Was wäre, wenn?
In Brüssel gibt es für die Eurokraten derzeit nur ein Thema: die Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum umstrittenen Anleihekaufprogramm der EZB. Zwar sieht es derzeit so aus, dass Karlsruhe dem Programm mit einem “Ja, aber” zustimmen wird. Doch was wäre, wenn nicht? Drei Szenarien.
Nach den beiden Verhandlungstagen in Karlsruhe macht sich in Brüssel Erleichterung breit. Denn im Mittelpunkt der Debatten vor dem Bundesverfassungsgericht stand das “wie”, nicht das “ob” des Anleiheprogramms.
Der Vorsitzende Voßkuhle und seine Kollegen denken offenbar über eine “Einhegung” des OMT-Programms nach, z.B. über eine stärkere Einbindung des Bundestags oder eine größere Konditionalisierung über den EMS.
Doch gleichzeitig machte das Gericht ein neues Fass auf – und brachte eine Vertragsänderung zur “Klärung” des EZB-Mandats ins Spiel.
Dies weckt bei vielen Experten die Sorge, dass Karlsruhe das OMT-Programm nicht nur einhegen, sondern bis zu einer Vertragsänderung auf Eis legen könnte. Was dann? Was passiert, wenn…
- Karlsruhe den Anleihekauf begrenzt: Dies wäre eine Einladung an Spekulanten, die Entschlossenheit der EZB zu testen; die Eurokrise würde von vorne beginnen, die Eurostaaten müssten den ESM voll ausschöpfen oder sogar ausbauen.
- Karlsruhe den Anleihekauf vorläufig stoppt, um eine Vertragsänderung zu erzwingen: auch dies würde eine neue Spekulationswelle gegen den Euro auslösen und Länder wie Italien oder Spanien an den Rand des Abgrunds bringen.
- Karlsruhe die Bundesbank auffordert, sich aus dem OMT zurückzuziehen: Dies hätte ähnliche Folgen wie das zweite Szenario – aber mit der Weiterung, dass dies den Austritt Deutschlands aus dem Euro einleiten könnte.
In allen Fällen müsste Deutschland mit massiven Vorwürfen seiner Euro-Partner rechnen. Um eine schwere Krise zu vermeiden, müsste Berlin höchstwahrscheinlich tief in die Tasche greifen und neuen teuren “Rettungs”maßnahmen zustimmen.
Die Kläger hätten damit wohl so ziemlich das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollten. Die Euro-“Retter” würden sich wieder auf den ESM stürzen, der undemokratischsten und am wenigsten kontrollierten Einrichtung.
Der ESM müsste dann wohl massiv aufgestockt werden – Spanien erwägt schon jetzt, sich dafür (und ein Ende des deutschen Vetorechts) einzusetzen.
Sollte sich Berlin all dem verweigern, würde dies den Abgang mehrerer Krisenländer oder den Austritt Deutschlands aus dem Euro bedeuten – mit allen negativen Folgen für die Wirtschaft.
Am Ende stünden wir wieder mit einer überbewerteten DM da – und einem ruinierten internationalen Ruf. Ob das dann mit mehr Demokratie verbunden wäre, ist zweifelhaft…
Siehe zu diesem Thema auch “EZB vs. Buba vs. Demokratie”
Benno
14. Juni 2013 @ 09:07
“Die Euro-”Retter” würden sich wieder auf den ESM stürzen, der undemokratischsten und am wenigsten kontrollierten Einrichtung.”——————
Das hiesse ja, dass die EZB-Massnahmen demokratischer wären. Tatsächlich sind target2. ELA, STEP, OMT, SMP, LTRO nicht demokratischer, denn im EZB-Rat hat D das gleiche Stimmgewicht wie Malta. Die Südstaaten sind in der Überzahl. Hier werden Haftungsrisiken geschaffen, auf die der BT keinen Einfluss hat.
Die Krisenstaaten haben übrigens genug Privatvermögen (die größer als die der Deutschen sind), die Reichen dort sollten mehr patriotische Abgaben leisten. Statdessen werden Steuerzahler anderer Staaten zur Kasse gebeten. Der Lebensstandard der Deutschen fiel im Euro bereits markant auf Platz 17.
Der Euro ist am Ende und kann nur durch massive Transfers, also Vermögensumverteilung von Nord nach Süd am Leben erhalten werden.
Die Eurorettung lässt in den Krisenstaaten den kleinen Mann zahlen (in Gr wird nach wie vor erst Luxussteuer auf Yachten > 10,50m Länge erhoben) in D profitieren die Exportfirmen vom Euro und auch hier zahlt der kleine Mann, nicht zuletzt durch schlechtes Bildungssystem, fehlende Innovation und Infrastruktur.
