Scheitert das Ölembargo, ist Kiew das neue Mekka – und dürfen die Briten schnüffeln?

Die Watchlist EUropa vom 06. Mai 2022 –

Endlich kommen wieder gute Nachrichten aus Brüssel. Folgt man der neuen „Eurobarometer“-Umfrage, so unterstützt eine große Mehrheit der EU-Bürger die nach dem Angriff auf die Ukraine verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland. 55 Prozent stimmten den Sanktionen voll zu, 25 Prozent stimmten eher zu. Für die Erhebung wurden zwischen dem 13. und 20. April rund 26 000 Bürgerinnen und Bürger in den 27 Mitgliedsstaaten befragt.

Allerdings sind die Fragen so ausgelegt, dass man die EU-Maßnahmen eigentlich nur toll finden kann. Nach möglichen Nachteilen wird gar nicht erst gefragt – mehr Inflation, weniger Wachstum und höhere Abhängigkeit von den USA sind kein Thema.

Zudem wurde die Umfrage schon vor dem nun diskutierten fünften Sanktionspaket gemacht, bei dem es ans Eingemachte geht. Mit dem geplanten Ölembargo gegen Russland kommen auf die EU-Bürger schmerzhafte Einschnitte zu – sie wurden nicht erfasst.

Außenministerin Baerbock meint zwar, Deutschland sei bereit, einen Preis für die Ukraine zu zahlen. Doch spätestens, wenn in Berlin kein Benzin mehr fließt, weil die Ölpipeline „Druschba“ stillgelegt wird, wird sich das ändern. Dann könnte die Stimmung kippen.

Wie ernst die Lage ist, merken jetzt schon die Botschafter der 27 EU-Staaten. Sie diskutieren in Brüssel über Details des geplanten Ölembargos – und sind sich prompt in die Haare geraten.

Änderungswünsche

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So halten Ungarn und die Slowakei die vorgesehenen Ausnahmeregelungen für unzureichend. Zudem wollen auch Tschechien und Bulgarien Ausnahmeregelungen, wenn es solche für Ungarn und die Slowakei gibt.

Widerstand gibt es zudem von Zypern, Griechenland und Malta. Sie fürchten, dass ein ebenfalls vorgesehenes Transportverbot für russisches Öl ihre Reedereien einseitig benachteiligt.

Angesichts der vielen Änderungswünsche wird erwartet, dass die EU-Kommission am Freitag einen überarbeiteten Entwurf präsentiert. Spätestens am Wochenende, so heißt es in Brüssel, soll es zum Schwur kommen.

Experten warnen

Doch selbst wenn das Embargo beschlossen werden sollte, könnte es immer noch scheitern. Davon warnen Experten des Brüsseler Thinktanks Bruegel. Das Embargo komme zu langsam und könne Russland sogar nutzen, meinen sie.

Nur ein unmittelbares und vollständiges Energie-Embargo hätte ausreichend starke Wirkung, so heißt es in einer Stellungnahme der Ökonomen. Der phasenweise Ausstieg aber gebe Russland Zeit, seine Ölexporte umzuorientieren.

Mit anderen Worten: Russland würde profitieren, die EU würde bluten. Vielleicht sollte man dazu auch mal eine Umfrage machen – sie könnte andere Ergebnisse bringen als die bestellten Erhebungen aus Brüssel…

Siehe auch „Das Energieembargo ist ein strategischer Fehler“. Mehr zum Wirtschaftskrieg hier

Watchlist

Wird Kiew zum neuen Mekka – pardon Brüssel? Immer mehr EU-Politiker pilgern in die ukrainische Hauptstadt, als wäre es das „Herz der EU“. Nun scheint sogar der Weg für Bundespräsident Steinmeier und Kanzler Scholz frei – bei einem Telefonat mit Präsident Selenskyj wurden die Irritationen der letzten Wochen ausgeräumt. Zuerst soll aber Außenministerin Baerbock fahren, auch Bundestagspräsidentin Bas hat sich angemeldet. Die Deutschen stehen Schlange – wenn jede/r ein Geschenk mitbringt, dürfte uns die Solidarität noch verdammt teuer zu stehen kommen…

Was fehlt

Die schnüffelnden Briten. Ungeachtet des Ausstiegs aus der Europäischen Union bleibt die britische Polizei Mitglied einer Ständigen Gruppe der Leiter von Abhörabteilungen, die bei Europol angesiedelt ist. Das Vereinigte Königreich wird dort durch die National Crime Agency vertreten. Das bestätigt die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in der Antwort auf eine schriftliche Frage von Patrick Breyer, Abgeordneter für die Piratenpartei im EU-Parlament. Großbritannien ist damit das einzige Drittland in der Gruppe, die die EU-Bürger ausschnüffeln darf…