Streit ums Kindergeld – Mehr Rechte für Eltern
Deutschland diskutiert seit Monaten darüber, Österreich hat es schon gewagt – und das Kindergeld für EU-Ausländer gekürzt. Doch das will die EU-Kommission nicht hinnehmen. Sie hat gegen die Rechts-Regierung in Wien ein Vertragsverletzungs-Verfahren eingeleitet. Es droht ein langer Streit, der die Populisten freuen dürfte.
Denn die Rechten und Ausländerfeinde fordern schon lange, das Kindergeld für Zugezogene zu kürzen. Auch in CDU und CSU ist diese Forderung populär. Dass die EU-Kommission nicht mitzieht, heizt den Streit nun weiter an.
Die Brüsseler Behörde stellte klar, dass sie die Maßnahme nicht für tragbar hält und notfalls eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten wird. “Es gibt in der EU keine Kinder zweiter Klasse“, erklärte Sozialkommissarin Thyssen.
“Wenn Arbeitnehmer in gleicher Weise wie lokale Arbeitskräfte zum Sozialsystem beitragen, dann sollten sie auch in den Genuss der gleichen Leistungen kommen – auch wenn ihre Kinder im Ausland wohnen”, so die Belgierin.
Eine Indexierung sei unfair und helfe auch nicht gegen “Sozialtourismus”, heißt es in Brüssel. Belege legte die EU-Kommission allerdings nicht vor. Dabei weiß auch Thyssen, dass das Wohlstandsgefälle in der EU wächst.
Darauf verweist auch die Regierung in Wien. Sie schaltet auf stur: “Wir gehen weiterhin davon aus, dass die von uns gewählte Lösung mit europäischem Recht vereinbar ist”, kommentierte Familienministerin Bogner-Strauß.
Dabei kann sie sich ausgerechnet auf Großbritannien berufen. Ex-Premier Cameron hatte nämlich – vor dem Brexit – eine Ausnahme bei der Indexierung erkämpft. Unterstützt wurde Cameron u.a. von Kanzlerin Merkel.
Merkel kündigte damals (Anfang 2016) auch an, dass Deutschland die Indexierung des Kindergelds ebenfalls einführen werde, sobald die Regel – mit der Cameron die Briten zum Bleiben bewegen wollte – rechtsgültig wird.
Dazu ist es allerdings nie gekommen – denn eine Mehrheit der Briten stimmte trotzdem gegen die EU. Und mit dem Brexit wurde auch die von Anfang an umstrittene Ausnahme beim Kindergeld obsolet…
Siehe auch “Kindergeld: Berlin eifert London nach”
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WATCHLIST:
- Kommt es zu einem neuen Wettrüsten in Europa? Die USA drohen, den INF-Vertrag zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen wegen mutmaßlicher Verstöße Russlands aufzukündigen. Nun tagt der Nato-Russland-Rat – doch Ergebnisse werden nicht erwartet. Moskau ist sauer, weil die USA ein Ultimatum bis Anfang Februar gesetzt haben…
WAS FEHLT:
- Eine Einigung zur “Work-Life-Balance”. Sie bringt berufstätigen Eltern mehr Rechte, vor allem Väter dürfen sich freuen. Sie haben nach der Geburt ihres Kindes künftig europaweit einen Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub von mindestens zehn Tagen. Darauf einigten sich Unterhändler der EU-Staaten, der EU-Kommission und des Europaparlaments in Brüssel!
Peter Nemschak
26. Januar 2019 @ 10:45
@ebo Wenn das Recht für Kinder, wie Sie argumentieren, überall gleich ist, dürfen Sie das Kindergeld nicht an das Einkommen der Eltern binden. (B.Kreisky: jedes Kind ist gleichviel wert). Die unterschiedlichen realen Lebensverhältnisse innerhalb der EU sprechen für eine Differenzierung der Höhe des Kindergelds. Frühkindliche Förderung von Kindern aus wenig bildungsaffinen Milieus wäre wirksamer als die derzeitigen Geldleistungen, ebenso die Förderung sozial schwacher aber bildungsinteressierter Gruppen.
ebo
26. Januar 2019 @ 10:53
Es geht um die Rechtsgrundlage und um die Anwendung des gesetzten Rechts. Sie können Bezüge ohne weiteres vom Einkommen abhängig machen, bei der Steuer geht es ja auch!
Peter Nemschak
26. Januar 2019 @ 12:19
…oder von den realen Lebensverhältnissen vor Ort. Letztlich muss das der Europäische Gerichtshof entscheiden.