Eine Aufwertung der DM war für den deutschen Export nie ein Problem, der wurde nach jeder Aufwertung größer. Da fast 50% der Exporte in Form von Vorleistungen, Energie und Rohstoffe eingefühhrt werden, wird der Preisvorteil an die exportpreise weitergegeben.
Soll den das Fehlkonstrukt Euro auch noch die Demokratie kosten? Die Demokratie sollte uns einiges wert sein. Sowohl in den Krisenstaaten als in D wird die Demokratie für den Euro beschnitten. Die Bankenunion wird der nächste Schlag. der Zweck heiligt nicht die Mittel. Und Recht ist genug verletzt worden in dieser Eurozone. Zeit zu den eigentlichen Werten (Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Selbstbestimmung) zurückzukehren.
CAW
13. Juni 2013 @ 23:29
Excuse me! Hardliner? Weicheier?
Es gilt, die Dinge zu Ende zu denken; kurzfristig wäre das sicher für D nicht gut, aber das andere ist langfristig für den großen Rest Eurolands noch viel weniger gut! Oder sieht hier irgendeiner Lösungen z.B. für eine ganze Generation an Arbeits- und Ausbildungslosen Menschen?! Vielleicht träumt einer davon, diese Masse in die Mongolei oder nach Tibet als arbeitssuchende Kleinstbauern zu exportieren, oder so?
Hätte es bisher auch nur den winzigsten Anschein eines Einlenkens derjenigen Kräfte gegeben, die den Euro als Gelddruckmaschine missbrauch(t)en, dann wäre ich der erste, der lieber mit dem krampfenden Euro an dessen Genesung arbeitete als durch das Tal der Tränen eines Scheiterns gehen zu müssen.
Da jedoch gar nichts darauf hindeutet, daß es eine einheitliche und auch funktionierende europäische Wirtschafts- und Sozialunion geben könnte bevor uns der Rest der Welt wahlweise vollends an die Wand spielt oder auch um die Ohren fliegt und in der Folge wir nur noch am untersten Ende des Bettelstabs anderer hängen werden, sollten wir das hochgradig naive, in allen wesentlichen Punkten gescheiterte Experiment einer einheitlichen Währung über uneinheitlich aber nachhaltig egoistischen Wirtschaftsräumen endlich geordnet abwickeln!
Wir würden uns damit in die Lage versetzen , an den wirklichen Problemen unserer Zeit zu arbeiten anstatt sich tagtäglich neue dreckige Tricks einfallen lassen zu müssen, in welcher Potenz man welches nicht vorhandene Kapital im wievielten Hebel gegen Unendlich nochmal wie oft irgendeinem Rettungsfetzen zuordnen kann, um so zu tun, also sei das beherrschbar, was keiner mehr versteht – und das ausschließlich zum aber großkotzigen Wohle einer winzigen Minderheit während die Masse sich seinerseits ganz langsam zu verkrampfen beginnt.
Man kann auch abgekürzt sagen: während China sich 24/7 auf die Zukunft vorbereitet, schoß und schießt sich Europa tagtäglich tiefer in die Vergangenheit.
Und man kann fragen, wozu man Gesetze und Regeln geschaffen hat, wenn man sie beliebig auslegen darf bzw. kann und ab wann das auch für Jederman gilt?!
Thomas
13. Juni 2013 @ 23:06
ebo,
alle anderen sind die ewige Diskussion müde. Der Euro ist die beste aller Lösungen, dass muss man eigentlich nicht diskutieren. Nur einige populistische Kritiker wollen gern raus. Deren Mitläufer schreiben dafür alle Internetkommentare voll.
Benno
14. Juni 2013 @ 09:10
“…. die beste aller Lösungen”
Ich frage mich immer, wieso nur die Eurozonenstaaten so klug sind, das zu sehen:
auf der Welt gibt es 193 souveräne Staaten und 165 Währungen.Nur Zwergstaaten (z.B. Monaco, San Marino…) und die weitblickenden klugen Eurozonenstaaten haben die beste aller Lösungen. Können all die 165 Staaten nicht die beste aller Lösungen sehen?
Thomas
14. Juni 2013 @ 09:26
Wie viele von den 165 Waehrungen werden frei gehandelt? 20 sind fest an den Euro gebunden und nochmal deutlich mehr an den Dollar.
Benno
14. Juni 2013 @ 11:08
Nun, auch die Schweiz hat ihren Franken an den Euro gebunden, hat also eine wirtschaftspolitische Entscheidung frei getroffen. Diese Bindung kann die Schweiz, je nach Gegebenheiten wieder aufheben. Die Euroländer haben keine Möglichkeit der Auf- oder Abwertung mehr um auf wirtschaftspolitische Herausforderungen zu reagieren.
