Überraschende Studie zum Ende der EU
Seit dem Brexit ist kein Land mehr aus der EU ausgetreten, selbst Rechte und Nationalisten propagieren keinen Austritt mehr. Umso überraschender kommt nun eine Studie zum Ende der EU und ihren wirtschaftlichen Folgen.
Eine Auflösung der EU würde demnach enorme Wohlstandsverluste für die Mitgliedstaaten bedeuten. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf würde in Deutschland um 5,7 Prozent zurückgehen, geht aus der Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts hervor.
Anderswo wäre die Folgen noch drastischer: In Österreich droht demnach ein Minus von 7,8 Prozent, in den Niederlanden von 7,7 und in Belgien von 10,2 Prozent. Für Frankreich und Italien wird der Verlust auf jeweils 4,1 Prozent beziffert.
Besonders hart würde es also Belgien erwischen. Frankreich hingegen käme besser weg als Deutschland. Allerdings erwägt keines der genannten Länder den Austritt oder gar die Auflösung der EU. Deshalb stellt sich die Frage: Warum kommt diese Studie jetzt?
Hängt es mit der Europawahl 2024 zusammen, sozusagen als Warnschuß? Oder mit den inneren Spannungen in der EU? Abgesehen von der Ukraine, sind sich die 27 bei fast keinem Thema mehr einig, die Energiekrise führte 2022 zu heftigem Ärger.
Und im neuen Jahr droht neben der Wirtschafts- und Sozialkrise auch noch eine Verschärfung der Flüchtlingskrise. Die EU zeigt sich jedoch unfähig, diese “Polykrise” zu lösen – lieber verweist man auf “Putin”, der an allem schuld sein soll…
KK
22. Februar 2023 @ 19:49
@ Kleopatra:
„Wollen Sie Ostmitteleuropa den Russen in den Rachen werfen, in der Hoffnung, dass die sich damit zufrieden geben? Die EU-15 hatte als unausgesprochene Voraussetzung den kalten Krieg einschließlich der Unterwerfung Ostmittel- und Osteuropas unter die sowjetische Macht.“
Die osteuropäischen Staaten wollten in die EU, weil sie an das Geld wollten. Die hätten dafür alles, nicht nur den Lissabon-Vertrag, unterschrieben – (und wohl ihre Grosseltern verkauft), mit hinter dem Rücken gekreuzten Fingern, wie wir heute wissen.
Die ebenso rückständige DDR hatte ja gezeigt, wie gut und schnell es mit reichlich Westgeld nach vorn geht (während gleichzeitig im Westen alles verkam, wie zB unsere Brücken hier). Und die EU würde noch nicht mal eine Treuhand schicken, die alles nicht niet- und nagelfeste vorher noch ausplündert… jetzt, wo es sich mehr und mehr abzeichnet, dass es das alles nicht umsonst gibt, werden die Masken fallen gelassen, allen voran Polen und Ungarn, aber auch die anderen nehmen es mit den „Pflichten“ nicht so genau (die Lissabon-Kriterien und die Flüchtlingsaufnahme sind da nur die offensichtlichsten Baustellen – Rumänien und Bulgarien hätten wegen der nicht ansatzweise bekämpften Korruption zB gar nicht erst aufgenommen werden dürfen – aber die Industrie und Landwirtschaft hier wollten ja deren Billiglöhner, so wie sie heute wohl die der Ukraine wollen).
Der „Fachkräftemangel“ hierzulande ist indes nur vorgeschoben – ihn gäbe es in vielen Bereichen gar nicht, würde im Sinne von Angebot und Nachfrage angemessen entlohnt!
Helmut Höft
22. Februar 2023 @ 11:11
Danke Euch für die tlw. sehr guten Kommentare betr. EU und (Ein-)Teilung derselben.
