Tusk wünscht Brexiters zur Hölle – Juncker kappt Prognose für Italien
Kurz vor einem Besuch der britischen Premierministerin May in Brüssel herrscht mal wieder dicke Luft. Schuld ist diesmal EU-Ratspräsident Tusk, der die Hardcore-Brexiters zur Hölle wünscht. Will die EU überhaupt noch einen Kompromiss?
“Ich frage mich, wie dieser besondere Platz in der Hölle für die Brexit-Verfechter aussieht, die noch nicht einmal in Umrissen einen Plan haben”, sagte Tusk nach einem Treffen mit dem irischen Premier Varadkar.
Seitdem ist wirklich die Hölle los – in London. Zahlreiche britische Abgeordnete schossen umgehend zurück.
“Donald Tusk zeigt einmal mehr seine Verachtung für die 17,4 Millionen Menschen, die dafür gestimmt haben, der Korruption der EU zu entkommen”, erklärte Sammy Wilson, Brexit-Sprecher der nordirischen DUP, die Mays Regierung unterstützt.
Die konservative Abgeordnete Andrea Leadsom nannte Tusks Äußerung “boshaft” und “ziemlich unannehmbar”. Ihr Parteifreund Peter Bone sprach von einer “völlig unverschämten Beleidigung“.
EU-Kommissionschef Juncker versuchte zwar noch, Tusks Tweet zu relativieren. Er sei kein Katholik wie sein polnischer EU-Kollege, sagte Juncker. Aber auch er kenne die Hölle – nämlich seine Arbeit in der EU-Kommission.
Doch dieser launige Scherz dürfte wohl kaum reichen, um die vergiftete Atmosphäre noch zu entkrampfen. Wenn May am Donnerstag in Brüssel eintrifft, stehen die Zeichen auf Sturm – mal wieder!
Tusk redet sich zwar damit heraus, dass er ja nur jene Brexiters gemeint hat, die keinen Plan haben. Doch hat die EU etwa einen Plan B? Ist sie überhaupt noch zu Kompromissen bereit? Ich bezweifele es.
Dabei wäre eine Lösung des Brexit-Streits mit etwas gutem Willen durchaus noch möglich, wie ich in meiner neuen Analyse (“Inside Brexit. What they really really want”) aufzeige. Der Text steht hier.
Mit seinem #SpecialPlaceInHell Zitat hat @eucopresident der #EU einen Bärendienst erwiesen. @Juncker versucht, es mit einem Witz auszuputzen („ich arbeite in der EU-Kommission, das ist Hölle“), doch nun ist das Kind in den Brunnen gefallen – #NoDeal noch wahrscheinlicher #brexit
— Eric B. (@LostinEU) February 6, 2019
WATCHLIST:
- Am Donnerstag legt die Juncker-Kommission ihre neue Konjunkturprognose vor. Sie dürfte vor allem für Italien düster ausfallen. Die Volkswirtschaft dürfte 2019 nur noch um 0,2 Prozent wachsen – statt der bislang von Brüssel prognostizierten 1,2 Prozent, berichtete die staatliche italienische Nachrichtenagentur Ansa. Liegt da ein neuer Defizitstreit in der Luft? Oder räumt die EU-Kommission auch mal ein, dass sie sich getäuscht hat – übrigens nicht nur bei Italien?
WAS FEHLT:
- Der Nato-Beitritt Nord-Mazedoniens. Vertreter der 29 Bündnisstaaten unterzeichneten am Mittwoch in Brüssel das Beitrittsprotokoll. Nato-Generalsekretär Stoltenberg sprach von einem “historischen Ereignis”, das durch die Beilegung des Namensstreits mit Griechenland möglich geworden sei. Verantwortlich war ausgerechnet ein Linker – Premier Tsipras. Bleibt die Frage, ob der Nato-Beitritt Nord-Mazedoniens die Sicherheit erhöht – oder den Streit mit Russland anheizt…
Georg Soltau
10. Februar 2019 @ 16:17
@ Peter Nemschak komme leider erst heute auf Ihre Antwort vom 7. Februar 13:00 zurück:
>>Wer den Krieg vermeiden will, muss für ihn rüsten. Das Gleichgewicht des Schreckens hat während des Kalten Kriegs einen heißen Krieg verhindert<<… Sie reden da ziemlich viel Blödsinn auf einmal. Auch während des "Kalten Krieges" gab es reichlich viele heiße Kriege. Rüstung verhindert keine Kriege. Überrüstung wie zur Zeit erzeugt zusätzliche Kriegsgefahr.
