Erdogan erpresst Finnland, Schweden und die Nato
Jubel beim Nato-Gipfel in Madrid: Die Türkei hat den Weg für den Beitritt Finnlands und Schwedens freigemacht. Doch im Hintergrund geht die Erpressung durch Sultan Erdogan weiter.
“Heute haben die Staats- und Regierungschefs der Nato die historische Entscheidung getroffen, Finnland und Schweden einzuladen, Mitglieder der Nato zu werden”, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dies sei wochenlange harte Arbeit gewesen.
Erst am Vorabend des Gipfels hatte die Türkei ihre Blockade gegen den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden aufgegeben – im Gegenzug für Zugeständnisse der nordischen Länder.
Stoltenberg sagte, die Einigung sei gut für die Türkei, Finnland und Schweden – und auch für die Nato.
Da wäre ich mir nicht so sicher. Denn im Hintergrund geht die Erpressung durch Sultan Erdogan weiter.
Die Türkei verlangt von Schweden und Finnland die Auslieferung von 33 angeblichen Terror-Verdächtigen. Die Forderung beruhe auf dem Abkommen, das Ankara mit den beiden nordischen Ländern unterzeichnet habe, sagte Justizminister Bekir Bozdag.
Dieses Abkommen ist ein Sieg für Erdogan – und eine moralische Niederlage für die Nato. Stoltenberg und viele andere Nato-Politiker haben nämlich Druck auf die beiden Nordländer gemacht, damit sie auf Erdogans Bedingungen eingehen.
Der Sultan kann nun seelenruhig abwarten, ob die Auslieferung wie verlangt klappt. Wenn nicht, kann er seine Erpressung fortsetzen – und die nun noch fällige Ratifizierung des Beitrittsvertrags hinauszögern oder sogar ganz kippen.
Die Nato ist vielleicht militärisch stärker geworden – moralisch hat sie bei diesem Deal jetzt schon verloren…
Mehr zur Nato hier
P.S. Es würde mich nicht wundern, wenn gleich nach dem Nato-Gipfel die lange angedrohte türkische Militäroffensive in Nordsyrien beginnt. Auch das ist vermutlich Teil des Deals…
Konrad
1. Juli 2022 @ 00:43
Atemberaubend wie die Kurden wiedermal von der NATO bzw. Werte EU verraten und verschachert werden, und zum Abschuss durch die Türken freigegeben werden, von nützlichen Freiheitskämpfern gegen Assad in Nordsyrien opportunistisch zu Terroristen gegen Türkei deklariert, tiefer geht nicht, moralischer Offenbarungseid für Finnland und besonders Schweden, was für Heuchler ohne Werte. Tja, in der Realpolitik heiligt wohl der Zweck die Mittel!
european
30. Juni 2022 @ 19:58
Die Griechen sind auch noch nicht vom Haken. Noch vor ein paar Tagen hat die Türkei wieder mal ihre Jets über Griechenland fliegen lassen.
https://www.fr.de/politik/spannungen-mittelmeer-news-tuerkei-griechenland-inseln-aegaeis-kampf-jets-91622306.html
Die letzten Vorfälle dieser Art gab es im April. Ziemlich dicht aufeinander also.
Und für Deutschland’s Rüstungsindustrie läuft es auch sehr gut, wie man sieht:
https://www.investigate-europe.eu/de/2022/wie-eu-waffen-den-konflikt-zwischen-griechenland-und-der-tuerkei-anheizen/
“Im Juli 2021 lieferte Deutschland der Türkei das erste von sechs U-Booten. In einer Analyse des Economist hieß es damals, die U-Bootlieferung „könnte das Mittelmeer destabilisieren“.”
“Deutschlands Unterstützung für das Kampfdrohnenprogramm der Türkei ist beispielhaft dafür, wie EU-Staaten Griechenland zur Aufrüstung zwingen, indem sie Waffen an die Türkei verkaufen“, teilte ein Mitarbeiter der griechischen Rüstungsindustrie Investigate Europe mit. „Mit deutscher Unterstützung hat die Türkei Kampfdrohnen entwickelt, die bereits in der Ukraine und in Nagorno-Karabakh eingesetzt worden sind“, fügte er hinzu. Griechenland habe längst den Anschluss verloren bei der Entwicklung von Kampfdrohnen. „Jetzt baut die griechische Verteidigungsindustrie vier Drohnen, für die der Staat Hunderte Millionen Euro zahlen wird – nur um den Vorteil seines Nachbarn aufzuholen.“
Aber bei den Griechen hält sich unser Mitgefühl bekanntermaßen in Grenzen.
Kann sich noch jemand daran erinnern, dass die Deutschen die Südländer in und nach der Finanzkrise PIGS, also Schweine, genannt haben?
Weber
30. Juni 2022 @ 08:32
>>P.S. Es würde mich nicht wundern, wenn gleich nach dem Nato-Gipfel die lange angedrohte türkische Militäroffensive in Nordsyrien beginnt. Auch das ist vermutlich Teil des Deals…<<
Sie haben ganz recht, und sollten daher weniger die Erpressung des "Sultans" in den Vordergrund rücken (was ja schon einiges aussagt über den fiesen Charakter dieser Verbrecherbande, dass Erpressung schon beim partnerschaftlichen Umgang üblich ist), als die Tatsache, daß die NATO seit Jahrzehnten den türkischen Völkermord an den Kurden unterstützt, um jetzt angeblich einen angeblichen Völkermord in der Ukraine bekämpfen zu können.
Armin Christ
30. Juni 2022 @ 20:36
Das passt doch zu der Heuchelei des Wertewestens.