Sinnlose Sanktionen, geopolitische Gemeinschaft – und Parlament für Panzer

Die Watchlist EUropa vom 06. Oktober 2022 –

Die 27 EU-Länder haben sich auf das achte Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. In Brüssel wird es als entschiedene Antwort auf die illegale Annexion ukrainischer Gebiete präsentiert. In Wahrheit wurden die meisten Maßnahmen, allen voran der Preisdeckel für russisches Öl, schon lange vor der Annexion diskutiert. Mit dem Kriegsverlauf haben die neuen Sanktionen also nichts zu tun – auch wenn EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihre Mitstreiter anderes behaupten. Den Krieg beeinflussen, gar verkürzen oder beenden, werden sie auch nicht.

Dafür kommen die neuen Strafmaßnahmen viel zu spät – und dafür sind sie auch zu schwach. Der neue Ölpreisdeckel hat nämlich viele Schlupflöcher.

So werden die Ausnahmen aus dem EU-Ölembargo, das schon im Sommer beschlossen wurde, einfach fortgeschrieben. Ungarn und einige andere mitteleuropäische Länder können weiter Öl aus Russland beziehen. Griechenland und Zypern können es auch künftig mit ihrer Tankerflotte ausführen.

Doch nicht nur diese Länder – die „üblichen Verdächtigen“ – haben die Sanktionen verwässert. Auch Belgien hat hinter den Kulissen für seine Wirtschafts-Interessen gekämpft und erreicht, dass der ursprünglich geplante Einfuhrstopp für russische Diamanten gestrichen wurde. Er hätte tausende Arbeitsplätze in Antwerpen gekostet.

Sorge um die Wirtschaft

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Letztlich ist das neue Sanktionspaket ein neuer Beweis dafür, dass der Konsens in der EU bröckelt und die Sanktionen ihren Sinn verlieren. Von dem ursprünglichen Ziel, Russland zu ruinieren, wie es Außenministerin Annalena Baerbock formuliert hat, ist nichts übrig geblieben.

Stattdessen wächst die Sorge, dass die Sanktionen die Wirtschaft in der EU schädigen und den ‘Absturz in die Rezession beschleunigen. Diese Sorge ist begründet. Sogar Wirtschaftsminister Robert Habeck räumt ein, dass der „Energiekrieg“ mit Russland zu dauerhaften Wohlstandsverlusten führen wird.

Dieser Wirtschaftskrieg geht nun mit dem Ölpreisdeckel in die nächste Runde. Nicht auszuschließen, dass sich auch diese Strafe als Bumerang erweist und Deutschland und die EU schädigt…

Mehr zum Wirtschaftskrieg hier (Live-Blog)

Watchlist

Findet die EU gemeinsam mit UK und der Türkei einen gemeinsamen Nenner? Dies muß sich beim ersten Treffen der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft mit 44 Ländern in Prag zeigen. Zu dem neuen “geopolitischen” Forum gehören neben den EU-Ländern auch die Ukraine, die Westbalkanstaaten und die Kaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan. Für die Ukraine wird Regierungschef Schmyhal erwartet, Präsident Selenskyj soll dazugeschaltet werden. Hauptthemen sind die Sicherheitspolitik und Energiefragen.

Was fehlt

Die extravaganten Positionen des EU-Parlaments zur Ukraine. Offenbar in dem Bemühen, ihre Rivalin von der Leyen zu toppen, fordert Parlamentspräsidentin Metsola, dass die EU bzw. Deutschland Panzer liefern solle. Das liegt zwar außerhalb ihrer Kompetenz, Waffenlieferungen sind Ländersache. Doch im Vorwahlkampf für die Europawahl 2024 muß man ja irgendwie herausstechen!? Zudem bekräftigten die Abgeordneten ihre Forderung nach einem Verbot von Energieimporten aus Russland. Es würde die Krise verschärfen und die Preise noch mehr erhöhen…