Notfalls müssen Konflikte als "Absatzmärkte" her werden, um vorhandenes Material auch
zu verbrauchen. Die Produktion läuft ja gut und auf dem Lagerplatz wird es langsam eng.
Georg Soltau
10. Februar 2019 @ 17:44
Korrektur der letzten Zeilen:
Notfalls müssen Konflikte als “Absatzmärkte” her , um vorhandenes Material auch
zu verbrauchen. Die Produktion läuft ja gut und auf dem Lagerplatz wird es langsam eng.
Solveig Weise
8. Februar 2019 @ 10:37
@Holly01
Sie mögen hier durchaus Recht haben. Die Entwicklungen der nächsten Wochen und Monate werden dies zeigen.
Allerdings bin ich der Meinung, dass man den Einfluß der Wirtschaftsvertreter und Lobbyisten in Brüssel nicht unterschätzen darf. Niemand in diesen Kreisen kann einen ungeordneten Brexit gebrauchen.
Und Deutschland als Volkswirtschaft schon mal garnicht.
Deshalb bin ich auch überzeugt, dass er nicht kommt. Und im Ernst: Wie da der Backstop zu einer Frage von Krieg und Frieden hochgejazzed wird ist doch peinlich.
Ich selbst habe die Briten nie als Gegner empfunden. Ich trenne strikt zwischen Europa und der Europäischen Union. Der ganze Laden präsentiert sich doch peinlich wie selten. Frankreich zieht den Botschafter aus Italien ab. Osteuropa macht sein eigenes Ding. Außenpolitisch ein Witz schlechthin.
Ich bin aber nicht harmoniesüchtig und harre interessiert der Dinge die kommen werden.
Ich vermute man wird dies über Irland spielen ach dem Motto. Um Irland zu schützen müssen wir jetzt………und siehe da…der Backstop wird nachverhandelt. Genau das ist doch der Grund wieso das “Parlament” nocht nicht abgestimmt hat.
Holly01
8. Februar 2019 @ 10:50
Politik ist immer eine show bei der das Publikum zeitversetzt (also mit zeitlichem Abstand von tagen, Wochen, manchmal auch Monaten oder Jahren) sehen kann, was auf der Bühne passiert.
Also wenn wir die “Rede” gerade in den MM sehen, dann wurde die inhaltlich schon vor Wochen “gehalten”.
Je wichtiger der Vorgang, desto größer der zeitliche Versatz.
Was da gerade so passiert ist das positionieren, das sollte man nicht überbewerten.
Frankreich müsste zusammen mit Italien die deutschen Monetaristen in die Zange nehmen, machen die aber nicht. Also ist Italien sauer.
Deutschland müsste Frankreich an den Verteilungsgewinnen aus Noth Steam 2 höher beteiligen (denkt Frankreich), machen die aber nicht. Also ist Frankreich sauer.
Die östlichen und südöstlichen Staaten müssten sich an der Migration mehr beteiligen, denkt Deutschland, machen die aber nicht. Also ist Deutschland sauer.
Kindergarten Politik.
Natürlich lenken die massiv von den wichtigen Sachen ab. Die machen diese lächerliche show ja nicht umsonst direkt vor einer Finanzkrise die mit der EU-Wahl zusammen fällt.
Könnte sein die haben die Büßerkostüme und die Asche für das Haupt schon bereit liegen.
Merkel dankt ab (alles gut, wir haben die Schuldige “bestraft” und kommen vor lachen nicht in den Schlaf). Die EU hat dann aber einen “richtigen Schrecken bekommen” und muss was tun *gacker* ….
Der übliche “wir haben verstanden” Kram, den man vorher provoziert hat.
