Rückenwind für die Windfall Tax, Gegenwind für Johnson – und ein Impfappell für die Ü60
Die Watchlist EUropa vom 08. Juli 2022 –
Angesichts explodierender Gas- und Strompreise und hoher Gewinne der Energiekonzerne prüft die EU-Kommission mehrere Optionen zur Einführung einer Übergewinnsteuer. Dies sagte EU-Kommissarin Vera Jourova bei einer Aussprache im Europaparlament in Straßburg. Auch der neue tschechische EU-Vorsitz signalisierte Unterstützung.
Die so genannte „Windfall Profits Tax“ werde von der EU-Kommission auf ihre Machbarkeit geprüft, sagte Jourova. Es gehe um eine „koordinierte Herangehensweise“ in den 27 EU-Staaten. Für die Steuerpolitik sind die Mitgliedsländer zuständig. Brüssel will verhindern, dass es zu nationalen Alleingängen oder Marktverzerrungen kommt.
Bei der Aussprache im EU-Parlament setzten sich vor allem die Grünen für eine Übergewinnsteuer ein. “Während alle Bürger*innen von hohen Preisen und Millionen von Menschen von Energiearmut betroffen sind, machen einige Konzerne extrem hohe Profite“, sagte der grüne Abgeordnete Rasmus Andresen. Dies könne nicht so weiter gehen. Deshalb müssten die Profite stärker besteuert werden.
Die Einnahmen aus einer neuen Steuer sollten für Entlastungen der Bürger und in den Ausbau von Erneuerbaren Energien gesteckt werden. Konkret fordert Andresen eine Übergewinnsteuer von 50 Prozent, die möglicherweise auch rückwirkend erhoben werden könnte.
Italien und Rumänien als Vorreiter
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Für eine Sondersteuer sprachen sich auch die Sozialdemokraten aus. „Diese neue Steuer würde die Regierungen mit zusätzliche Finanz-Ressourcen ausstatten, um die sozialen Folgen der Energie- und Wirtschaftskrise abzufedern“, sagte Jonás Fernández, wirtschaftspolitischer Sprecher der S&D-Fraktion im Europaparlament.
Italien und Rumänien hätten die Übergewinnsteuer bereits eingeführt, so Fernández, bald werde auch Spanien folgen. In Deutschland wird die neue Steuer seit geraumer Zeit diskutiert, allerdings sträubt sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vehement gegen ihre Einführung.
Habeck verfolgt die Idee nicht mehr
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat lange für die Übergewinnsteuer geworben, setzt nun aber auf andere Instrumente. So will er die Konzerne mit dem Kartellrecht zur Ordnung rufen. In der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ kritisierte der Grünen-Politiker am Mittwochabend zwar die Spekulation auf dem Energiemarkt. Die Übergewinnsteuer erwähnte er aber nicht mehr.
Die Extragewinne der Konzerne könnten sich nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur in diesem Jahr auf bis zu 200 Milliarden Euro addieren. Die Bundeswettbewerbsbehörde in Österreich schätzt, dass sich die Gewinnmarge der Raffinerien infolge der Krise verdreifacht habe. Die Treibstoffpreise hätten sich im Juni gegenüber der Zeit vor dem Ukraine-Krieg vom Rohölpreis entkoppelt.
Krisensitzung im Juli
Die EU diskutiert bereits seit dem vergangenen Herbst über mögliche Maßnahmen gegen die Energiekrise, die vor dem Krieg eingesetzt hatte. Beim letzten EU-Gipfel Ende Juni konnten sich die Staats- und Regierungschefs jedoch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Die tschechische EU-Vorsitz hat nun eine Krisensitzung der Energieminister für den 26. Juli einberufen.
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Watchlist
Wie geht es weiter in London? Der britische Premierminister Boris Johnson ist am Donnerstag als Chef seiner Konservativen Partei zurückgetreten. Er will aber Regierungschef bleiben, bis eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt ist. Allerdings fordern zahlreiche Parteifreunde, der 58-Jährige solle sofort auch als Regierungschef abtreten. Die Opposition verlangt eine Neuwahl. Die EU hat sich offiziell nicht geäußert, fürchtet jedoch ein Machtvakuum. – Mehr dazu hier
Was fehlt
Die vierte Corona-Impfung ab 60 Jahren. Sie wird nun auch von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA empfohlen. Bisher hatte die EMA nur zu einer weiteren Auffrischungsimpfung für Menschen ab 80 Jahren geraten. Den Kurswechsel begründet sie mit der jüngsten Coronawelle. Die sei zwar nicht schlimm, führe aber zu mehr Infektionen. Zu der entscheidenden Frage, ob der alte Impfstoff gegen die neue Welle, äußerte sich die Behörde nicht…
Dies ist die letzte “Watchlist EUropa” vor der Sommerpause. Weiter geht’s am 30. August.