnt. In 16 der 27 EU-Länder müssten Beschäftigte mit Mindestlohn mittlerweile ein Monatsgehalt oder mehr für die hohen Energierechnungen zurücklegen, teilte der Gewerkschaftsbund unter Verweis auf eine Untersuchung mit. Vergangenes Jahr sei dies nur in acht Mitgliedstaaten der Fall gewesen – “und die Kosten steigen weiter”. Kein Wunder, dass die Gewerkschaften nervös werden…

Was fehlt

Der Eklat um eine Rede des EU-Chefdiplomaten Borrell. Moskau hat den Wortlaut einer Rede des Spaniers angefordert, in deren Übersetzung Russland als “faschistischer Staat” bezeichnet worden war. Der Sprecher Borrells betonte, es handele sich um einen Übersetzungsfehler. “Bislang haben wir keinen konkreten Plan, wie wir das faschistische Russland und sein faschistisches Regime besiegen können“, soll Borrell gesagt haben. Sein Sprecher behauptete, dass es sich um einen Übersetzungsfehler handele…