Irgenwie so stell ich mir das gerade vor in Brüssel …
Verpass nie die Chancen einer Krise, wenn keine da ist dann mach dir eine ….
vlg
Solveig Weise
7. Februar 2019 @ 17:57
Ich bin davon überzeugt, dass die eingetrübten Konjunkturerwartungen in Europa die Verhandlungsposition von May in Brüssel heute und in den kommenden Tagen deutlich verbessern werden.
Ein Brexit ohne Abkommen und ein Unterbrechen der Lieferketten im Handel würden so deutliche Spuren hinterlassen, dass mit Sicherheit viel telefoniert wird gerade.
Außderdem haben die Briten ein enormes Handelsdefizit mit Kontinentaleuropa (und dabei natürlich vor allem mit Deutschland), dass hier schon fleißig nach einem Deal gesucht wird. Offiziell will das nur keiner so zugeben.
Holly01
8. Februar 2019 @ 09:01
Wäre es nicht auch möglich, dass es genau anders herum ist?
Diese Fliehkräfte, dieser Egoismus und diese Panik der Elite kommt ja nicht aus dem Nichts.
Da baut sich ja etwas auf und das hat offensichtlich ein Verfallsdatum, welches näher rückt.
Wenn sich da ein Ereignis aufbaut, dann wird niemand irgend etwas zu “geben” bereit sein.
Im Moment sieht alles nach Grabenkrieg aus.
Da wäre das UK zur falschen Zeit am falschen Ort.
Der Brexit hat ja eine Tatsache auf den Tisch gelegt:
Zerfällt die EU stehen alle Staaten ohne internationale Abkommen da.
Zerfällt der Euro, kommen noch Währungskrisen dazu.
Für die EU Staaten geht es um nicht viel weniger als die Existenz.
Das ist quasi der Rührteig für den Bundesstaat EU, Motto:
Ihr kommt hier nicht mehr raus, es geht nur vorwärts.
Die deutschen Politiker scheinen nicht zu kapieren, das alle anderen sich ansehen und so etwas denken wie: “Mag ja sein, das es sein muss, aber ganz sicher nicht so und nicht mit den deutschen als “GröFatz” (größte Fanatiker aller Zeiten)”
Die Gründe sind unterschiedlich. Aber im Ergebnis kratzen sich die meisten an der Nase und schauen kritisch auf Schland. Da ist das UK sowieso außen vor. Das UK war nie ein Teamplayer, die haben nur immer aufgewiegelt und fragmentiert.
Es gibt jedenfalls Probleme satt und nichts zu verteilen.
Das UK wird die Front nicht auflösen. Bleiben sie drin, sind sie isoliert. Gehen sie raus sind sie erst recht isoliert, vielleicht sogar Gegner.
vlg
Peter Nemschak
7. Februar 2019 @ 16:54
@ Georg Soltau. mit Elite meine ich die an der Macht befindlichen Politiker im UK und der EU.
Georg Soltau
10. Februar 2019 @ 14:46
Danke für die falsche Antwort, denn ich habe Sie nicht gefragt, was Sie unter Eliten verstehen,
sondern wen Sie mit “ihre” meinen bei “kein Maßstab für ihre Vertrauenswürdigkeit.”
Holly01
7. Februar 2019 @ 09:02
Die Kernfrage lautet: Kann man dem UK vertrauen?
Antwort “Ja”: Lösung grundsätzlich möglich
Antwort “Nein”: Lösung nicht möglich
Nach der Skripal Geschichte, dieser ganzen Aggression gegen Russland, seit das UK wieder spaltende Bündnisse in Europa abschließt, würde ich der politischen Elite “kein einziges Wort glauben”.
Nach meiner Meinung muss man davon ausgehen, das May und die Betreiber des Brexit bösartig sind und das man sich gegen diese Leute massiv schützen muss.
Es wird aber auch Zeit, das die EU endlich darüber redet, welche berechtigten Kritikpunkte auf dem Tisch liegen.
Aufarbeitung zu Griechenland.
Aufarbeitung zum Euro generell.