Zu den Jungs vom
ufoifo-Institut, sie können genau berechnen … *zähneklapper* wissen aber nicht was morgen … ignorieren ist schon zu viel. So ist das halt in der “Modellwelt” der Ökonomiks” 🙁Thomas Damrau
22. Februar 2023 @ 07:31
@Kleopatra
“Wollen Sie Ostmitteleuropa den Russen in den Rachen werfen …” Solche rethorischen Fragen unterstellen, dass die UdSSR der deutschen Wiedervereinigung zugestimmt, die Auflösung des Warschauer Pakts zugelassen, sich selbst in Teilstaaten zerlegt hat, um all dies gleich danach bitter zu bereuen und die Rückeroberung in Angriff zu nehmen.
Selbst die Behauptung “Seit Putin an der Macht ist, plant er die Wiederauferstehung der UdSSR” ist kontrafaktisch.
Russland hat schon unter Jelzin gegen die Osterweiterung der NATO protestiert. Putin hat zu Beginn erst einmal versucht, sich mit dem Westen zu einigen. Da traf er dann auf einen George W. Bush, der die USA als einzige Weltmacht sah und dachte “warum verhandeln, wenn man auch einseitig bestimmen kann”.
Konsequenterweise wurden dann 2004 die baltischen Staaten sehr zum Ärger Russland in die NATO aufgenommen: “NATO ante portas”. Passiert ist trotzdem nichts.
Auch die Orangene Revolution in der Ukraine 2005 hat zu keiner starken russischen Reaktion geführt. Erst mit dem dubiosen Regierungswechsel 2014 in der Ukraine hat die russische Gewalt begonnen.
Also bitte nicht das uralte Narrativ vom “Russen, der seit dem Urknall davon träumt, am Rhein Karneval feiern zu dürfen.”
Arthur Dent
21. Februar 2023 @ 23:48
Manche Kamele haben zwei Höcker, andere nur eines – macht im Schnitt 1,5 Höcker pro Kamel. Schon mal so eines gesehen? Ich jedenfalls nicht. Bei der Interpretation von Statistiken kann man nicht vorsichtig genug sein. In der Regel zahlt sich aber eine Erweiterung der EU für den Bürger nicht aus. Der durch die Wiedervereinigung einhergehende staatliche Machtzuwachs Deutschlands hat sich für mich auch nichtausgezahlt, eher im Gegenteil. Arbeitnehmer dürften vom allseits beklagten Fachkräftemangel eher profitieren. Auch ohne Passkontrolle hat man am Flughafen lange Warteschlangen, und mit Lira und Peseten war es früher auch irgendwie bunter in Europa. Hier wird nur wieder Angst geschürt vor einem möglichen weltpolitischen Bedeutungsverlust der EU. Auch mit 83 Millionen Einwohnern braucht Deutschland zur Stütze seiner Sozialsysteme weitere Zuwanderung, ulkigerweise funktionieren die in der Schweiz – mit knapp 10 Millionen Einwohnern praktisch schon ausgestorben – irgendwie besser. Sehr zur Freude von Großbanken, Großkonzernen und „Investoren“ (Heuschrecken und Spekulanten) werden die nmormalbürger der EU einem immer größeren Wettbewerb ausgesetzt. Krisen bedeuten hingegen für die „Großkopferten“ goldene Zeiten.
european
21. Februar 2023 @ 20:03
Generell kann man aber noch zur Studie sagen, dass es niemanden wundern sollte, dass sie ausgerechnet vom IfO Institut kommt. HW Sinn wird ja nicht müde, durchs Land zu tingeln und immer wieder das Ammenmärchen vom ausgebeuteten Deutschland und den faulen Südländern zu singen, die auf deutsche Kosten leben. Der Verfechter des Hungerlohnes auf breiter Ebene wundert sich, dass das Land keine Kaufkraft mehr hat und das Ausland zur Verschuldung braucht, weil ansonsten die deutsche Wirtschaft in sich zusammenfallen, regelrecht implodieren würde.
Ich kann mir also sehr gut vorstellen, dass diese Studie aus genau dieser Ecke in Auftrag gegeben wurde. Das passt schon. Ebenso würde es passen, wenn man schon Szenarien des Ausstiegs für Deutschland durchgerechnet hat.
Kleopatra
21. Februar 2023 @ 18:01
Vorsicht mit Vergleichen! In den USA haben sich nicht nur die Südstaaten von den Nordstaaten abgespalten, sondern die letzteren haben auch im Bürgerkrieg die ersteren besiegt und wieder eingegliedert. Die Sezession hat den Krieg nicht etwa vermieden, sondern erst die Voraussetzungen dafür geschaffen.
