Im Teufelskreis der Angst

Der Vormarsch der Rechten in Europa könnte manche Regierung zum Wanken bringen. Vor allem Griechenland ist gefährdet. Aber auch in stabilen Ländern wie Deutschland und UK zeigt die Angstmache der Populisten Wirkung. – Dritter und letzter Teil einer Serie zur Europawahl.

In Griechenland könnte der Vormarsch der rechtsextremen „Morgenröte“, aber auch der linken „Syriza“ der ohnehin schwachen Regierung den Todesstoß versetzen.

In Frankreich könnte ein Sieg von Le Pen nicht nur zu einer Regierungs-, sondern sogar zu einer Staatskrise führen. Alarmierend ist auch die Lage in Belgien, wo ein Sieg der flämischen Nationalisten zu Lähmung und Spaltung führen könnte.

Offiziell geben sich die EU-Chefs noch gelassen. Doch in Wahrheit haben sie längst reagiert. Aus Angst vor Populisten und Nationalisten hat der Rat seine traditionell liberale Linie aufgegeben.

So wurde die Flüchtlingspolitik nach dem Drama vor Lampedusa weiter verschärft – in der fatalen Hoffnung, den Ausländerfeinden so keine zusätzliche Munition zu liefern.

Auch die Einwanderungspolitik steht schon im Bann der Ausländerfeinde. Der britische Premier Cameron bereitet umstrittene Maßnahmen gegen Bulgaren und Rumänien vor, die so zu EU-Bürgern 2. Klasse würden. In Deutschland gibt es ähnliche Überlegungen.

Wenn das so weiter geht, dürfte die EU bis zur Europawahl deutlich nach rechts rücken. Der Vormarsch der Rechten würde damit zum Erfolg, noch bevor ein einziger neuer rechter Abgeordneter ins Europaparlament eingezogen ist.

Und das ist noch nicht einmal das schlimmste Szenario. Richtig ernst könnte es werden, wenn nach der Wahl tatsächlich Regierungen in Ländern wie Griechenland oder sogar Frankreich stürzen.

Dies könnte zu einer Kettenreaktion führen und die überwunden geglaubte Eurokrise erneut anheizen, fürchten Finanz-Analysten schon jetzt.

Schicksal ist das allerdings nicht. Schließlich hat ja noch nicht einmal der Europa-Wahlkampf begonnen. Erst im März, wenn alle großen europäischen Parteien-Familien ihre Kandidaten nominiert und ihre Programme formuliert haben, wird man klarer sehen.

Vielleicht entdecken die Bürger dann ja doch noch ihre Liebe zu Europa. Das hoffen jedenfalls die unverbesserlichen Optimisten in Brüssel. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist so einer.

Die Rechten seien ein Problem, so der SPD-Politiker und Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten. Vor allem die „einseitige Sparpolitik“ treibe den Populisten und Nationalisten immer neue Anhänger zu.

Dennoch sollte man die rechte Gefahr nicht übertreiben, warnt Schulz. Zu viele öffentliche Mahnungen und Warnungen könnten „eine selbst erfüllende Prophezeiung“ herbeiführen – und die Rechten weiter stärken.

Man könnte es auch anders formulieren: Der EU droht ein Teufelskreis der Angst, eine rechte Angstspirale. Und Brüssel ist mal wieder mittendrin.

Dies ist der 3. und letzte Teil einer Serie zur Europawahl. Die ersten beiden Teile stehen hier und hier. Der gesamte Beitrag erschien zwischen den Jahren auf “Cicero online”, das Original steht hier