Sie nennen es Flexibilität
Paris und Rom sollen Strukturreformen beschließen, um möglichen EU-Strafen zu entgehen. Brüssel spricht von mehr Flexibilität. Doch es erinnert mehr an die “Reformverträge”, die Kanzlerin Merkel seit langem fordert.
Nun kommen die neoliberalen Reformen, die sich an der Agenda 2010 orientieren, auf dem Umweg über den Stabilitätspakt zurück. Und das, obwohl sie das Wachstum dämpfen und das Budgetdefizit kurzfristig sogar erhöhen können, wie man auch in Brüssel einräumt.
Es gehe darum, dass Strukturreformen mittel- und langfristig wirken und das Wachstumspotential erhöhen, betonen EU-Experten.
Beweise liefern sie dafür nicht. In Deutschland dauerte es einige Jahre, bevor Hartz IV wirkte – wobei der segensreiche Effekte bis heute umstritten ist.
Mit der Änderung solle “die Flexibilität innerhalb des Stabilitätspakts besser genutzt werden”, sagte Kommissionsvize Dombrovskis.
Für mehr Flexibilität hatten sich vor allem die Sozialdemokraten eingesetzt, darunter auch SPD-Chef Gabriel.
Ihr eigentliches Ziel war es, Frankreich, Italien und anderen Problemländern mehr Zeit beim Abbau der Defizite einzuräumen. Die Sanierung wird nämlich durch das fehlende Wachstum in der EU behindert.
Doch ob dies gelingt, ist noch offen. Denn einen Automatismus gibt es nicht: Selbst wenn Paris und Rom noch mehr Reformpläne vorlegen, könnte ihnen dennoch ein EU-Defizitverfahren drohen.
Ein Verlierer steht jetzt schon fest: Frankreichs Präsident Hollande. Er wollte Merkel nämlich eigentlich dazu bringen, als Gegenleistung für Reformen einen neuen EU-Fonds aufzulegen.
Er sollte asymmetrische Schocks in der Eurozone abfedern, z.B. in Gestalt einer gemeinsamen Arbeitslosenkasse. Nun muss Hollande nachsitzen – ganz ohne Geld von Mutti.
Die von Hollande und Genossen verlangte “Flexibilität” hat sich als Bumerang erwiesen. Ähnlich ist es ihm schon mit seinem Wachstumspakt ergangen…
Nemschak
16. Januar 2015 @ 08:59
Warum unilateral? Was hat die anderen EU-Mitglieder daran gehindert die Agenda 2010 umzusetzen?
winston
16. Januar 2015 @ 07:57
Derart tiefgreifende Arbeitsmarktreformen wie die Agenda 2010 kann man in einem gemeinsamen Währungsraum nicht unilateral durchführen, schon gar von einer nur auf den Export ausgerichteten Volkswirtschaft wie Deutschland, sondern muss unbedingt mit den anderen Partner abgestimmt werden.
Schön das es im Peterson Institut auch langsam anfängt zu dämmern, allerdings reichlich spät, denn das gleiche sagte schon Strauss-Kahn bevor Er vom IWF frühzeitig beurlaubt wurde.
Werden die EU Eliten drauf eingehen, NEIN, selbst ein Panzer kann diese Psychopaten nicht mehr aufhalten, sie werden die Zerstörung Europas vorantreiben, bis zum Default einzelner EZ Staaten (die Gläubiger können ihre Forderungen dann ans Bein streichen) mit anschliessendem Euro Kollaps.
http://blogs.piie.com/realtime/?p=4700
Nemschak
15. Januar 2015 @ 20:34
@ebo in Deutschland sind die angeführten Maßnahmen passiert, und Deutschland steht gut da, zumindest vergleichsweise, auch was die Arbeitslosigkeit betrifft.
Johannes
15. Januar 2015 @ 14:12
Bisher waren Frankreich und Italien zu faul oder zu arrogant sich für den Euro fit zu sparen.
Wir Zeit, das sich das ändert …. oder um im Sprachjargon der dt. Politik- und Journalistenelite zu bleiben … sie müssen sich fit sparen sonst gefährden sie den Europäischen Frieden und das wäre Anti-Europäisch und Nationalistisch.
