Separatisten und Sozialabbau
Noch ein Fehlstart in Brüssel: Auch die neue belgische Regierung, die nach “nur” vier Monaten zustande kam, kann nicht überzeugen. Dabei macht Premier Michel einen sympathischen Eindruck.
Doch seine Regierung stützt sich vor allem auf flämische Parteien – und noch dazu die Separatisten von der N-VA. Michel mache die Separatisten hoffähig, klagen (frankophone) Belgier.
Außerdem ist sie sehr (neo-)liberal eingestellt. Gleich bei seinem Amtsantritt hat Michel angekündigt, das Rentenalter auf 67 anzuheben. Außerdem soll die Lohnbindung an die Inflation fallen, die bisher für sozialen Frieden sorgte.
Separatisten und Sozialabbau – das könnte sich als explosive Mischung für Belgien erweisen. Doch Brüssel (EU) schaut gleichgültig zu – genau wie bei der Diskriminierung nicht-flämischsprachiger Bürger im Brüsseler Umland.
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Michael
14. Oktober 2014 @ 16:10
Ja, aber das ist es doch genau: Herr Las konnte nur den EuGH anrufen und von ihm Recht erhalten, weil er kein belgischer Staatsangehöriger ist. Wäre er Belgier, stünde ihm dieser Schutz nicht zu. Denn als Niederländer macht er von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch, als Belgier nicht (jedenfalls nicht zwischen zwei EU-Staaten).
ebo
14. Oktober 2014 @ 16:15
Werden Sie gefeuert, wenn Sie in Österreich einen Vertrag auf Englisch aufsetzen? Warum verteidigen Sie die überaus ärgerlichen flämischen Sprachregeln? In dem Beitrag geht es übrigens um mehr – um Separatismus. Das steckt dahinter…
Michael
14. Oktober 2014 @ 17:01
Wenn ich mir den Fall (Dokumente des EuGH, Fall C‑202/11) genau anschaue, dann ging es hier darum, dass ein Niederländer mit einer multinationalen Firma einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat (in Englisch), als die ihm gekündigt haben, hat er sich darauf berufen, dass der Vertrag nicht gültig sei, und mit dieser Begründung eine höhere Abfindung verlangt. Also wurde hier der Bürger gerade nicht gegängelt (Flandern hat ihn nicht daran gehindert, den Vertrag auf Englisch abzuschließen und durchzuführen). Der EuGH hat hier im Gegenteil die Interessen des Arbeitgebers geschützt, der auf die Gültigkeit des Vertrags vertraut hat.
Michael
13. Oktober 2014 @ 23:49
Kennen Sie den juristischen Fachbegriff von der “zulässigen Inländerdiskriminierung”?
Die EU schützt eben vor einem Mitgliedstaat in der Regel nur die Bürger anderer Mitgliedstaaten. Denn die dürfen nicht schlechter behandelt werden als Inländer. Folge z.B.: in Schottland sind Universitäten für Schotten viel billiger als für Engländer. Die EU-Regeln haben zur Folge, dass auch Studenten aus anderen EU-Staaten den Gebührensatz für Schotten zahlen. Somit ist ein Studium in Edinburgh für einen Engländer fünfmal so teuer wie für einen Deutschen …
Entsprechend ist die EU nicht für Schwierigkeiten eines frankophonen Belgiers im Brüsseler Umland zuständig. Allenfalls wenn man dort einem EU-Ausländer Schwierigkeiten macht. Und warum sollte die EU eine Regierungsbildung in Belgien kommentieren (abgesehen davon, dass die alte Kommission nur noch auf ihre Ablösung wartet, die neue aber noch nicht im Amt ist, also nicht eindeutig, wer sich zu empören hätte)? Warum sollte eine EU-Kommission gegen die Rente mit 67 in Belgien protestieren (meines Wissens hat sie das nicht getan, als sie in Deutschland beschlossen wurde)?
ebo
14. Oktober 2014 @ 09:08
Von der “Inländerdiskriminierung” sind tausende EU-Bürger, insbesondere Deutsche, betroffen, die sich im Umland von Brüssel niederlassen.
Michael
14. Oktober 2014 @ 14:26
Mit ist freilich nicht bekannt, dass irgendein EU-Mitgliedstaat verpflichtet wäre, mit Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, in einer anderen als der eigenen Landessprache zu kommunizieren.
Die “Inländerdiskriminierung” betrifft natürlich nur Belgier; aber jeder EU-Staat ist m.W. frei, seine Staatssprache festzulegen und auch mit Immigranten nur in der zu kommunizieren (mit der einzigen Ausnahme von Strafverfahren. Da hat jeder Angeklagte ein Recht auf Verdolmetschung). Wenn eine Gemeinde im Umland mit Allen nur auf Flämisch kommuniziert, diskriminiert sie ja auch niemanden!
ebo
14. Oktober 2014 @ 15:42
So einfach ist das nicht. Lies das mal: http://www.euractiv.com/culture/eu-high-court-condemns-flanders-news-519178
Zitat: “The Luxembourg-based court found that the Flemish community had infringed the rights of Anton Las, a Dutch national who was working for a multinational group whose registered office is in Singapore.”
ebo
13. Oktober 2014 @ 12:36
Die Mischung macht’s. Wenn sich 2/3 der Wallonen nicht repräsentiert fühlen und die Gewerkschaften gegen Maßnahmen mobil machen, von denen im Wahlkampf keine Rede war (ebensowenig wie vom neuen Premier), dann kann Belgien in eine schwere Krise stürzen.
Peter Nemschak
13. Oktober 2014 @ 15:06
Mit Sozialgeschenken lässt sich dieses Uraltproblem nicht lösen, eher mit politischer Beteiligung. Nur: das ist kein EU- sondern ein belgisches Nationalproblem, das die belgische Nation bzw. der belgische Staat lösen muss, ebenso so wie der spanische Staat mit den Basken und Katalanen zu recht kommen muss.
Peter Nemschak
13. Oktober 2014 @ 09:23
Nur Unbelehrbare wollen nicht wahrhaben, dass die Lebenserwartung in den letzten 40 Jahren deutlich gestiegen und es nur natürlich ist, das Renteneintrittsalter entsprechend anzuheben, um die Finanzierbarkeit zu sichern. Die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation wirkt strukturkonservierend. Ebenso abzulehnen ist die kalte Progression bei den Lohnsteuern, da sie den Staaten Einnahmen verschafft, welche nicht der Kontrolle durch das Parlament unterliegen. All das hat mit neoliberal nichts und auch schon gar nichts zu tun sondern mit wirtschaftlicher Vernunft. Der Autor des Beitrags ist wie Frankreich und Italien in Illusionen und Wunschdenken gefangen.