Volksabstimmung jetzt?

In Frankreich und den Niederlanden wird der Ruf nach einer Volksabstimmung über den Fiskalpakt lauter. Auch in Deutschland gewinnt die Debatte über ein Referendum an Fahrt. Nach Finanzminister Schäuble haben sich fast alle führenden Politiker für eine Volksbefragung zur Eurokrise ausgesprochen. Doch was soll eigentlich zur Abstimmung stehen? Und was ist, wenn der Schuß nach hinten los geht? 

“Bloß nicht das Volk fragen”: So heißt der Titel einer Radiosendung, die heute im SWR2 ausgestrahlt wird. Neben dem Sprecher von “Mehr Demokratie”, M. Efler, und dem Politikwissenschaftler G. Langguth habe auch ich an dieser Diskussion teilgenommen. Es war keine leichte Übung: denn aus Brüsseler Sicht stellt sich die Frage nach einem Referendum etwas anders als aus der deutschen Perspektive.Das liegt nicht nur daran, dass viele Volksabstimmungen in die Hose gegangen sind – z.B. 2005, als Franzosen und Niederländer den EU-Verfassungsvertrag ablehnten. Das liegt auch daran, dass die EU in der Regel über die Ergebnisse von Referenden hinweggeht und ihre Pläne fast unverändert durch die Hintertür umsetzt (aus der EU-Verfassung wurde unter deutscher Ägide der Lissabon-Vertrag).

Bei einem Nein der Deutschen zur Euro-Rettung wäre dies zwar nicht mehr möglich – dann wäre die Währungsunion wohl endgültig tot. Die zentrale Frage ist aber, was zur Abstimmung gestellt werden soll.Soll es um Eurobonds und eine Transferunion gehen, wie sie den Eurorettern in Brüssel vorschwebt (siehe “Putsch der Exekutive”)? Wohl kaum. Oder um “mehr Europa” im Sinne von noch mehr Budgetdisziplin , wie es offenbar Merkel plant (siehe “Auslaufmodell Fiskalpakt”)? Damit wäre der Demokratie kaum geholfen, im Gegenteil: das autoritäre neoliberale Modell würde gestärkt. Noch fragwürdiger wäre eine Abstimmung über Hilfsanträge in der Eurokrise: Wer jetzt über weitere Hilfen für Griechenland abstimmen ließe, könnte sich eines schallenden Neins sicher sein.

Darum gehe es doch gar nicht, erwiderte Efler, zunächst fordere man nur Referenden über den ESM und den Fiskalpakt. Schön wär’s. Doch dafür ist es schon viel zu spät. Jetzt haben erstmal die Karlsruher Richter das Wort, nicht die Bürger. Außerdem sind Volksabstimmungen zu Detailfragen nicht vorgesehen, da müsse man erstmal das Grundgesetz ändern, wandte Prof. Langguth ein.

Doch das werden Merkel & Co. gewiss nicht tun. Sie versuchen vielmehr, die Referendums-Debatte zu instrumentalisieren, um den Frust der Bürger über ihre gescheiterte Euro-“Rettung” zu kanalisieren – und um Druck auf den Rest der EU auszuüben, nach dem Motto: wenn ihr nicht nach unserer Pfeife tanzt, dann lassen wir eben unser Volk abstimmen, mit allen Konsequenzen…Kurz: eine Volksabstimmung ist ein zweischneidiges Schwert. So berechtigt die Forderung grundsätzlich ist, so gefährlich kann ihre Umsetzung sein – vor allem in der aktuellen Lage, wo die Anhänger einer anderen, sozialen und demokratischen Europapolitik schwach sind und die Populisten aller Lager (und aller Nationen) unheimlich stark…

 

P.S. “Mehr Demokratie” hat gerade eine Kampagne für ein demokratisches Europa gestartet. Darin wird ein EU-Konvent gefordert, aber kein Referendum…