Schwere Unruhen in Brüssel
Nicht nur in Deutschland wird gestreikt. Auch in Belgien heizt sich das soziale Klima auf. Aus Protest gegen geplanten Sozialabbau gingen heute mehr als 100.000 Menschen in Brüssel auf die Straße.
Am Nachmittag kam es zu schweren Unruhen. Der Innenstadtring wurde von Dock- und Metallarbeitern gestürmt, es kam zu wilden Straßenschlachten mit vielen Verletzten, mindestens einer schwer.
Anlass ist der Plan der neuen liberalen Regierung, das Rentenalter auf 67 anzuheben, automatische Lohnerhöhungen abzuschaffen und Milliarden im Sozialbudget zu sparen – das klassische EU-Programm.
Bemerkenswert ist, dass auch viele Flamen auf die Straße gingen. Dabei sind die flämischen Parteien, insbesondere die Separatisten, im neuen Kabinett überrepräsentiert. – Mehr hier
Peter Nemschak
7. November 2014 @ 15:03
@ebo Ich hoffe, auch Automechaniker mit Job. Sie sind schwer zu überzeugen. Ihre Kritik scheint außerhalb einer überschaubaren Gemeinde auf taube Ohren zu stoßen.Übrigens ist sozialer Friede nicht von automatisch inflationsangepassten Löhnen abhängig, wie Beispiele aus anderen EU-Ländern zeigen.
ebo
7. November 2014 @ 15:08
Sie müssen nicht mich überzeugen, sondern 120.000 unzufriedene Belgier, die für ihre Rechte auf die Straße gegangen sind. Das war übrigens nur der Auftakt einer Streikwelle. Ähnliches erleben wir derzeit in Italien, Portugal, Griechenland, Irland und – last not least – Deutschland.
Tim
7. November 2014 @ 15:20
Die Unzufriedenen könnten zur Abwechslung mal Politik wählen, die die Ursache der Probleme bekämpft, nicht die Symptome.
Nur mal so als Idee.
Andres Müller
7. November 2014 @ 00:30
„Anlass ist der Plan der neuen liberalen Regierung, das Rentenalter auf 67 anzuheben, automatische Lohnerhöhungen abzuschaffen und Milliarden im Sozialbudget zu sparen – das klassische EU-Programm.“
Der EU Deflations -Klassiker, noch mehr solche Ideen -dann gibt es garantiert Negativ-Zinsen auf jedem Sparkonto und ein zusätzliches Lumpen -Proletariat als Bonus.
Peter Nemschak
7. November 2014 @ 14:21
@ebo Sie und A.Müller seid wahrlich rote Retrodenker und Sozialpolitiker alten Stils. Die automatische Anpassung der Löhne an die Inflationsrate beschleunigt die Substitution von Arbeit durch Kapital und erhöht die Arbeitslosigkeit in einer sich rasch wandelnden Wirtschaft. Ein wirksames Rezept wäre lebenslange Weiterbildung auf allen Ausbildungsstufen, nicht nur bei akademischen Berufen und Führungskräften. Den wirtschaftlichen Wandel hat es immer gegeben, nur vollzog er sich innerhalb einer Generation. Aus Hufschmieden der Elterngeneration wurden Automechaniker in der nächsten Generation. Heute findet der Wandel mehrmals in einer Berufsgeneration statt, was viele Menschen, vor allem ältere, belastet. Sollte sich der Wandel nicht weiter beschleunigen, wird sich das System über kurz oder lang stabilisieren und einpendeln.
ebo
7. November 2014 @ 14:33
Na klar, in Brüssel treffe ich täglich arbeitslose Hufschmiede…
winston
6. November 2014 @ 22:39
„Sie war in der Vergangenheit eine gängige Praxis vor allem in romanischen Ländern mit starken kommunistischen Gewerkschaften.“
Wenn Sie von Makroökonomie keine Ahnung haben, dann schweigen Sie bitte. Ihre Schlussfolgerungen sind falsch und irreführend. Auf und Abwertung von Währungen hat weder was mit Romanisch noch was mit kommunistisch oder sonst was zu tun, sondern HAUPTSÄCHLICH mit Handelsbilanzüberschüsse/Defizite, inkl. Kapital Export/Importe.
Die DM hat seit seiner Einführung praktisch ggü sämtliche Währungen AUFGEWERTET inkl UK£ und US£. Ein paar ausnahmen ausgenommen, Die Deutschen Satelliten Staaten und Japan.
