Der Weg der EU in den Krieg (2): Schulterschluß mit USA und Nato
Am 9. Dezember 2012 bekam die EU den Friedensnobelpreis. Knapp elf Jahre später unterstützt sie die Ukraine im Krieg gegen Russland. Wie konnte es dazu kommen? Was waren die wichtigsten Wendepunkte? Ein kritischer Rückblick in zehn Folgen. – Teil 2: Schulterschluß für USA und Nato.
Die europäische Russland-Diplomatie endete im Sommer 2021, acht Monate vor Kriegsbeginn. Gleichzeitig fuhren die EUropäer die Zusammenarbeit mit den USA und der Nato hoch. Allerdings nicht auf Augenhöhe, sondern als treue Gehilfen.
Besonders deutlich wurde dies bei der Vorbereitung der Sanktionen gegen Russland. Die Nato könne leider nichts tun, da die Ukraine kein Mitglied sei und das Militärbündnis über keine Sanktionsmöglichkeiten verfüge, hieß es in Brüssel.
Also musste die EU ran. Noch während des Regierungswechsels in Berlin begannen die Vorbereitungen. Die Federführung übernahm Kommissionspräsidentin von der Leyen. Ihr Kabinettschef Seibert stimmte sich eng mit dem US-Sicherheitsberater Sullivan ab.
Es waren also keine genuin europäischen Sanktionen, die im Spätherbst 2021 vorbereitet wurden. Es waren transatlantische Ideen, die den USA weit entgegenkamen – vor allem im Energiesektor. Frackinggas made in USA statt Russen-Gas, hieß das Motto.
___STEADY_PAYWALL___
Man hätte diese Sanktionen als diplomatische Initiative planen können, also als Hebel für Verhandlungen. Doch auf diese Idee kam man nicht. Die „massiven“ Strafen wurden als nicht verhandelbare Drohkulisse präsentiert, die den Krieg abwenden sollte.
Damit ist die EU gescheitert, wie wir heute wissen. Der Krieg kam trotzdem – denn Putin ging davon aus, dass die Sanktionen auch ohne einen Waffengang verhängt würden. Vermutlich lag er damit richtig, denn der Wirtschaftskrieg lag längst in der Luft.
Die EU nahm ihre Rolle als Wirtschafts-Nato an, ohne zu mucken. Gleichzeitig hielt sie sich bei den letzten Gesprächen im Nato-Russland-Rat auffällig zurück. Mir ist jedenfalls keine einzige europäische Iniative in Erinnerung, die Verhandlungen führten die USA.
Krieg für ein Prinzip?
Die Amerikaner wiesen alle Forderungen Putins zurück und verwiesen auf das Prinzip der „offenen Tür“. Der Ukraine stehe es wie anderen Ländern zu, der Militärallianz beizutreten; Putin habe keine Mitsprache. Doch war es dieses Prinzip wert, den Krieg zu riskieren?
Hätten die EUropäer nicht ein anderes Prinzip – das der unteilbaren Sicherheit – hochhalten müssen? Hätten sie Biden nicht drängen können, den Krieg in letzter Minute abzuwenden? Frankreichs Macron hat es versucht, er ist gescheitert.
Letztlich waren die EUropäer nicht nur zu schwach, sondern auch zu mutlos. Unter der demokratisch nicht legimitierten (und parlamentarisch nicht kontrollierten) „Führung“ von Frau von der Leyen übten sie den kritiklosen Schulterschluß mit USA und Nato.
Die „Friedensunion“ hat sich kurz vor Kriegsbeginn selbst aufgegeben…
Siehe auch Teil 1: „Das Ende der Diplomatie“.
P. S. Wichtig ist festzuhalten, dass der Wirtschaftskrieg gegen Russland bereits lange vor dem Krieg geplant wurde. Denn die EU tut gern so, als habe man nur reagiert…
KK
21. Februar 2023 @ 19:48
„Die Amerikaner wiesen alle Forderungen Putins zurück und verwiesen auf das Prinzip der “offenen Tür”. Der Ukraine stehe es wie anderen Ländern zu, der Militärallianz beizutreten; Putin habe keine Mitsprache. Doch war es dieses Prinzip wert, den Krieg zu riskieren?“
So, und an dieser Stelle hätte es nur eines einzigen – ich wiederhole: eines einzigen! – NAhTOd-Mitgliedes bedurft, dass unmissverständlich sein VETO gegen die Aufnahme der Ukraine angekündigt hätte, da es die russischen Sicherheitsinteressen, die ja eben auch Bestandteil nicht nur des Völkerrechts, sondern auch explizit des 2+4-Vertrages (siehe hierzu dessen Präambel*)achte. Das hätte wegen des Erfordernisses der Einstimmigkeit bei der Aufnahme neuer Mitglieder vielleicht schon den Krieg vermeiden können und den Weg zu kompromissorientierten Verhandlungen finden lassen.
Insbesondere die europäischen Vertragspartner des 2+4-Vertrages Deutschland und Frankreich wären hier im Interesse der vermeidung eines bewaffneten Konflikts vor der eigenen Haustür am Zuge gewesen.
* Hier mal auszugsweise zur Erinnerung:
„Die Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Demokratische Republik, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Vereinigten Staaten von Amerika –
…
ENTSCHLOSSEN, die Sicherheitsinteressen eines jeden zu berücksichtigen,
…
SIND wie folgt ÜBEREINGEKOMMEN:“
ebo
21. Februar 2023 @ 19:52
Guter Hinweis! Hilfreich ist auch Wikipedia:
Das Konzept der Gemeinsamen Sicherheit wird als eine genuin (natürliche) europäische Weiterentwicklung des Konzepts der Kollektiven Sicherheit gesehen.
Der Begriff stammt aus dem Titel des Palme-Berichts „Common Security: A Blueprint for Survival“, dem Abschluss der Unabhängigen Kommission für Abrüstung und Sicherheit („Palme-Kommission“, 1980–1982), der Schwedens Premierminister Olof Palme vorsaß.
Hauptschlagworte, die dem Begriff zugrunde liegen sind Interdependenz, gemeinsame Verantwortung und „Sicherheit mit“ statt „Sicherheit gegen“. Folgerichtig wird unilaterale Abschreckungspolitik abgelehnt, ebenso Allianzen als Sicherheitsgaranten.[1] Betont werden unprovokative und nicht-offensive Verteidigungsstrukturen und Kollektive Sicherheit. Die Kernprinzipien der Gemeinsamen Sicherheit wurden in die „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) eingebracht und später in der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) implementiert.
Das hat man 2021 einfach so vergessen…