Scholz vs. Macron: Im Zweifel mit den USA
Kanzler Scholz sieht eine multipolare Welt kommen, will aber treuer Partner der USA bleiben. Deshalb lehnt er die europäischen Großmacht-Pläne von Präsident Macron ab.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich gegen Bestrebungen ausgesprochen, die EU zu einer dritten Supermacht neben den USA und China zu machen.
“Wer nostalgisch dem Traum europäischer Weltmacht nachhängt, wer nationale Großmachtfantasien bedient, der steckt in der Vergangenheit”, sagte der SPD-Politiker im EU-Parlament in Straßburg.
Andere Länder würden sich “zu Recht nicht abfinden mit einer bi- oder tripolaren Weltordnung”. Was es brauche, sei Partnerschaft auf Augenhöhe. “Die Welt des 21. Jahrhunderts wird multipolar sein.”
Die EU soll aber offenbar kein eigenständiger Machtpol werden – sondern im Windschatten der Amerikaner segeln. Die USA blieben “Europas wichtigster Verbündeter“, betonte der Bundeskanzler.
Für eine EU als globales Machtzentrum neben den USA und China hatte zuletzt vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plädiert. Scholz setzt sich nun von ihm ab – wieder einmal…
Siehe auch “Wo Macron recht hat”
KK
11. Mai 2023 @ 13:39
@ european:
Interessanter Link; das “bodycounting” scheint in den USA mit ähnlicher Akribie betrieben zu werden wie hierzulande die unendlichen Statistiken die Fussball-Bundesliga betreffend…
european
11. Mai 2023 @ 10:58
@KK
Das sind ja nur die, die es in die Medien schaffen. Diese Website gunviolencearchive.org fuehrt genau Protokoll.
https://www.gunviolencearchive.org/
Mir fehlen da die Worte. Der Weg zur amerikanischen Freiheit ist mit vielen Toten gepflastert.
KK
11. Mai 2023 @ 00:12
@ european:
„In USA interessieren sich auch nur wenige für die vielen Opfer von Schießereien an Schulen“
Ich las im Zusammenhang mit den Berichten über den Amoklauf dieser Transfrau an einer Schule in Nashville, TN Ende März diesen Jahres, dass dies bereits der 16. (in Worten: sechzehnte!) Amoklauf an einer US-Schule in diesem Jahr gewesen sei.
Das wäre dann im Schnitt mehr als einer pro Woche, da tritt dann wohl schon eine Art Gewöhnungseffekt ein, der einem Amerikaner als Reaktion auf so eine Nachricht allenfalls noch ein gelangweiltes „schon wieder“ oder „wo denn heute?“entlocken kann…
Hekla
10. Mai 2023 @ 15:48
Partnerschaft auf Augenhöhe… soso.
Und das erreicht man am besten mit (Sekundär-)Sanktionen, mit denen man in bester Kolonialherrentradition souveränen Staaten vorschreiben will, wie und mit wem sie Handel treiben sollen??? Ich fürchte, die betroffenen Staaten haben ein anderes Verständnis von “Augenhöhe”.
Machiavelli
10. Mai 2023 @ 14:42
Ist das Einfalt, was Scholz uns hier bietet? Die von ihm geforderte multipolare Weltordnung wird doch gerade von den USA verhindert, denen er um den Hals fällt. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe ist es jedenfalls nicht, wenn sich die Bundesregierung von den USA und einigen osteuropäischen Ländern am Nasenring durch die Manege zerren lässt. Es wäre auch mal interessant zu wissen, wo Herr Scholz denn die multipolaren Zentren sieht, zu denen Europa als Schoßhund der Amerikaner offenbar nicht gehören soll.
KK
10. Mai 2023 @ 01:28
„Was es brauche, sei Partnerschaft auf Augenhöhe.“
ROFL – ja, da soll er mal in Nairobi, Beijing oder einigen anderen Hauptstädten des Südens nachfragen, wie sein oder seiner Aussenministerin Auftreten beim jeweils letzten Staatsbesuch dort aufgenommen worden sind. Ich glaube eher, die verstehen unter „Augenhöhe“ was völlig anderes… Oder meinte Herr Scholz etwa „Hühneraugenhöhe“?
@ european:
„…dass die Republikaner gern nach Mexiko einmarschieren würden. Vorgeblich wegen der vielen Drogentoten…“
Sind die Drogentoten in den USA ein kleineres Problem, nur weil die ihre Opiate auf Rezept bekommen hatten und die US-Pharmaindustrie sich dumm und dämlich dran verdient?
european
10. Mai 2023 @ 18:44
Natürlich nicht. Die Drogentote sind nur ein Vorwand. In USA interessieren sich auch nur wenige für die vielen Opfer von Schießereien an Schulen oder in Einkaufszentren. Für die sogenannte Freiheit nimmt man alles in Kauf. Tut uns ja leid um die erschossenen Kinder, aber das Recht auf Waffen steht nun mal in der Constitution, damit wir uns gegen den Staat verteidigen können.
