Geldsegen für die Türkei, Knausern beim Wiederaufbau – und Ärger für Babis


Die Watchlist EUropa vom 04. Juni 2021 –

Die Türkei kann auch künftig mit Finanzspritzen aus Brüssel rechnen. Sie sollen das Land an die EU heranführen und die türkische Hilfe bei der Abschottung Europas vor Flüchtlingen finanzieren. Dies geht aus dem Entwurf für die so genannte Heranführungshilfe hervor, auf den sich die EU-Staaten mit dem Europaparlament geeinigt haben.

Bis Ende 2027 stehen demnach rund 14,2 Milliarden Euro für die Vorbereitung auf den EU-Beitritt zur Verfügung. Neben der Türkei sollen auch die Balkanstaaten Albanien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Kosovo sowie Bosnien-Herzegowina von den Hilfen profitieren. Die EU-Kommission sprach von einem positiven Signal.

Allerdings wirft die Einigung, die noch in Rechtsform gegossen werden muß, zahlreiche Fragen auf. So hatte sich das Europaparlament zuletzt mehrfach äußerst kritisch zur Türkei und ihrer Beitrittsperspektive geäußert. Im Gasstreit mit Griechenland und Zypern wäre es im vergangenen Jahr fast zu einem Militärkonflikt gekommen.

Kein Ende der Beitrittsgespräche

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Die größte Fraktion EVP, der auch CDU/CSU angehören, hatte sich deshalb für ein Ende der Beitrittsgespräche ausgesprochen. De facto liegen die Verhandlungen schon seit Jahren auf Eis. Dennoch stimmten alle großen Parlamentsfraktionen nun dem Hilfspaket zu – und damit auch einer Fortsetzung der Beitrittsgespräche.

Dahinter steht die Hoffnung, dass die Auszahlung stärker als bisher an EU-Prinzipien wie Rechtsstaat und Demokratie gebunden wird. Der Ministerrat und die EU-Kommission betonten, dass die Gelder auf Grundlage der realen Reformanstrengungen zugewiesen werden – bloße Ankündigungen sollen nicht mehr ausreichen.

Damit könnte die Türkei stärker als bisher motiviert werden, sich um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu bemühen. Zuletzt hatte Ankara jedoch die so genannte Istanbul-Konvention gekündigt, die die Rechte der Frauen absichern soll. Bei einem Besuch von EU-Kommissions-präsidentin Ursula von der Leyen in Ankara kam es deshalb sogar zu einem Eklat.

Schutz vor unerwünschten Migranten

Unklar ist auch, wie viel Geld aus dem EU-Topf für Flüchtlinge bzw. für die Abwehr von unerwünschten Migranten vorgesehen ist. Die EU-Kommission wollte sich darauf auf Nachfrage nicht äußern. Die Details müssten noch ausgearbeitet werden, hieß es in Brüssel, mit dem endgültigen Beschluss werde erst im Herbst gerechnet.

In den letzten Jahren hatte die EU die Türkei mit vielen Milliarden Euro dabei unterstützt, syrische Flüchtlingen im Land zu halten – und sie so an der Weiterreise nach Europa zu hindern. Auch den Westbalkan will die EU auf den „Schutz“ vor unerwünschten Migranten einschwören. Vor allem Kosovo und Bosnien-Herzegowina sollen mehr unternehmen.

Sie sollen es der Türkei gleichtun – und als „Türsteher“ für die EU dienen. Dafür gibt es Milliardenhilfen – der Beitritt hingegen dürfte noch lange warten…

Watchlist

Was bleibt vom gefeierten „Wiederaufbau“? Herzlich wenig, wenn man einem Bericht der „Welt“ glauben darf. Die EU-Staaten würden aus dem 750-Mrd.Euro-Fonds deutlich weniger Kredite abrufen, als ursprünglich geplant, und die ersten Zahlungen – voraussichtlich im Juli – dürften auch mickrig ausfallen. Nur zehn bis 15 Länder sollen zunächst in den Genuß von EU-Hilfen kommen, so Wirtschaftskommissar Dombrovskis. Und kaum jemand will Kredite in Amspruch nehmen – denn die müssen zurückgezahlt werden…

Was fehlt

Der Ärger für Tschechiens Regierungschef Andrej Babis. Er bekommt es mit der gerade erst eingerichteten EU-Staatsanwaltschaft zu tun. Zwei Berichte in Zusammenhang mit dem Fall Babis seien an die in Luxemburg ansässige Einrichtung weitergeleitet worden, sagte der Prager Staatsanwalt Boris Havel. Es geht um Babis‘ Anteile am Mischkonzern Agrofert. Da gebe es einen Interessenskonflikt, hatte die EU-Kommission in einem Bericht im April festgestellt. Babis soll EU-Subventionen kassiert haben, auch in Tschechien laufen Ermittlungen.