KK
21. Februar 2023 @ 15:27
So wie es in den USA im 19. Jahrhundert unüberbrückbare Gegensätze gab, die in einen Sezessionskrieg zwischen Nord- und Südstaaten führten, so treten heute in der EU unüberbrückbare Gegensätze zwischen den Ost- und den Weeststaaten auf.
Vielleicht sollten wir, bevor es auch hier zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt, die EU in zwei Staatenbünde – Ost und West – aufteilen.
Ich nehme den o.g. Wohlstandsverlust, obwohl ich ihn mir eigentlich nicht leisten könnte, gerne in Kauf, wenn dafür diese EU, wie sie heute ist, ein Ende findet.
Vor vier Jahren noch hätte ich nicht für möglich gehalten, jemals so zu denken – aber von der Leyen und ihre Mischpoke haben das tatsächlich geschafft.
ebo
21. Februar 2023 @ 15:35
Gute Idee. Ich wünsche mir manchmal auch die gute alte EU-15 zurück, vor der Osterweiterung 🙂
european
21. Februar 2023 @ 17:20
Da wuerde ich jetzt sehr gern ein Like setzen. 🙂
Europa bedeutet mir sehr viel, tatsaechlich mehr als Deutschland, schon allein wegen unserer Familie, aber die Leute, die aktuell am Ruder sind, ruinieren es, wie @KK sehr richtig bemerkte. Man bekommt den Eindruck, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt und die Zukunftsplaene, noch mehr osteuropaeische Staaten aufzunehmen, nur weil es Putin aergert, stimmen mich nicht hoffnungsfroh.
Kleopatra
21. Februar 2023 @ 17:50
Warum vor der Osterweiterung? Wollen Sie Ostmitteleuropa den Russen in den Rachen werfen, in der Hoffnung, dass die sich damit zufrieden geben? Die EU-15 hatte als unausgesprochene Voraussetzung den kalten Krieg einschließlich der Unterwerfung Ostmittel- und Osteuropas unter die sowjetische Macht. Diese Situation war für westliche Europäer bequem und insbesondere westdeutsche Linie konnten damit gut leben; aber seit dem Ende des sowjetischen Blocks war die EU-15 als Prinzip – wie es Ihnen anscheinend vorschwebt – nicht mehr haltbar. Für die von der Sowjetunion unterworfenen Völker war die Situation unerträglich.
ebo
21. Februar 2023 @ 18:31
Die meisten Osteuropäer fühlt sich mit den USA wohler, das sagen Polen und Balten selbst. Und sie arbeiten ja auch schon an einer speziellen transatlantischen Allianz, Formate jenseits der EU gibt es mehr als genug. Demgegenüer hat das “Weimarer Dreieck” mit Deutschland und Frankreich nie funktioniert.
european
21. Februar 2023 @ 19:25
@ebo
Interessant nicht. Die Unterdrücker beklagen sich über Unterdrückung und wählen das Imperium. Sowohl Demokratie als auch Rechtsstaat darf man in Polen (und auch Ungarn) durchaus in Zweifel ziehen. Der Umgang mit Oppositionsparteien im Land spricht für sich.
Zum EU- und Nato-Beitritt der baltischen Staaten hat Russland eigentlich gar nichts gesagt. Sie fanden den Wortbruch nicht so toll, aber das hat uns sowieso nicht interessiert. Wir hatten unsere Wiedervereinigung und der Rest war uns egal. Gorbatschow? Wer ist Gorbatschow? Zu seiner Beerdigung ist auch niemand gegangen.
Diese antidemokratischen Strukturen einschließlich Angehöriger von ausgesprochenen Naziparteien sind in die EU eingezogen und die “Führungsriege” möchte lieber wiedergewählt werden, als dagegen etwas zu sagen. Wer da glaubt, dass Demokratie widerstandsfähig ist, der wird sich m.E. irren. Demokratie lässt ihre eigene Unterwanderung zu, was sie letztlich zerstört.