In den Euro kamen Staaten, die regelmässig abgewertet haben, um ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Diese Möglichkeit haben die Krisenstaaten jetzt nicht mehr, es bleibt nur die innere Abwertung (Lohn und Preis runter) oder eben Transfers.
Soll das die “beste aller Lösungen” sein? Nicht zu vergessen: Erst der Euro machte die Verschuldung der Südstaaten (private Haushalte und unternehemen) möglich, erst wegen dem Euro haben sich französiche, deutsche und britische Banken so sehr mir den Südstaaten eingelassen. Ohne Euro wäre selbst eine Pleite (wenn sie denn eintreten würde) Zypern oder Griechenlands nicht systemrelevant und würde das Weltfinanzsystem gefährden. Wäre Moldawien pleite, würde das keine gravierenden Auswirkungen auf das Weltfinanzsystem haben. Aber selbst das kleine Zypern gefährdet die Eurozone angeblich in den Grundfesten.
Auch vor dem Euro waren einige europäische Währungen in einer Währungsschlange. Die Möglichkeit der Staaten währungspolitisch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stützen war vorhanden, jetzt im Euro ist dieser Weg versperrt.
Thomas
14. Juni 2013 @ 11:24
Die Schweiz hat lediglich einen floor festgelegt. Die Waehrungen, die ich meinte, sind aber beideseitig fixiert. So eine Bindung kann man nur unter schweren Verwerfungen (gar nicht so viel anders als bei einem Euroausstieg) aufgeben.
Nun haben sich auch amerikanische und britische Unternehmen und Privathaushalte zwischen 2002 und 2008 zu stark verschuldet. Ist das auch die Schuld des Euros oder gibt es vielleicht doch eher Ursachen in einem aus dem Ruder gelaufenen weltweiten Boom?
Benno
14. Juni 2013 @ 14:01
1. Die Gesamtverschuldung (Staat, private Haushalte, Nicht-Bankensktor und Finanzsektor) der USA betrug Ende 2.Q 2011 “nur” 279% des BIP. Die von Spanien betrug 363% des BIP (Frankreich: 346%, italien 314%). Allerdings ist die Gesamtverschuldung Japans und Grossbritanniens wesentlich höher.
2. Die sogenannte Eurokrise mit der Schuldenkrise oder Staatsschuldenkrise zu erklären, greift zu kurz, denn es blendet die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen aus. Alle Krisenstaaten haben ihre negative Leistungsbilanz im Euro ausgebaut und ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren. Der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit kann nicht mehr durch Wechselkursanpassungen ausgeglichen werden.
Um die Ursachen der “Eurokrise” zu beheben, sollten Vergleichsrechnungen aufgestellt werden, und vor allem auch langfristige Kosten berücksichtigt werden. Ist es dauerhaft billiger den eigenen Export zu subventionieren oder ist es langfristig nicht billiger aus der WU auszusteigen? Nur: wer kann eine solche Rechnug aufstellen? All die “Experten” haben vor dem Euro vehement geleugnet, dass es je eine solche Krsie geben könnte, deren Expertise ist für mich nicht glaubwürdig. Und lagen auch mit ihren Voraussagen bisher immer falsch.
Aber zurück zum Artikel: Ich glaube, Das BVerfG wird – wie bisher – ein Ja mit kleinem Aber beschließen, schließlich werden vor dem Urteil Fakten geschaffen. Die Zukunft wird zeigen, wie es mit der Eurozone weiter geht.
ebo
13. Juni 2013 @ 22:02
Merkwürdig, bisher kommen nur Kommentare, die die EZB in die Schranken weisen möchten und über die “Weicheier” in Karlsruhe klagen. Dabei habe ich in meinem Post doch gezeigt, was passieren würde, wenn sich die Hardliner durchsetzen. Für Deutschland wäre dies mit Sicherheit nicht gut…
Winner
13. Juni 2013 @ 21:08
Das mit der starken DM wird sich wahrscheinlich schnell erledigen, wenn allen Bewusst wird mit
welchen Belastungen Deutschland dann konfrontiert ist.
Die Wirtschaft wird einbrechen und der Kurs der DM zurück kommen.
GS
13. Juni 2013 @ 18:21
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht den Euro kippt. Dafür haben die nicht die Eier, wie die vorangegangen Urteile zu Eurorettungsfragen gezeigt haben.Stattdessen wird Recht gebeugt und gebrochen, wie es nur geht. Das Gericht, aber auch die anderen politischen Akteure haben in erster Linie Angst davor, vor ihren Freunden in Europa schlecht auszusehen. Drum wird auch alles mitgemacht.
CAW
13. Juni 2013 @ 11:06
Keine Angst, das Desaster ist und hat Programm; das wird wachsweich durchgewunken, und dann ab in den Urlaub!