“Vorsprung durch Täuschung”
Erst “bad, very bad”, nun “dishonest”: Die Kritik an der deutschen Wirtschaftspolitik reißt nicht ab. Diesmal kommt sie nicht von US-Präsident Trump persönlich, sondern von einem ehemaligen Reuters-Journalisten.
Und es geht auch nicht um den Handel, sondern um die Skandalserie in der deutschen Autoindustrie. Sie erreicht mit den Kartell-Vorwürfen, die nun die EU-Kommission (halbherzig) prüft, einen neuen Höhepunkt.
Lesenswert ist diese Kritik nicht nur, weil der Autor den deutschen Herstellern den Spiegel vorhält. Der Slogan “Vorsprung durch Technik” sei reine Heuchelei, es müsse wohl eher “Vorsprung durch Täuschung” heißen, schreibt er.
Pikant ist auch der Vorwurf, Deutschland wolle immer den Lehrmeister spielen und dem Rest der Welt seine Regeln aufdrängen, halte sich aber selbst nicht daran.
Da ist was dran, oder?
Der zitierte Beitrag steht hier (Website von Politico). Dieser Post wurde zuerst auf piqd veröffentlicht.
kaush
30. Juli 2017 @ 11:02
Ich sehe da eher eine Hexenjagt.
An dem Kartellvorwurf wird sich am Ende nicht viel finden. Kein Fleisch am Knochen.
Aber das ehemalige Nachrichtenmagazin Spiegel hat seine Klicks gehabt.
Peter Nemschak
29. Juli 2017 @ 19:30
Dass manipuliert wurde, ist nicht neu und passiert seit Jahren. Wo sind der TÜV geblieben oder investigative Techniker – es gibt sicher genügend Insider, die im Unfrieden von den Autobauern ausgeschieden sind – die ein persönliches Interesse haben, ihren ehemaligen Vorgesetzten zu schaden und sich dabei zu profilieren? Korporatismus kann nicht die Erklärung dafür sein, dass dies nicht geschehen ist. Auch italienische Autobauer sollen manipuliert haben – kein deutsches sondern ein in der Autoindustrie verbreitetes Phänomen.
Alexander
29. Juli 2017 @ 13:47
“Germany Has an Arrogance Problem”
https://foreignpolicy.com/2017/04/27/germany-is-getting-too-arrogant-merkel/
Ich hätte ein Beispiel dafür, dass Deutschland sich völkerrechtlich bindend verpflichtet hat, bis spätestens 2010 bestimmte Gesetze im Bereich der Gesundheit zu erlassen und dass nun die Lobby eine Regelung ab 2020 verhindert hat! Vertragstreue? Ist nur etwas für Schwächlinge!
Peter Nemschak
30. Juli 2017 @ 14:32
Mit Verlaub, anderswo als in Deutschland ist es nicht anders. Das hat mit Arroganz nichts zu tun, vielmehr damit, dass der Druck vom Markt bisher nicht stark genug war. Was das Dieselproblem betrifft, wird die Öffentlichkeit erst aufwachen, wenn innerstädtisch häufige und großflächige Dieselfahrverbote aus Umweltgründen verhängt werden. Dann wird das Erwachen böse sein, wenn der Wiederverkaufswert von bestimmten Dieselfahrzeugen gegen null tendiert. Bis dahin ist es, machen wir uns nichts vor, der Mehrheit schlicht egal. Damit hat auch die Autoindustrie, bisher nicht ganz zu Unrecht, gerechnet. Die Zukunft gehört der E-Mobilität. Sie wird schneller kommen als es die Gesetzgeber in Europa verlangen – aus Profitüberlegungen der Industrie, nicht zuletzt weil China zumindest im Massenmarkt bereits voran ist und man verhindern will, dass das zukünftige Oberklassensegment vom amerikanischen Tesla dominiert wird. Der Wettbewerb wird auch diesmal die Entwicklung vorantreiben.
Peter Nemschak
29. Juli 2017 @ 13:23
Dazu bedarf es keines Korporatismus. Alle Autobauer waren von den (wahrscheinlich) überzogenen Abgasvorschriften gleichermaßen betroffen. Es liegt nahe, dass sie sich absprechen, um den Vorschriften auszuweichen. Die offenbar nicht besonders intelligenten Vorschriften, vor allem, was die Testmethoden betrifft, wurden von Bürokraten gemacht, welche das Umgehungsrisiko hätten erkennen müssen. Den meisten Autofahrern ist es egal, was hinten herauskommt, solange der Verbrauch stimmt, und nicht einmal dann, wenn man sieht, wie viele Spritfresser nach wie vor nachgefragt werden.
ebo
30. Juli 2017 @ 11:26
Die Abgasnormen werden nicht von Bürokraten festgelegt, sondern von Experten im sog. Komitologie-Verfahren. Transparenz gleich null. Lobbyismus extrem. Die deutschen Autolobbyisten haben die Normen immer wieder verwässert – und sie dann trotzdem nicht eingehalten, und auch das wieder vertuscht.
Peter Nemschak
30. Juli 2017 @ 13:34
Welche Verantwortung für die Folgen ihrer Bewertung haben die Experten? De facto sind es die Bürokraten, de jure die Politiker, die entscheiden.
Reinard
29. Juli 2017 @ 12:34
Moralisch-ethisch sind die o.g. Attribute ja alle angebracht. Aber im Raubtierkspitalismus sind diese Verfehlungen allenfalls Werkzeuge der Konkurrenz, dem Konkurrenten eine reinzuwürgen um ihn zu schwächen. Mehr nicht.
ebo
29. Juli 2017 @ 12:57
In Deutschland herrscht kein Raubtierkapitalismus, sondern Korporatismus vulgo Kungelei.