UK und USA sind alles, ausser kommunistisch.
Ist Schweden auch Romanisch und kommunistisch ?
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwedische_Krone#mediaviewer/File:DEM_to_SEK.svg
Peter Nemschak
7. November 2014 @ 05:40
In den traditionellen Weichwährungsländern waren die Unternehmer bereit, auch überzogene Lohnforderungen der Gewerkschaften zu akzeptieren, weil sie damit rechnen konnten, dass ihre verloren gegangene Wettbewerbsfähigkeit über die Währungsabwertung ihres Landes ausgeglichen werden konnte. Frankreich und Italien waren klassische Beispiele dafür. Der Kurs des FFR und der Lit. gegenüber der DM ist seit den 70-iger Jahren ständig gesunken. Dieser zur Gewohnheit gewordene Mechanismus funktioniert heute nicht mehr. Automatische Lohnanpassungen an die Inflation wirken strukturkonservierend, was besonders in Branchen wie der Logistikbranche, in denen Rationalisierungseffekte besonders ausgeprägt sind, Kostenprobleme erzeugt. Das Verhalten von Gewerkschaften hat sehr wohl etwas mit dem Problem steigender Arbeitslosigkeit zu tun. Dieses Verhalten war traditionell in den verschiedenen Ländern der EU sehr unterschiedlich, in den romanischen Ländern, insbesondere Frankreich und Italien aber sehr ähnlich.
Tim
6. November 2014 @ 18:21
Wie sieht denn der strategische Plan der Dockarbeiter und ihrer Gewerkschaft zur Beseitigung der grundsätzlichen Probleme aus?
Peter Nemschak
6. November 2014 @ 17:42
Lohnbindung an die Inflation setzt eine eigene Währung, die man abwerten kann, voraus. Sie war in der Vergangenheit eine gängige Praxis vor allem in romanischen Ländern mit starken kommunistischen Gewerkschaften. Ich hätte mir erwartet, dass sich der Volkszorn eher gegen die „kalte“ Lohnsteuerprogression richtet. Durch sie profitiert nicht der Arbeiter sondern der Staat von Lohnerhöhungen.
ebo
6. November 2014 @ 17:52
Belgien ist weder ein romanisches Land, noch hat es starke kommunistische Gewerkschaften. Gewalttätig wurden offenbar zuerst die Docker aus Antwerpen. Bitte vergessen Sie endlich Ihre Vorurteile aus dem letzten Jahrhundert!
Peter Nemschak
6. November 2014 @ 18:35
Die Gewalttätigkeit der Docker hat mit flämisch und wallonisch nichts zu tun, wohl eher mit dem Umstand, dass sie sich in ihren Jobs bedroht fühlen. Automatische Lohnerhöhungen gegen deren Abschaffung man protestieren könnte, sind mir in Deutschland und Österreich nicht bekannt, hatten aber nicht nur in Belgien sondern auch Frankreich, so weit ich mich erinnern kann, Tradition. Dass automatische Lohnerhöhungen in Zeiten raschen Strukturwandels zu Arbeitsplatzverlusten führen, dürfte wohl unbestritten sein, ebenso, dass der demographische Wandel eine Erhöhung des Rentenalters oder eine Absenkung der Renten erfordert.
DerDicke
6. November 2014 @ 20:28
Doch, ich bestreite beides.
Mit automatischen Lohnerhöhungen hätte der Binnenmarkt in Deutschland in den letzten 10 Jahren eine Chance auf Wachstum gehabt, durch den zusätzlichen Konsum wären wieder neue Arbeitsplätze entstanden. Der ungesunde Außenhandelsüberschuss wäre bei weitem nicht so hoch, das Gefälle Nord – Süd nicht so katastrophal.
Und der Strukturwandel durch die alternde Bevölkerung wird überbewertet, wir leisten uns in Deutschland Millionen Arbeitslose die wir problemlos nebenbei mit durchfüttern. Durch die permanente Steigerung der Produktivität wird die Überalterung überkompensiert, trotz sinkender Beschäftigtenzahlen steigt der Output permanent, würden mehr Menschen in die Produktion gebracht wüssten wir überhaupt nicht mehr wohin mit den ganzen Produkten.
ebo
6. November 2014 @ 21:17
Fest steht, dass die Lohnindexierung in Belgien den sozialen Frieden gesichert hat. Jetzt wankt beides…