Sicherheit vor Solidarität, Grenzkrise in Polen – und Erfolg beim Impfen (schon wieder)

Die Watchlist EUropa vom 01. September 2021 –

Was hat Vorrang – die Solidarität mit den Flüchtlingen aus Afghanistan oder die Sicherheit und Stabilität in Europa? Über diese Frage ist ein ungewöhnlich heftiger Streit zwischen den EU-Staaten und dem slowenischen Ratsvorsitz entbrannt.

Der Ratsvorsitz hatte in seiner Beschlussvorlage für die Krisensitzung die Sicherheit betont und vor möglichen Gefahren durch afghanische Terroristen gewarnt. Die Aufnahme von Flüchtlingen kam in dem Papier dagegen nur am Rande vor.

Auch der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) sprach sich gegen eine Öffnung aus. Er sei dagegen, über konkrete Zahlen für die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan zu sprechen, sagte Seehofer vor einer Sondersitzung in Brüssel.

Solche Zahlen würden einen “Pull-Effekt” auslösen – „und das wollen wir nicht.“ Nur “besonders geschundene Personen” sollten im Rahmen von Umsiedlungsprogrammen kommen, so Seehofer weiter.

Die Gegenposition nahm Luxemburgs Innenminister Jean Asselborn ein. Er werde die Beschlussvorlage bekämpfen und für europäische Solidarität werben, erklärte er.

Wer „in diesem extrem dramatischen Moment“ die Solidarität „mit dem gefolterten Volk in Afghanistan“ ablehne, verliere „die Qualität, ein Europäer zu sein.“

Asselborn zielte damit auf den slowenischen Regierungschef und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Janez Jansa, der sich kategorisch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hat.

Gemeint ist aber auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, der keine Kontingente für besonders gefährdete Flüchtlinge zur Verfügung stellen will, wie sie etwa das Uno-Flüchtlingshilfswerk fordert.

Gegen “illegale Migration”

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Nach dem Willen Asselborns sollte die EU 40.000 bis 50.000 Resettlement-Plätze für afghanische Flüchtlinge zur Verfügung stellen. “Damit würden wir Mädchen, Frauen, ehemalige Richterinnen, Menschenrechts-Aktivisten oder andere Personen, deren Leben unmittelbar bedroht ist, im Rahmen von Umsiedlungen in die EU holen.“

Bei den Beratungen der Innenminister fand sich dafür jedoch keine Mehrheit. Die EU legte sich nicht auf bestimmte Zahlen oder Kontingente fest. In der Abschlusserklärung wird stattdessen der Schutz der Außengrenzen und der Kampf gegen „illegale“ Migration betont.

Es gehe darum, „die Wiederholung von unkontrollierten, großen illegalen Migrationsbewegungen zu verhindern, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat“, heißt es in Anspielung auf die Krise 2015. Sechs Jahre später geht Sicherheit vor Solidarität…

Mehr zu Afghanistan hier

Watchlist

Eskaliert der Grenzstreit zwischen Polen und Belarus? Wegen vieler illegal über Belarus einreisender Migranten will die Regierung in Warschau den Ausnahmezustand in der Grenzregion verhängen. Im Fokus steht zudem eine Gruppe von 32 Flüchtlingen aus Afghanistan, die seit fast drei Wochen in der Nähe des Grenzorts Usnarz Gorny festsitzen. Polnische Grenzschützer, Polizisten und Soldaten haben das Lager abgeriegelt und lassen die Flüchtlinge nicht ins Land.

Was fehlt

Die neue Erfolgsmeldung beim Impfen. 70 Prozent der Erwachsenen in der EU sind laut Kommissionschefin Ursula von der Leyen jetzt vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Ende Juli hatte von der Leyen bereits von einem Meilenstein gesprochen, als 70 Prozent der Erwachsenen mindestens einmal gegen Corona geimpft waren. Anfang Juli wiederum war angeblich bereits genug Impfstoff ausgeliefert, um 70 Prozent der Erwachsenen vollständig zu impfen…