Varoufakis vs. Schäuble – revisited
Nach einer längeren Pause habe ich mir ‘mal wieder das Buch von Y. Varoufakis (“Adults in the Room”) vorgenommen. Es wird ja oft als Abrechnung mit Ex-Finanzminister Schäuble gelesen. Ist es aber nicht.
Wenn es dazu noch eines Beweises bedurfte, so hat ihn Varoufakis mit einem Tweet zum neuen deutschen Finanzminister Scholz geliefert. Darin ärgert er sich über dessen Nominierung eines Goldmans im BMF:
New German FinMin Scholz first declared that politics will not affect economic policy & immediately appointed the co-head of Goldman Sachs to oversee finance. I am already missing Wolfgang Schäuble. At least he did not pretend to be social democratic!
— Yanis Varoufakis (@yanisvaroufakis) 20. März 2018
Wenigstens hat Schäube nicht vorgegeben, Sozialdemokrat zu sein! Das ist Beleidigung und vergiftetes Lob zugleich. Schäuble habe mit offenem Visier gespielt, so Varoufakis. Der SPD-Mann tue es nicht.
Nun zum Buch. Aus der Reihe “Varoufakis lesen” findet sich im 3. Kapitel auf Seite 65 ein – ziemlich bizarrer – Plan zur Umschuldung in Griechenland.
Der griechische Ex-Finanzminister wollte die Bankschulden von den Staatsschulden entkoppeln – und die griechischen Banken in den Besitz der EU überführen! Brüssel hätte sie dann sanieren oder abwickeln sollen.
Gleichzeitig sollten die Staatsschulden erst dann zurückgezahlt werden, wenn die griechische Wirtschaft wieder wächst. Das klingt vernünftig; heute denkt die Eurogruppe über einen ähnlichen Mechanismus nach.
Doch eine Europäisierung der griechischen Banken wäre ein fatales Signal gewesen – für Griechenland und die EU. Es hätte sich nur machen lassen, wenn die EU eine Staat wäre (oder werden würde.)
Ähnlich wie die USA, die bei der Gründung der Föderation die Schulden der Bundesstaaten übernahm, stellt sich Varoufakis wohl auch die Zukunft der EU vor. Doch dabei schießt er weit übers Ziel hinaus.
Umgekehrt lag aber auch Schäuble falsch, als er Griechenland “temporär” aus dem Euro werfen wollte. Das hätte zu einem europaweiten Bankrun und dem Zerfall der Währungsunion geführt.
Hätte sich der immer noch beliebteste Politiker Deutschlands durchgesetzt, würden wir heute wohl schon über den “temporary timeout” für Italien nachdenken.
Verhindert hat es übrigens Frankreichs Ex-Präsident Hollande – Kanzlerin Merkel hätte wohl mitgemacht…
Siehe auch “Varoufakis lesen: Bailoutistan”
Armin
23. März 2018 @ 15:54
Leider wurde dieser Zeitpunkt zur Rückabwicklung des Euro nicht genutzt.
Der Euro hat wie alle Kunstwährungen unter selbständigen Ländern keine Überlebensschance. Alle Kunstwährungen haben ein Mindesthaltbarkeitsdatum. Das scheint der Euro so langsam überschritten zu haben.
Das immer weitere Aufblähen dieses Konstruktes mit Tragets und Rettungsschirmen, erhöht nur die Sprengkraft. Wenn das nicht mehr zu halten ist, zerreisst das nur die EU, auch eine Rückkehr zur EWG dürfte für lange Zeit nicht mehr möglich.
Eher gegenseitige Schuldzuweisungen und die Rückkehr in frühere euopäische Zeiten.
Olli
23. März 2018 @ 19:22
Sie würden wohl Europa am liebsten in die Steinzeit zurück „abwickeln“.
Haben Sie schon mal etwas von Fehler machen und beheben gelesen ?
Soll man jetzt wirklich alles zurück abwickeln was nicht so richtig geklappt hat ?
Dann wäremn wir wirklich bald im Mittelalter angekommen.
Winston
24. März 2018 @ 08:21
Die einzigen die ins Mittelalter ankommen werden sind die Griechen, wenn sie so weiter machen und am Euro festhalten, gefolgt von Spanien, Portugal, Italien und auch Frankreich und selbst Finnland wird Probleme bekommen.
– Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen.
– Kindersterblichkeit ist über 40%.
– Über 50% der griechischen Bevölkerung lebt in bitter Armut.
– Immobilien werden konfisziert und fürn Appel un nem Ei versteigert. Die Inhaber werden auf die Strasse geworfen.
– Jungendarbeitslosikeit von über 60%
Angesichts dieser Zuständen müssten die Linken Amok laufen aber gerade die Linken sind die feurigsten Eurobefürworter.
Ist dass Ihr Europa ?
Damit der Euro einigermassen funktionieren kann braucht es gemeinsame Anleihen (Eurobonds) gemeinsame Arbeitslosenkassen, gemeinsame Sozialsysteme, Transferleistungen. Und selbst dann ist es nicht sicher das er funktioniert. Dies ist schlicht und einfach nicht durchführbar, weder politische noch finanziell. Wer will schon als Fürbitter sein Dasein fristen ? wer will schon 200-300 Mrd. jährlich ausgeben für ein dysfunktionales Projekt ? Das ist ungefähr die Summe die Deutschland ausgeben müsste in Form von Transferleistungen.
Die Griechen haben eine um 50% überbewertete Währung, da sie nicht abwerten können, bleibt nur die innere Abwertung und zwar um 50%, der Lebensunterhalt bleibt aber der gleiche wie in Deutschland. Konsequenzen siehe oben.
Varoufakis meint wohl das Deutschland zahlt, er ist ein Träumer.
Armin hat absolut recht.