(diese Wortwahl wurde von allen Politiker und Journalisten damals gewählt, ich bin hier nicht am hetzen noch sonst was, mit diesen Worten hat man uns Bürger damals gefügig gemacht, schon komisch das SPD und Grüne Frankreich nicht als Anti-Europäisch betiteln, die eigenen Bürger hat man damit damals beschimpft!)
ebo
15. Januar 2015 @ 14:16
@Johannes
FR und IT haben bei der Euro-Einfühung die von D erfundenen Konvergenz-Kriterien erfüllt, sie müssen sich also nicht “fit für den Euro sparen”.
Eis Zeit
15. Januar 2015 @ 15:46
Bildleser?
Man kann nur sparen wenn man was erwirtschaftet u. zum sparen hat. Merkel und Schàuble haben das Sparen VOR das Wachstum gesetzt und so die ohnehin schon wache Wirtschaft (Betriebe) kaputt gespart.
Versuchen sie doch mal ein Taxiunternehmen aufrecht zuhalten, wenn ihnen ein Motor nach den anderen kaputt geht und sie keinen Kredit fùr einen neuen aufnehmen dùrfen. Am Ende kònnen sie nicht mal die auf Pump gekauften anderen Auto abzahlen und alles geht auf einmal den Bach runter. (vereinfacht ausgedrùckt)So wie jetzt die gesamte EU.
Tim
14. Januar 2015 @ 18:59
Es wäre ja zu schön, wenn wirklich neoliberale Reformen zur Debatte stünden, aber das tun sie natürlich nicht. Frankreich und Italien werden niemals verkrustete Verwaltungen aufbrechen und Überregulierung zurücknehmen. Dann wären ja plötzlich Pfründe in Gefahr!
Und ja: Natürlich ist es unglaublich bescheuert, daß Euro-Mitglieder massiven Druck “von oben” bekommen. Mit der Folge, daß alle Seiten frustriert sind und sich gegenseitig die Schuld zuschieben können.
ebo
14. Januar 2015 @ 21:55
@Tim
Lockerung des Kündigungsschutzes, Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, längere Lebensarbeitszeit, Abbau der Tarifbindung, Hartz IV etc. pp – wenn das keine neoliberalen Reformen sind, was dann?
Tim
14. Januar 2015 @ 22:57
@ ebo
Den Mindestlohn nicht vergessen. Du sprichst allerdings so, als seien sie praktisch schon umgesetzt. Es wäre natürlich gut für Frankreich (übrigens vor allem für die ausgegrenzten Jugendlichen in den Banlieus, aber das nur am Rande) – aber ich glaube es erst, wenn die Nationalversammlung die Reformen beschlossen hat.
Andererseits … Ich hatte ja vor Monaten gesagt, daß Hollande für größere innenpolitische Stärke einen externen Gegner braucht, so wie Thatcher ihren Galtieri hatte. Vielleicht hat er den ja gerade gefunden, so bitter es ist …
Übrigens, im Artikel sprachst Du von Reformen, die sich “an der Agenda 2010” orientieren. Das wäre deutlich zuwenig und auch deutlich zuwenig neoliberal. Wie ich schon oft erläutert habe, war die Agenda 2010 nur eine Art Verschiebebahnhof der Probleme, keine Beseitigung derselben.
Nemschak
15. Januar 2015 @ 16:43
Wie würde die europäische Welt aussehen, wenn die angeführten Maßnahmen nicht passiert wären?
ebo
15. Januar 2015 @ 16:53
@Nemschak
Falls Sie die Strukturreformen meinen: Schauen Sie einfach nach Italien, wo Merkel, Monti, Letta & co. seit 3 Jahren aktiv sind. Die Wirtschaft wächst nicht mehr. Die Schulden umso mehr…
Tim
15. Januar 2015 @ 18:21
@ ebo
Du vergißt zu erwähnen, daß in Italien vor allem italienische Politiker aktiv sind. Seit Jahrzehnten. Das ist das weit größere Problem Italiens.