Vor dem Gipfel: EU-Spitzen hofieren Erdogan

Eine Woche vor dem nächsten EU-Gipfel treffen sich die EU-Spitzen zu einem Videogespräch mit dem türkischen Sultan Erdogan. Der schickt sich gerade an, die pro-kurdische Oppositionspartei HDP verbieten zu lassen. Dennoch will die EU die Zusammenarbeit ausweiten.

Ratspräsident Michel und Kommissionschefin von der Leyen halten am Freitag einen Mini-Gipfel mit Erdogan ab. Dies kündigte von der Leyens Sprecher an. Eine Erklärung zum drohenden HDP-Verbot hatte er nicht parat. Die soll später folgen.

Das ist typisch für die Stimmung in Brüssel. Hier wird alles getan, um Erdogan zu hofieren und den Weg für Beschlüsse beim EU-Gipfel der kommenden Woche zu ebnen. Dort soll das Verhältnis zur Türkei neu bewertet werden – natürlich im deutschen Sinne.

Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas werben seit Wochen für eine “positive Agenda”. Sie sieht nicht nur eine Fortsetzung des umstrittenen Flüchtlingsdeals vor, sondern auch neue Handels- und Reiseerleichterungen, etwa über eine “Modernisierung” der Zollunion.

Nun wird es konkret. Dass auch von der Leyen mit Erdogan spricht, zeigt, dass man in die Details gehen will. Mein Tipp: Erdogan bekommt noch mehr Geld für “seine” syrischen Flüchtlinge (die er von der Weiterreise nach Deutschland abhält) und andere Zückerchen.

Von Sanktionen hingegen wird keine Rede sein – oder? Dabei ist die Lage in der Türkei mindestens so ernst wie in Russland, wenn nicht noch schlimmer…

Siehe auch “Borrell will neuen Türkei-Deal”

P.S. “Die zweitgrößte Oppositionspartei des Landes zu verbieten, würde die Rechte von Millionen Wählern in der Türkei verletzen”, teilten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und EU-Kommissar Oliver Varhelyi am Donnerstag mit. Von Sanktionen oder anderen Konsequenzen sprachen sie nicht.