Rechtsraum EU
Migrationspolitik
Neoneokonservativismus
…
Ach machen Sie sich ihre eigene Liste, so viel Zeit habe ich auch wieder nicht ^^
Es ist jedenfalls auffällig, das EU Wahlkampf ist und die Politikdarsteller so gar keine Antworten geben (können).
vlg
Peter Nemschak
7. Februar 2019 @ 09:36
Nur weil die politische Elite andere Wertvorstellungen als Sie hat, ist das noch kein Maßstab für ihre Vertrauenswürdigkeit.
Georg Soltau
7. Februar 2019 @ 12:08
meine Frage von ca. 11:00 h scheint verloren gegangen zu sein, deshalb noch mal : Der Beitrag ist unklar, wen meint Herr Nemschak mit i h r e , die Vertrauenswürdigkeit der Elite oder die von Holly01.? Ich gebe mir die Antwort selbst: da “ihre” klein geschrieben wurde kann nur die Vertrauenswürdigkeit der Elite gemeint sein.
Oudejans
7. Februar 2019 @ 09:53
>>“Nach meiner Meinung muss man davon ausgehen, das May und die Betreiber des Brexit bösartig…“
Vielleicht erst einmal in eine Tüte atmen?
Holly01
7. Februar 2019 @ 13:07
Och eine Wertediskussion wird gewünscht.
Schade, ich habe keine Werte.
“Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe” der praktischste und deutscheste Satz, den ich kenne und befolge.
Wir haben doch alle die selben Werte und gehören zum selben Team.
Ja, natürlich rieche ich Ihre Angst. Natürlich riechen die 1% auch die Angst der 90%.
Aber das ist eben ein Übergang.
Denken Sie an die Schlussszene von Hamlet oder bei Ihnen besser, das Schlusslied von Live of Brain.
Wir sind keine Gegner, wir gehören zusammen und wir werden gemeinsam unglaublich bedauern, was in der Vorperiode passiert ist, wie immer.
Das UK hat schon immer ein ganz eigenes Süppchen gekocht. Selbst innerhalb der EU war das UK ein Fremdkörper (und hat das genossen).
Also in die Tüte atmen hin oder her, historisch und aktuell gibt es Null Grund anzunehmen, das das Uk etwas anderes im Sinn hat als maximalen Eigennutz, wobei der Schaden bei anderen immer ignoriert wurden.
Diese ganze “Brexit show” ist eine einzige Farce.
vlg
Oudejans
7. Februar 2019 @ 08:59
>>”Er sei kein Katholik wie sein polnischer EU-Kollege, sagte Juncker. Aber auch er kenne die Hölle – nämlich seine Arbeit in der EU-Kommission.
Doch dieser launige Scherz…”
Juncker i s t Katholik.
Donald hat hier ziemlich danebengegriffen. Paßt aber doch in (mein) Bild, daß Tusk vom Brexit persönlich angegriffen wirkt. Als Liberaler, als Pole, mit Blick auf seine eigene Heimat, und es geht ja nun wenigstens die Fama, daß auch die zahlreichen polnischen Migranten manchem Brexiter ein Dorn im Auge waren. Da zerbricht ein Traum.
Aber ein Katholik hat immer die Hoffnung, muß sie manchmal “nur” wiederfinden. Verfluchung ist gotteslästerlich und Sünde, das weiß ein Katholik.
Peter Nemschak
7. Februar 2019 @ 08:45
Der Balkan ist, so ein Wiener Politikwissenschaftler, wieder zum geopolitischen “Marktplatz” geworden. Ich finde, die EU täte gut daran, ihr militärisches Abschreckungspotenzial gegenüber Russland, ihrem unmittelbaren Konkurrenten in der Region zu erhöhen. Auf die USA ist zunehmend weniger Verlass. Ohne sie hätte es die NATO seinerzeit nicht geschafft, den serbischen Diktator Milosevic los zu werden.
Georg Soltau
7. Februar 2019 @ 11:06
Hallo Peter Nemschak, Sie befürworten laufend mehr militärische Stärke und mehr Abschreckung, also Vorbereitungen für gewaltsame Auseinandersetzung. Sind Sie dann konsequenterweise auch für Krieg ?
Peter Nemschak
7. Februar 2019 @ 13:00
Wer den Krieg vermeiden will, muss für ihn rüsten. Das Gleichgewicht des Schreckens hat während des Kalten Kriegs einen heißen Krieg verhindert.