Snowden und der neue Merkel-Hype
Helle Aufregung in der transatlantischen Twitter-Späre. Ein verkürztes Zitat von Kanzlerin Merkel hat einen unglaublichen Hype ausgelöst – sogar die „Washington Post“ und E. Snowden machen mit.
This is an era-defining moment. https://t.co/01NpEriRvv
— Edward Snowden (@Snowden) 28. Mai 2017
Snowden spricht in einem Tweet von einem „era-defining moment“. Die Post schreibt: „Thanks to Trump, Germany says it can’t rely on the United States. What does that mean?“
Ja, was soll das bedeuten? Zuallererst, dass Merkel in den US-Medien falsch oder verkürzt zitiert wurde. Sie hat nämlich nicht gesagt, dass man Trump oder den USA nicht vertrauen kann. Sie hat das hier gesagt:
„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt“.
Bei einem Wahlkampfauftritt im bayerischen Bierzelt mit ihrem Lieblingsgegner Seehofer sagte sie außerdem:
„Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“
Das hat sie allerdings schon im Januar gesagt, beim EU-Jubelgipfel in Rom hat sie es sinngemäß auch noch einmal betont. Taten ließ sie ihren Worten nicht folgen.
Auch diesmal glaube ich nicht, dass sie für ein souveränes, von den USA unabhängiges Europa eintritt. Das machen bisher nur die Franzosen; Präsident Macron hat es sogar zum Programm erhoben.
Merkel möchte nun auf der Macron-Welle mitschwimmen – und die CSU auf ihre Seite holen. Nach der Wahl wird sie wieder auf ihr „deutsches Europa“zurückkommen – und Macron ausbremsen.
Und der Hype in den USA? Nun, auch dort herrscht Wahlkampf – man möchte den Mann mit der orangenen Locke loswerden. Dafür allerdings habe ich größtes Verständnis…
Siehe auch „From bad to worse“ und „Merkel kommt 15 Jahre zu spät“
Andres Müller
29. Mai 2017 @ 13:07
Macron und Merkel haben viele eher unsichtbaren Gemeinsamkeiten, die Meisten davon sind den Stimmbürgern daher unbekannt. Wer weiss schon das Macron in einer elitären Schule (auch als Partnerschafts-Konferenz bezeichnet) für transatlantisch US-Amerikanisch ausgerichtete politische Nachwuchskräfte tätig war.
https://twitter.com/FAF_France/status/864512446995759104/photo/1?ref_src=twsrc%5Etfw&ref_url=http%3A%2F%2Ffrench-american.org%2Fen%2F
Es ist das französische Pendent der Deutsch-Amerikanischen Young-Leaders
https://fr.wikipedia.org/wiki/French-American_Foundation
Wer weiss schon dass diese Eliten „Denkfabriken“ bzw. Konfernezen von eben jenen transatlantischen Denkschmieden wie die Atlantische Brücke geformt wurden und werden zu deren aktiven einflussreichen Mitgliedern auch Angela Merkel gezählt wird. Übrigens findet derzeit (seit 8 Mai 2017 unter weitgehendem Ausschluss bzw. Unwissen der Öffentlichkeit die 39 US/Deutsche Youngleaders Konferenz in Santa Monica USA statt.
http://www.atlantik-bruecke.org/eng/information/events/Sie dauert noch bis am 8.11.2017. Der Öffentlichkeit ist wenn schon nur ein Konferenz-Teil davon bekannt der jeweils in Deutschland stattfindet. https://www.acgusa.org/young-leaders/2016-young-leaders-conference/
Sowohl Emmanuel Macron als auch Angela Merkel gehören einem elitären transatlantischen politisch-wirtschaftlichem Kreis an der dem neuen US Präsidenten Donald Trump vermutlich immer weniger geneigt ist gelassen zuzusehen. Da diesem Netzwerk eine grosse Zahl führender Chef-Redakteure grosser Medienkonzerne angehören kommt nun wohl der Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich eine erweiterte früher nicht gefragte Bedeutung hinzu -nämlich den Trump früher oder später entweder auszuschalten oder ihn zur „Vernunft“ zu bringen.
Marc
29. Mai 2017 @ 12:53
Ach, wir hatten unser Schicksal bisher „nicht wirklich“ in den eigenen Händen? Wir waren also nicht souverän? Wow! Das schröder’sche Nein zum Irak Krieg sagt mir aber, dass wir es in der vor der Merkel-Ära sehr wohl waren.
Früher, in den guten alten Zeiten ™, musste man für derart hanebüchenen Unsinn noch zurück treten. Seit wir in postfaktischen und postdemokratischen Zeiten leben, geht dieser Irrsinn einfach weiter.
Peter Nemschak
29. Mai 2017 @ 09:37
Was heißt ausbremsen? Im Gegenteil, vielleicht wird sich Macron an die deutsche Politik annähern, zumindest was die Wirtschaftspolitik betrifft. Auch andere Länder wie Österreich sind in der Vergangenheit damit gut gefahren. Die damals de facto Bindung des österreichischen Schillings an die deutsche Mark hat die Unternehmen zu produktivitätssteigernden Maßnahmen gedrängt. Reallohnsteigerungen sind nur durch Produktivitätssteigerung möglich. Wer gleichzeitig weniger Arbeitslose will, muss fossile Energie stärker besteuern und den Faktor Arbeit entlasten. Damit würden auch umweltschonende Technologien interessanter als bisher und die EU könnte den Wettlauf gegen China auf diesem Gebiet für sich entscheiden.