Wie der Rat manipuliert

Eklat im Europaparlament: Die Abgeordneten weisen empört die Behauptung des irischen Ratsvorsitzes zurück, man habe sich auf das Budget für 2014 bis 2020 geeinigt. Dies sei eine “üble Manipulation”, schimpft Parlaments-Experte Böge (CDU) – und wirft seinen Posten hin. Es ist nicht die einzige Irreführung.

“Manipulation”, “Erpressung”, “Irreführung”: Selten haben die Europaabgeordneten so laut über den Ministerrat geschimpft wie heute. Der irische Ratsvorsitz hatte zuvor behauptet, Rat und Parlament hätten sich auf das neue EU-Budget geeinigt.

In Wahrheit liegen den Abgeordneten noch nicht einmal die Dokumente zur angeblichen Einigung vor. Die wichtigsten Streitfragen – etwa die flexible Nutzung der rund 1 Billion Euro oder die Revision des Schrumpf-Budgets – sind ungeklärt (siehe “Kein Zukunftsbudget”).

Offenbar sind die Iren öffentlichkeitswirksam vorgeprescht, um dem Europaparlament eine Zustimmung aufzunötigen. “SPON” meldete auch brav den angeblichen Erfolg. Zu Deutsch nennt man das Überrumpelung oder Erpressung.

Doch es ist beileibe nicht das erste Mal, dass Abgeordnete und Bürger übergangen und in die Irre geführt werden. Während in Brüssel noch der Streit um das Budget tobte, bereitete die EU in Luxemburg schon den nächsten Coup vor.

Die Eurogruppe will sich über die Warnung aus Zypern hinwegsetzen, das kürzlich vereinbarte “Rettungs”paket führe die Insel in den Ruin (siehe “Brandbrief aus Zypern”). Änderungen seien nicht geplant, stellte Finanzminister Schäuble klar.

Dabei beruht das Programm auf einer Lüge: statt 18 Mrd. wie zunächst behauptet braucht Zypern mindestens 23 Mrd. Euro, um die drohende Pleite zu verhindern.

Doch die “Retter” stellen nur 10 Mrd. bereit – und sehen eiskalt zu, wie die Wirtschaft des Landes abschmiert. Die Öffentlichkeit wird hinters Licht geführt – genau wie vor dem Bailout, den Berlin mit allen Mitteln verzögerte hat (siehe “Bewusste Irreführung”).

Die nächste Irreführung ist schon geplant: Nächste Woche wollen die EU-Chefs ein angeblich ehrgeiziges Programm für Wachstum und gegen Jugendarbeitslosigkeit verabschieden.

Doch das Programm ist nur ein Aufguss alter, nie umgesetzter Beschlüsse aus den letzten Monaten. Und das zu seiner Finanzierung nötige Geld steht gar nicht zur Verfügung, solange der Budgetstreit mit dem Parlament tobt.

Vielleicht ist das auch der wahre Grund für den Coup der Iren? Nur wenn sie den EU-Abgeordneten Gewalt antun, können Kanzlerin Merkel und die anderen Chefs auf ihrem Gipfeltreffen eine schöne neue Euro-Welt vorgaukeln.

In dieser EU-Welt gibt es kein Zypern-Problem, das Wachstum wird gefördert und die Jugendarbeitslosigkeit entschlossen bekämpft. Zu dumm, dass ausgerechnet ein CDU-Mann wie Böge diese schöne Inszenierung zerstört…

P.S. Böges Rücktritts-Erklärung steht hier. Ich habe ihn als seriösen und integren Politiker schätzen gelernt…