Ich hatte eher vermutet, dass Obrador zum neuen Hitler aufsteigen wird, gegen den man militärisch vorgehen muss. Bisher war das ein probates Mittel und rechtfertigte jeden Angriffskrieg oder zumindest einen Putsch. Insbesondere in Südamerika haben die USA bisher herumgeputscht als gäbe es keinen Morgen mehr. In diesem aktuelle Kurzbericht wird das recht gut zusammengefasst: https://youtu.be/iFxiuqE_wy8
Nun hat Obrador Beliebtheitswerte, von denen die US-Oberen nur träumen können und es dauert wahrscheinlich zu lange, um ihn überzeugend als neuen Hitler zu verkaufen. Da kommen die Drogentoten gerade recht. Irgendwie muss es doch machbar sein, an die mexikanischen Bodenschätze zu kommen. 😉
european
9. Mai 2023 @ 19:47
“„Wer nostalgisch dem Traum europäischer Weltmacht nachhängt, wer nationale Großmachtfantasien bedient, der steckt in der Vergangenheit“,”
Das ist schlichter Unfug. Man kann das nicht mal aus Macron’s Worten herauslesen, selbst wenn man es wollte. Es entspringt vermutlich der Tatsache, dass Scholz nicht mit Macron kann. Macron’s Innenpolitik ist sicherlich mehr als kritikwürdig, aber Außenpolitik kann er und strategisches Denken beherrscht er auch. Scholz beherrscht weder noch, aber er ist zumindest noch nicht so begriffsstutzig, um es zu merken. Mit dem Charme eines mittleren Beamten im deutschen Innendienst kommt man eben international nicht weit. Das kränkt das Ego.
Macron hat seit seiner ersten Wahl die Souveränität Europas zu seinem Thema gemacht und ist auf die tauben Ohren und die Überheblichkeit seiner deutschen Nachbarn gestoßen. Dabei hätte ein Blick auf die Weltkarte genügt. Erst recht jetzt nach den fast tektonischen Verschiebungen in der Weltpolitik und den Erfahrungen mit unseren amerikanischen Freunden, die mal eben unsere Energieversorgung in die Luft gesprengt haben. Europa ist winzig im Vergleich, jedes einzelne Land noch winziger. Die Briten bekommen das gerade kalt serviert. Das Land ist nach dem Brexit eben nicht wieder auf den Thron der Welt gestiegen, sondern darf am Katzentisch Platz nehmen und dann auch nur, wenn die Exfreunde das so wollen. Ich mag Tony Blair nicht, aber er hat es genau so prophezeiht.
Nun, Überheblichkeit können wir ebenso gut wie Selbstgerechtigkeit und seit jüngstem sind wir Klassenprimus in Moral, die wir vor uns hertragen, wie eine Monstranz. Wir sind auf Mission, nur will unserer Prozession keiner folgen. Sie hören nicht mal zu. Die Welt hat wichtigeres zu tun, als deutschem Lamento zu folgen, denn Deutschland hat sich selbst abgeschossen, wirtschaftlich und politisch. Unsere Freunde jenseits des Atlantiks werden vielleicht Blumen zur Beerdigung schicken. Mehr ist da nicht drin.
Ach ja. Nur noch nebenbei. Von wegen “Freunde” und “Werte”.
Vorgestern konnte man in The Nation lesen, dass die Republikaner gern nach Mexiko einmarschieren würden. Vorgeblich wegen der vielen Drogentoten, was eine Farce ist im Anbetracht der Tatsache, dass mit Hilfe der Amerikaner Afghanistan zum Drogenexportland No 1 aufgestiegen ist.
Aber das nur nebenbei. Selbst The Nation weist darauf hin, dass es wohl eher um die kürzlich verstaatlichten Lithiumvorkommen und andere Bodenschätze geht.
Hätte nicht gedacht, dass es so schnell gehen wird. Werden wir dann auch Mexiko sanktionieren?
https://www.thenation.com/article/politics/invade-mexico-amlo-cartels/
Thomas Damrau
9. Mai 2023 @ 19:35
“Well, young man, when you grow up – What do you want to be?”
“Please, sir, if that’s alright I’d really rather like to learn how to be me.”
(Peter Hammill, Time for a Change)
Es ist nicht die Aufgabe von Politik, ständig zu erklären, was man nicht sein möchte. Scholz bewegt sich mit seinen Aussagen auf einer hohen abstrakten Ebene: uni-polar, bi-polar, tri-polar. Das hilft überhaupt nicht weiter.
Faktisch unterstützt Scholz die USA bei der Aufrechterhaltung ihrer uni-polaren Welt und bleibt uns die Antwort schuldig, welche Rolle die EU in der Welt spielen soll – egal, ob er auf die Welt das Label uni-, bi- oder tri-polar klebt.
Wie gehabt: Es fehlt die Definition eigener Interessen, Ziele, Strategien, …
Thema verfehlt – setzen 6!