Wie Juncker die Türkei protegiert
Können die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weitergehen, als wenn nichts geschehen wäre? Und lässt sich der Flüchtlingspakt noch retten? Österreich sagt Nein, Kommissionschef Juncker hält dagegen.
Die Beitrittsgespräche könnten nur mit einem einstimmigen Votum aller 28 EU-Länder gestoppt werden, so Juncker. Auf Nachfrage eines österreichischen Journalisten hat er das heute bekräftigt.
Doch die Wahrheit ist etwas komplizierter. Nur der endgültige Abbruch muss einstimmig beschlossen werden. Eine vorläufige Unterbrechung ist dagegen auch mit qualifizierter Mehrheit möglich, wie dpa meldet.
Ähnlich sieht es beim Flüchtlingspakt aus. Juncker schickt gerade ein Experten-Team nach Ankara, um die umstrittene Visa-Liberalisierung voranzutreiben und den Streit um die Terror-Gesetze zu lösen.
Er hofiert damit Sultan Erdogan und sein neues, autoritäres (und mittlerweile auch aggressives) Regime. Dabei hat sich an der Verfolgung von Journalisten als “Terroristen” nicht geändert – im Gegenteil.
Mittlerweile werden auch Forscher und Unternehmer belangt, die im bloßen Verdacht stehen, mit Erdogans Erzfeind Gülen zu sympathisieren. Es ist eine regelrechte Hexenjagd entbrannt.
Doch darüber möchte die EU-Kommission nicht sprechen. Erdogan wird protegiert – vom Chef persönlich. Dass er sich damit ein EU-Mitglied (Österreich) brüskiert, scheint ihn nicht zu stören…
Diesen Beitrag habe ich auch auf Linkedin gepostet – dort wird er rege diskutiert...
Peter Nemschak
24. August 2016 @ 14:18
Juncker denkt langfristig, die österreichische Regierung kurzfristig und an den Rechtspopulisten orientiert. Ausnahmsweise liegt Juncker richtig. Er denkt geopolitisch.
ebo
24. August 2016 @ 14:59
@Nemschak Juncker denkt geopolitisch? Er folgt Merkel, das ist alles. Die geopolitische Lage hat sich gerade dramatisch verändert. Wenn Juncker strategisch denken würde, würde er Erdogan jetzt mit Abbruch drohen, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen…
Peter Nemschak
24. August 2016 @ 15:29
Nur weil Erdogan seine Gegner malträtiert, heißt das noch lange nicht, dass die Türkei für die EU kein strategischer Partner ist, auch wenn eine Vollmitgliedschaft in der EU nicht nur wegen Erdogan nicht die richtige Option wäre. Andere Akteure der Region behandeln ihre Gegner noch weit schlechter. Trotzdem unterhalten wir diplomatische Beziehungen mit ihnen. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die EU Erdogan bei seinem internen Machtkampf gegen Gülen aufhalten kann. Wir sollten uns nicht in die inneren Angelegenheiten der Türkei einmischen und diese belehren. Die Türkei muss selber wissen, in welche Richtung sie gehen will. Die jetzige, seien Sie versichert, ist nicht der Weisheit letzter Schluss.