Erich Ganspöck
26. Januar 2019 @ 10:26
Es ist wieder typisch, dass im Text “Rechte und Ausländerfeinde” gemeinsam erwähnt werden, wohl um zu suggerieren, dass das zwei idente Begriffe seien! Übrigens: Mehr als 70% der Österreicher unterstützen die derzeitige Regierungspolitik. Die von der Realität abgehobene Brüsseler Clique sucht halt immer Mittel, um Nichtlinke in Schwierigkeiten zu bringen. Aber irgendwann ist die Gelddruckmaschine kaputt und wir wollen nicht, dass dies zu Lasten von uns Einheimischen langjährigen braven Steuerzahlern geht!
ebo
26. Januar 2019 @ 10:52
Es gibt auch linke Ausländerfeinde – und rechte Liberale! Letztere haben in Brüssel das Sagen. Oder sind Merkel (CDU), Oettinger (CDU), Weber (CSU), Selmayr (CDU-nah) für Sie ausgemachte Linke?
Peter Nemschak
26. Januar 2019 @ 12:30
An den Menschenrechten und am Rechtsstaat zu rütteln, wie es der österreichische Innenminister Kickl tut, ist abzulehnen. Ob allerdings angesichts der globalen Dauerkrisen ein bedingungsloser Rechtsanspruch auf Asylgewährung in Europa zeitgemäß ist, wäre durchaus diskussionswürdig gewesen, bevor der gesellschaftliche Diskurs durch die Rechten nach 2015 an Fahrt gewonnen hat. Die antiliberalen Vorstellungen der Rechten bedrohen, unabhängig von ihrer grundsätzlichen Migrationsfeindlichkeit, die Grundlagen des liberalen bürgerlichen Rechtsstaates, von dem wir alle profitieren.
Harald Schumann
25. Januar 2019 @ 11:12
seit Monaten? Seit Jahren geht das schon so…https://www.tagesspiegel.de/politik/sozialpolitik-auf-abwegen-die-kindergeldluege-und-die-feigheit-der-grossen-koalition/21141950.html
Peter Nemschak
25. Januar 2019 @ 10:53
@ebo Geldleistungen in diesem Zusammenhang sind leichter zweckwidrig zu verwenden als Naturalleistungen. Daher sind Naturalleistungen vorzuziehen. Beispiel: mehr Unterstützung in Schulen für Kinder aus benachteiligten sozialen Schichten. Dieses Ziel ist nur zu erreichen, wenn man gleichzeitig die Zuwanderung von kulturfremden Unterschichten, unabhängig aus welchem Grund die Zuwanderung erfolgt, begrenzt.
Kleopatra
25. Januar 2019 @ 08:48
Die Idee mit der Kindergeldkürzung wurde nicht nur von Rechten, sondern auch z.B. von der deutschen SPD (S. Gabriel) vertreten, und eignet sich deshalb nur mit Einschränkungen für den Kampf Links gegen Rechts. Solange die Lebenshaltungskosten in den EU-Ländern extrem unterschiedlich sind, läuft die geltende Regel darauf hinaus, dass für Wanderarbeiter eine Lösung attraktiv wird, bei der die Kinder bei den Großeltern oder anderen Verwandten in der Heimat betreut werden, die Eltern aber das an die deutschen, österreichischen Lebenshaltungskosten angepasste Kindergeld als einen Teil des Lohns ansehen. (In Österreich wurde ernsthaft argumentiert, ohne das hohe Kindergeld sei die Arbeit der Osteuropäerinnen, die 7×24 Std/Woche alte Leute pflegen, für diese nicht mehr attraktiv. Aber ist es nicht Aufgabe der Arbeitgeber, eine angemessene Vergütung zu zahlen?).
ebo
25. Januar 2019 @ 09:13
Gabriel war auch gegen die “Kommunisten” in Griechenland. Die Widersprüche in der europäischen und deutschen Argumentation habe ich versucht, in dem blogpost aufzuzeigen!
Peter Nemschak
25. Januar 2019 @ 10:27
Absolut richtig. Es gibt aber Leute, die aus ideologischen Gründen pauschal bei allem schreien, wenn Sozialleistungen anders strukturiert bzw. gekürzt werden. Beim Kindergeld geht es nicht um Versicherungsleistungen, auf welche ein Anspruch der Versicherten besteht, sondern um Umverteilung von Steuergeld. Würde man Unternehmen bei Subventionen analog behandeln, wäre es den Klassenkämpfern egal. Sinnvoll wäre es, Pflegekräfte aus Osteuropa besser zu bezahlen statt über die Hintertüre Kindergeld, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieses Geld letztlich nicht zum Nutzen der Kinder sondern der erwachsenen Verwandten vor Ort landet. Die Unterstützung von Kindern durch Naturalleistungen des Staates wäre jedenfalls sozial treffsicherer als durch Geldleistungen.
ebo
25. Januar 2019 @ 10:33
Es geht um die Frage, ob gleiches Recht für alle gilt. Das ist das Prinzip der EU-Kommission. Diskriminierung darf es nicht geben. Allerdings macht es auch keinen Sinn, reichen Eltern das Kindergeld hinterherzuwerfen. Warum macht man die Zahlungen nicht vom Haushaltseinkommen abhängig? Und von den realen Lebensverhältnissen – wobei auch zu berücksichtigen wäre, wo die Kinder tatsächlich sind? So ließe sich das Problem vernünftig und sozialverträglich lösen!